„Ich wollte schon als Kind immer mal nach Afrika“, erzählt Eva Fella. Nicht als Touristin, sondern um den Alltag der Menschen dort zu erleben. Allerdings sei immer etwas dazwischen gekommen. Nach dem Abitur am Hammelburger Frobenius-Gymnasium absolvierte Eva Fella zunächst ein Freiwilliges Soziales Jahr beim Roten Kreuz und war im Rettungsdienst eingesetzt. Danach besuchte sie die Hebammen-Schule an der Uni Erlangen. Erst nach dem Tod ihres Vaters und mit sieben Jahren Berufserfahrung ging sie ihren Kindheitstraum neu an.
Über eine Reportage im ZDF erfuhr sie im Herbst 2022 von einem Krankenhaus im Sudan. Im Dorf Lwere in den Nuba-Bergen organisiert die Hilfsorganisation Cap Anamur seit 25 Jahren notdürftig die medizinische Versorgung der Bevölkerung. Vor dem eigenen Aufenthalt war viel zu organisieren: Ihr Arbeitgeber, das Klinikum Würzburg Mitte, Kreißsaal am Standort Missioklinik, unterstützte Eva Fella und stellte sie für den Einsatz von der Arbeit frei.
Ende 2022 kam die Zusage von Cap Anamur. Allerdings flammte im April 2023 der Bürgerkrieg im Sudan wieder auf. Eva Fella kam ins Grübeln. „Zum Glück hat mich meine Familie unterstützt“, erinnert sie sich. Ihre Geschwister und ihre Mutter hätten gemerkt, dass ihr der Einsatz wichtig war. Bereits die Anreise im Juli 2023 war ein kleines Abenteuer. Wegen des Bürgerkriegs waren die Grenzen geschlossen. Eva Fella musste über den Südsudan einreisen, zum Teil mit einem kleinen Propellerflugzeug, schließlich acht Stunden mit einem Auto durch unwegsames Gelände.
Eva Fellas Schwerpunkt war die Ausbildung des einheimischen Personals, zudem begleitete sie die tägliche Visite auf Station. „Diagnostik und Therapie-Möglichkeiten sind sehr eingeschränkt“, fasst die Hebamme die Situation im Krankenhaus mit rund 100 Betten zusammen. Das engagierte Krankenhausteam betreut Schwangere, Früh- und Neugeborene sowie Säuglinge im Alter von bis zu drei Monaten. Eines der wenigen Hilfsmittel der Hebammen sei das Hörrohr, immerhin gab es zwei Ultraschallgerät in der Klinik. Das Krankenhaus verfüge über eine eigene Stromversorgung, im Dorf und in der Umgebung gebe es dagegen keinen Strom.
Im mehrheitlich muslimischen Sudan nimmt die Region um das Krankenhaus eine Sonderstellung mit einem hohen Anteil an Christen ein. Eva Fella, die als Kind in Hammelburg ministrierte und sich in der Wasserwacht engagiert, konnte sich weitgehend frei bewegen: „Wir haben darauf geachtet, dass Knie und Schulter bedeckt sind, aber wir mussten kein Kopftuch tragen“, berichtet sie, und: „Das internationale medizinische Personal des Krankenhauses hat eine Sonderstellung.“
Eine Herausforderung sei die Verständigung gewesen. Die Patientinnen sprachen entweder sudanesisch-arabisch oder eine der vielen Stammessprachen. Also musste zum Teil mehrfach übersetzt werden. „Vieles war völlig konträr zu unserem Leben hier in Europa“, fasst Eva Fella ihre Eindrücke zusammen. Schmerzhaft sei gewesen, Säuglinge sterben zu sehen, denen mit besserer Ausstattung vielleicht hätte geholfen werden können.
Große Natur-Verbundenheit
Allerdings habe es auch viele positive Erlebnisse gegeben, die Natur-Verbundenheit der Menschen etwa oder das Urvertrauen der Mütter. Zum Teil wurden Frühchen, die bei der Geburt nur ein Kilogramm wogen, ohne Brutkasten aufgepeppelt. Auch die Gastfreundschaft im Dorf mit Tee- und Kaffee-Ritualen sei eine schöne Abwechslung gewesen. Im Alltag teilte sich Eva Fella einen kleinen Wohnbereich auf dem Kilinik-Gelände mit drei weiteren internationalen Helfern. Zu den wenigen Privilegien zählte, dass das Klinikpersonal mit den halbjährlichen Materiallieferungen einen Vorrat an Konserven erhielt.
„Der Abschied fiel schwer, weil ich wusste, dass ich die Menschen vermutlich nie wieder sehe“, erinnert sich Eva Fella an das Ende ihres Einsatzes im März 2024. Vereinzelt habe sie zwar noch Kontakte, aber das sei schwierig, weil die technische Ausstattung in Afrika fehle. Reisen dorthin seien unmöglich, für Hilfseinsätze bei Cap Anamur müsse man sich für mindestens sechs Monate verpflichten. Auch wenn Eva Fella ledig und kinderlos ist: Vorerst kann sie sich keinen weiteren Einsatz vorstellen.
Zurück in Deutschland nahm sich die Hammelburgerin zunächst eine Auszeit, bevor es als Hebamme zurück ins Klinikum Würzburg Mitte ging. Im Juni 2024 half sie schon wieder bei einem Einsatz der Wasserwacht Hammelburg im Hochwassergebiet in Südbayern. „Bei uns wird zu oft nur das Negative gesehen“, fasst Eva Fella ein Jahr nach ihrer Rückkehr die Eindrücke zusammen. Im Sudan seien die Menschen mit viel weniger glücklich. Bei der medizinischen Versorgung werde in Deutschland manchmal zu viel gemacht, wobei auch hier Hebammen seit jeher auf den natürlichen Ablauf der Geburt setzen.
Bereits im vergangenen Jahr sei Maria Albrecht-Martin, Initiatorin und Moderatorin des Formats „Mittwochs-Talk“ mit der Idee auf sie zugekommen, ihre Erfahrungen zu teilen. Einen Abend mit 80 Zuhörern gab es bereits, bei der Wiederholung geht es Eva Fella erneut darum, „den Menschen aus Nuba, die zu Freunden und Familie geworden sind, eine Stimme zu geben“.
Ralf Ruppert
Maria Albrecht-Martin moderiert die Reihe „Mittwochs-Talk“, in der es um Menschen und ihre persönlichen Erfahrungen geht. Nächster Termin ist am Mittwoch, 14. Mai, mit Hebamme Eva Fella um 19 Uhr im Johannes-Martin-Haus, dem katholischen Pfarrzentrum von Hammelburg. Geplant ist zudem am 22. Oktober um 19 Uhr im Pfarrzentrum Hammelburg ein Talk mit XXL-Familie Deifel-Stein: Eine Lehrerin und ein Fachinformatiker haben sechs Kinder im Alter von 2 bis 19 Jahren. Anmeldungen vorab auf der Seite www.vhs-kisshab.de, Restkarten an der Abendkasse.