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      Pfarrer Ludwig Böll war vor kurzem in Würzburg zu Besuch

      Neue Heimat versinkt im Chaos

      Nach der Präsidentschaftswahl in Venezuela hat sich Amtsinhaber Nicolás Maduro zum Sieger erklärt, die Opposition läuft Sturm. Pfarrer Ludwig Böll lebt seit 24 Jahren in dem südamerikanischen Land. Für den Bau von Schulen und Universitäten verzichtet er fast auf sein komplettes Gehalt und lebt wie andere Priester vor Ort.

      Mit „Fidei Donum“, zu deutsch „Geschenk des Glaubens“, ist die Missionsenzyklika überschrieben, in der Papst Pius XII. 1957 zum Entsenden von Priestern nach Afrika, Asien und Südamerika aufrief. Diese Idee packte Ludwig Böll bereits in den 1960er Jahren im Priesterseminar: Nach dem Vortrag eines Fidei-Donum-Priesters bat er seinen Würzburger Bischof Josef Stangl darum, auch in die Mission gehen zu dürfen. Mittlerweile hat der 84-Jährige mehr als die Hälfte seines Lebens in Südamerika gelebt und gewirkt. Dabei bezeichnet er sich selbst gar nicht als Missionar, sondern als „ausgeliehener und geschenkter Diözesanpriester“, der den Klerus vor Ort in der schwierigen Seelsorge unterstütze. Seine persönliche Vision: „Ich muss zum Guten aller beitragen, was ich kann. Dazu habe ich mein Leben, meine Fähigkeiten.“

      Auf Besuch in Deutschland

      Vor kurzem war Ludwig Böll wieder einmal auf Besuch in Würzburg. Obwohl es Sommer war in Deutschland habe er an einigen Tagen gefroren. „Ich bin tropisches Klima gewöhnt, die Temperaturen schwanken in Venezuela zwischen 25 und 35 Grad“, berichtet der 84-Jährige. Auch deshalb schließt er eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland aus. Trotzdem hat er ein klares Ziel: Zum 60. Priesterjubiläum in drei Jahren will er wieder nach Würzburg kommen. Er hoffe, dass Gott ihm dafür und für sein aktuelles Projekt, den Bau eines Schulzentrums, Kraft und Gesundheit schenke.

      Ludwig Böll wurde als einer von acht Geschwistern in Würzburg geboren und wuchs in Schonungen auf. 1967 weihte Bischof Stangl ihn zum Priester, es folgten fünf Jahre Kaplanszeit, unter anderem in Kahl am Main und Schweinfurt-Heilig Geist. Danach ging es zum Spanisch-Intensivkurs nach Madrid. „Wir haben den ganzen Tag gelernt, dabei hat uns unser Latein geholfen“, erinnert sich Böll. Eigentlich wollte er nach Bolivien, allerdings schlug ihm das Hilfswerk Adveniat – sie waren für die Entsendung der Fidei Donum Priester verantwortlich – Kolumbien vor: „Dann bin ich halt nach Kolumbien gegangen, es waren ja auch nur vier, fünf Jahre geplant.“

      Am Ende wirkte Böll gut 20 Jahre, von 1973 bis 1993 als Pfarrer im kolumbianischen Puerto López. Er habe dort eine Schule und ein Internat gegründet, zudem dafür gesorgt, dass der Ort ans Stromnetz angeschlossen wird, berichtet Böll. Bauen ist seit jeher ein großes Hobby des Priesters, unter anderem arbeitete er in seiner Jugend als technischer Zeichner und als Hilfsarbeiter auf dem Bau. Puerto López wurde erst in den 1930er Jahren gegründet, heute sei es eine Stadt mit mehr als 35.000 Einwohnern. Vor kurzem sei er von der Stadtverwaltung eingeladen und für seine Verdienste um die Stadtentwicklung geehrt worden.

      1993 kehrte Böll nach Unterfranken zurück und wirkte bis 2000 in Traustadt, Donnersdorf, Pusselsheim und Bischwind. Bereits nach vier Jahren habe er Bischof Paul-Werner Scheele gebeten, ihn zurück nach Südamerika zu lassen. „Mein Herz fühlt sich eher in Lateinamerika zuhause.“ Vor allem die Offenheit und Aufgeschlossenheit der Menschen dort habe es ihm angetan. Bischof Scheele habe ihn jedoch gebeten, mindestens sieben Jahre zu bleiben.

      Zufällig in Venezuela gelandet

      Danach sei ihm zunächst wieder eine Aufgabe in Kolumbien angeboten worden. Er schaute sich die neue Pfarrgemeinde an, in der er Aufbauarbeit hätte leisten sollen. Die Kämpfe zwischen der Armee, der Drogen-Mafia und der Farc-Guerilla schreckten ihn jedoch ab: „Da war gar nicht an Aufbau zu denken, wir hätten nicht einmal Material dort hin schaffen können.“ Weil er für Kuba kein Visum bekommen habe, sei er schließlich im Jahr 2000 in Venezuela gelandet, in El Palmar im Bundesstadt Bolivar. Böll errichtete dort ein Pfarrzentrum und eine Universität. Das Grundstück dafür kaufte er mit Unterstützung aus Würzburg.

      „Als ich dort ankam, ging es den Menschen noch sehr gut“, erzählt Ludwig Böll. Seit der sozialistischen Revolution gebe es jedoch nur noch Materialzuteilung auf freiwilliger Basis. Doch Böll ließ sich nicht entmutigen und baute in rund zehn Jahren die Universität auf. Mittlerweile haben dort die ersten Agraringenieure ihren Abschluss gemacht. 

      „Bei uns ist alles ruhig“

      „Wir waren in meinem Pfarrort El Palmar bis heute Mittag ohne elektrischen Strom und ohne Kommunikation“, schreibt „Luis Boll“, wie er sich auf Spanisch nennt, kurz nach seiner Rückkehr aus Deutschland per Mail. Deshalb könne er auch noch wenig sagen zu den Unruhen rund um die Präsidentschaftswahl in Venezuela. Das Land könnte dank seiner Ölvorkommen eigentlich zu einem der reichsten Länder der Welt zählen. „Bei uns im Ort ist alles ruhig und wir wissen noch wenig von dem, was anderswo im Land passiert“, fasst Böll die Lage zusammen. Oppositionsführerin María Corina Machado kenne er sogar persönlich.

      „Angst habe ich nicht“, kommentiert Ludwig Böll seine Lage. Er vertraue auf Gott. Mit dem Bürgermeister habe er sich gut arrangiert. Sein aktuelles Herzensprojekt ist der Bau eines neuen Schulzentrums. Im Schuljahr 2025/26 soll dort der erste Unterricht stattfinden. Die Finanzierung bewerkstelligt Böll durch sein eigenes Gehalt und viele Spenden. Der 84-Jährige geht davon aus, dass das Projekt rund eine halbe Million US-Dollar kostet. Rund 200.000 US-Dollar habe er bereits beisammen.

      Nicht nur bei seinen Bauprojekten ist Pfarrer Böll gewohnt zu improvisieren: Im Jahr 2022 etwa musste er dringend nach Deutschland, um seinen Pass zu verlängern. Am letzten Gültigkeitstag des alten Ausweises passierte er illegal die grüne Grenze zu Kolumbien und flog von dort, weil es aus Venezuela keine Flüge nach Deutschland gab. Für die aktuelle Reise habe er ebenfalls erst kurz zuvor ein Visum bekommen. „Ich war fast ein Gefangener, jetzt bin ich wieder wesentlich freier.“

      Zehn Jahre lang Generalvikar

      Trotz der Misswirtschaft, der schwierigen politischen Umstände und der internationalen Sanktionen gegen Venezuela zieht es ihn immer wieder dorthin zurück. Von 2008 bis 2018 wirkte Böll sogar als Generalvikar im Bischöfliche Ordinariat von Ciudad Guyana. Dafür fuhr er jede Woche für zwei Tage in die zwei Autostunden entfernte Bischofsstadt und übernachtete auf einer Matratze im Büro. Ciudad Guyana ist eines von 33 Bistümern in Venezuela, die Zahl der Katholiken liegt bei rund einer Million. Obwohl Böll seit 2018 offiziell im Ruhestand ist, wirkt er weiterhin als Pfarrer in El Palmar.

      „Viele Priester sind entmutigt“, sagt Böll zur Lage der katholischen Kirche in Venezuela. Freikirchen hätten durch „Angstbekehrungen“ regen Zulauf. Er dagegen setze auf die Botschaft Jesu von der Liebe. In seine Projekte hat Ludwig Böll fast alles Geld gesteckt, das die Diözese Würzburg für ihn nach Venezuela überweist. „Ich lebe dort wie alle Priester von dem, was mir die Gemeinde geben kann“, erzählt der 84-Jährige. Lediglich für die Krankenversicherung vor Ort und eine Pension verwende er einen kleinen Teil seines regulären Gehalts.

      Ralf Ruppert

      Spenden für die Projekte von Ludwig Böll in Venezuela sind möglich über das Spendenkonto der Diözese Würzburg:
      Diözese Würzburg Weltkirche Spenden
      IBAN: DE40 7509 0300 0603 0000 01,
      Stichwort „Ludwig Böll, Venezuela“.