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      Die Franziskaner verlassen den Engelberg

      Neustart auf dem Engelberg

      Die Ordensniederlassung der Franziskaner wird zum 31. Juli aufgehoben. Bruder Othmar Brüggemann wechselt auf den Kreuzberg, Pater Richard Heßdörfer bleibt noch bis Ende Oktober. Danach soll eine neue Ordensgemeinschaft übernehmen.

      612 Stufen, die sogenannten Engelsstaffeln, führen von Großheubach hoch zum Kloster Engelberg. Die von Heiligenstatuen und Kapellen flankierte Sandsteintreppe wurde 1637 gebaut. Jährlich pilgern tausende Wallfahrer und Ausflügler den anstrengenden Weg hoch hinauf. Belohnt werden sie mit einem einzigartigen Ausblick vom Kloster runter ins Maintal. Viele Gläubige kommen auch, um das Gnadenbild der Gottesmutter zu verehren, das spätestens seit 1406 den Altar der Marienkapelle ziert. Andere haben die Gruft der Fürstenfamilie zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg zum Ziel.

      Für viele Walldürn-Wallfahrer ist der Berg die letzte Zwischenstation, die Gottesdienste beginnen dort schon um halb fünf in der Früh. Pater Richard Heßdörfer (76) und Bruder Othmar Brüggemann (64), Präses und Wallfahrtsseelsorger, zelebrieren die Messen. Das frühe Aufstehen sei kein Problem, schließlich sei auf dem Engelberg immer etwas los, schildern sie. Vom südlichen Ausläufer des Spessarts und dem Odenwald umrahmt, befinde man sich immerhin in einem Wald-Wander-Gebiet und vor allem wenn die Sonne scheint, kehren Besucher in der Klosterschänke ein. Die beiden Franziskaner leben gerne in dem Trubel, den ein Wallfahrtsort mit sich bringt.

      Im Klostergarten blühen die Kakteen, die Pater Richard aus Afrika mitgebracht hat. Doch dieses Jahr ist die Vorfreude auf den Sommer getrübt. Im Februar haben beide Patres vom Provinzialminister ihres Ordens erfahren, dass das Kloster aufgelöst wird. Am 28. Juli kommt der Würzburger Generalvikar Dr. Jürgen Vorndran zum Abschiedsgottesdienst. Damit geht die Franziskaner-Ära zu Ende. Fast 200 Jahre übernahmen Franziskanerbrüder die Seelsorge auf dem Engelberg, zuvor wirkten dort Kapuziner, auch ein franziskanischer Orden. Bruder Othmar war dabei, als das Kloster in Attendorn im Sauerland aufgelöst wurde, nun muss er zum zweiten Mal mit anpacken. Er sagt: „Es ist nicht nur schmerzlich für den Ort selbst und die Menschen in der Umgebung, sondern auch ein weiterer weißer Punkt auf der franziskanischen Landkarte.“

      Vollbremsung vor einer Wand

      Beide Brüder erzählen, dass die Personalnot im Orden groß sei. In Deutschland zählt die Franziskanerprovinz mit Sitz in München noch 26 Standorte, allein in den vergangenen Jahren mussten acht Niederlassungen schließen. Das Kloster im hessischen Großkrotzenburg ist 2025 an der Reihe. 60 Prozent der rund 210 Ordensmitglieder in Deutschland seien über 70 Jahre alt. Nur fünf Mitbrüder unter 50 Jahre, wobei ein Bruder gerade die Ordensausbildung durchläuft. Der Altersdurchschnitt liege derzeit bei 72. Lachend fügt Bruder Othmar hinzu: „Rüstige, alte Pater wie wir werden dringend gesucht.“ Doch ganz so pessimistisch möchten die Brüder nicht in die Zukunft schauen. Denn anders als in Europa wächst der Orden in asiatischen und afrikanischen Ländern.

      Bereits im Jahr 2019 fiel die Grundsatzentscheidung, den Engelberg irgendwann aufzugeben. Doch für die Patres persönlich kam die Nachricht aus der Ordensprovinz überraschend. Bruder Othmar Brüggemann kam erst im Juli 2023 auf den Engelberg, verbunden mit der Hoffnung, für einige Jahre bleiben zu können. Sofort räumte er die alte Klosterbibliothek aus, gestaltete einen Raum und bot dort Wochenendseminare an. Dann kam die Entscheidung. Brüggemann: „Es fühlte sich an, wie eine Vollbremsung vor einer Wand.“ Es sei inzwischen seine 16. Stelle. Oder gar die 17.? Er beteuert, dass das auch in Ordnung so sei. Schließlich gehöre es zur franziskanischen Spiritualität, auf Wanderschaft zu sein, unter den Menschen zu leben, an den Rand zu gehen. Und dann zitiert er einen seiner Brüder, der vor 20 Jahren einmal sagte: „Auch wenn wir nur noch zwei Franziskaner sind, mit unserem Fahrrad durch die Landen ziehen und predigen, dann genügt das. Unsere franziskanische Berufung bleibt dadurch lebendig.“ 

      Bruder Othmars nächste Station wird ab 1. September der Kreuzberg sein.  Er wird im Kloster, in der Wallfahrt und im Pastoralen Raum Am Kreuzberg mitarbeiten. Trotz Ordenscharisma hegt er mit Blick auf seinen Umzug einen leisen Wunsch: „Im Alter kommt eine kleine Sehnsucht in mir auf, irgendwo länger zu bleiben und engere Kontakte zu pflegen.“ Pater Richard Heßdörfer (76) wird bis zum 31. Oktober 2024 die Wallfahrtsseelsorge auf dem Engelberg fortführen. Generalvikar Vorndran dankte Provinzialminister Bruder Markus Fuhrmann für dieses Entgegenkommen. Die Franziskaner bleiben laut Vorndran auch Eigentümer der Klosterbetriebe auf dem Engelberg und führen diese fort. Zur Zukunft der Kirche laufen dagegen derzeit Gespräche: Das Eigentum daran soll laut Vorndran vom Orden auf eine neu zu gründende Kirchenstiftung übergehen. Und auch klösterliches Leben soll es weiter auf dem Engelberg geben: Laut Generalvikar stehen Verhandlungen mit einer neuen Ordensgemeinschaft „kurz vor dem Abschluss“. Vorndran hofft, dass ab 1. November das klösterliche Leben auf dem Engelberg weitergeht.

      Wenn eine Welt zusammenbricht

      Langjährige enge Kontakte, liebgewonnene Menschen, ja Freunde, sind das, was Pater Richard Heßdörfer zurücklassen muss. Er stammt ursprünglich aus Retzbach und wirkte lange in Nürnberg und Dettelbach, bevor er vor sieben Jahren auf den Engelberg kam. Da das Kloster mit dem Kreuzberg über die Franziskaner Klosterbetriebe GmbH wirtschaftlich verbunden ist, habe sich Pater Richard gar nicht vorstellen können, dass er schon so bald Abschied nehmen muss. „Ich war geschockt. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen.“ Pater Richard unterstützt auch seine Schwester Elisabeth, die im Orden der Mariannhiller Missionsschwestern ist und seit 36 Jahren in Mosambik wirkt. Er sammelt Spenden, um den Hunger dort zu bekämpfen, und hofft, dass diese Missionsarbeit weitergeht.

      Das Besondere am Kloster Engelberg sei die Verbundenheit und Treue so vieler Menschen aus der Umgebung, erklärt er. Viele verbinden Kindheitserinnerungen mit diesem Ort, andere haben dort geheiratet. Einige kommen gar aus Aschaffenburg zur Messe. Heimatgefühl sei das, was die Menschen immer wieder auf den Berg führe. Und das sei auch das, was Pater Richard mit dem Engelberg verbinde. Er sagt: „Mir fiel es nie schwer, irgendwo neu anzufangen, aber der Abschied von den Menschen ist schwierig.“ Die seien schließlich das wichtigste.

      Die Franziskanerbrüder freuen sich, dass Schänke und Klosterladen geöffnet bleiben. Durch die Aussicht auf eine neue Ordensgemeinschaft sei auch die Seelsorge gesichert. „Unser Kloster ist die Welt“, sagt Bruder Othmar abschließend. „Und wenn wir eine Zeit lang an einem Ort waren und ehrlichen Gewissens sagen können, wir haben die Menschen gut begleitet, dann sind wir erfüllt und ziehen dankbar weiter.“

      Galina Bauer und Ralf Ruppert