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    Spaniens spektakulärster Wald

    Natur und Kultur verschmelzen

    Die Verschmelzung von Natur und Kultur trieb der baskische Künstler Agustín Ibarrola vor Jahrzehnten in seiner Heimat auf die Spitze. Er bemalte hunderte Kiefernstämme, begriff die Landschaft als Leinwand. Allmählich wurden die Bäume alt und krank. Vor wenigen Wochen ist ein neuer bemalter Wald eröffnet worden, der in der Einsamkeit zum Innehalten und zu Reflexionen anstößt.

    Der Künstler Agustín Ibarrola spazierte eines Tages, wie so oft, nahe seinem Landhaus durch den baskischen Forst. Da brach es wie aus dem Nichts aus ihm heraus. Er sagte zu seiner Frau: „Ich werde den Wald bemalen.“ So erinnerten sich beide vor Jahren in einem gemeinsamen Interview. Gesagt, getan. Ibarrola begann 1982, Kiefernstämme zu bepinseln, aber nicht wahllos, sondern nach festen Vorstellungen. Er spielte mit Perspektiven und Dimensionen, verband Natur und Kultur auf eigenwillige Art, schuf tiefe Raumwirkungen, überraschende Blickwinkel. Er nutzte die Landschaft als Leinwand und trieb gleichzeitig seine Weiterentwicklung als Künstler voran. Unweit der heiligen baskischen Stadt Gernika, die auf Spanisch Guernica heißt und Weltruhm durch Pablo Picassos gleichnamiges Antikriegsgemälde erlangte, avancierte der „Wald von Oma“ (spanisch: „Bosque de Oma“) vom Insidertipp zu einer Besucherattraktion. Auf Deutsch klingt der Name verwirrend. Er hat nichts mit einer Großmutter zu tun. Oma heißt schlichtweg das hiesige Tal.

    Den Wald auf seine eigene Art wahrnehmen

    Der natürliche Alterungsprozess und eine Krankheit der Bäume führten zur Sperrung des alten Walds. Nun ist ganz in der Nähe ein neuer entstanden, der den Vorläufer in den Schatten stellt. Mit zwölf Hektar ist er fast dreimal so groß und einem eineinhalb Kilometer langen Rundweg wesentlich besser strukturiert. Persönlich Hand anlegen konnte der hochbetagte, 1930 geborene Ibarrola nicht mehr. Dafür hat ein interdisziplinäres Künstler- und Expertenteam in enger Abstimmung mit der Familie ganze Arbeit geleistet.

    Über 800 bemalte Bäume setzen sich im neuen „Wald von Oma“ zu 34 Ensembles zusammen, die teils ineinander greifen. Abseits von dem, was wir Zivilisation nennen, kann man innehalten, seinen Gedanken nachhängen, meditieren. Wichtig im Ursinn Ibarrolas ist es, den Wald auf die eigene Art wahrzunehmen, über die Gedanken des Frei-Seins zu sinnieren.

    Das „Regenbogen“-Ensemble erklärt sich von selbst und besteht aus geballter Farbwucht, verteilt auf eine Vielzahl von breiten Ringen und Kringeln um Kiefern, die in eine Senke abfallen. Bei anderen Kombinaten gilt es, einen auf dem Boden markierten Standpunkt einzunehmen. Erst so erschließt sich „Der Kuss“, bei dem zwei Lippenstücke hintereinander versetzt auf unterschiedliche Bäume aufgetragen sind. Eine Augenkomposition verteilt sich sogar auf sieben verschiedene Stämme. So macht der Künstler die Betrachter zu stillen Komplizen. Er überrascht sie, fordert sie heraus, belässt ihnen Freiräume zur Reflexion, drängt sie aber immer wieder zu fixen Punkten für das Offenbarungserlebnis. Plötzlich sieht man einen blaugrünen „Motorradfahrer“ in windschnittiger Haltung heranrauschen, sofern man die zwei Bildhälften zusammensetzt. Dieses Motiv bildet allerdings nur ab, es fehlt an Tiefgang. Das ist beim Ensemble der „Nuklearen Bedrohung“ anders, der leider eine chronische Aktualität anhaftet. Überall auf den Stämmen am Weg transportieren auseinander gespreizte Finger in Rotweiß eindringlich die Botschaft Ibarrolas, der gesagt hatte: „Ich erhebe meine Hände und schreie: Es reicht.“

    Künstlerisches Feingefühl gefragt

    Der neue Wald ist Ende Oktober letzten Jahres nach langer Vorlaufzeit eröffnet worden. Für Künstlerin Karol Franco war die Mitarbeit „ein Privileg“, geknüpft an besondere Herausforderungen: „Wenn ich bei mir zuhause Decken oder Wände streiche, sind das glatte Flächen. Aber Bäume sind nicht eben, haben Wölbungen, die Strukturen der Rinde.“ Die Pinsel, die sie in die Hand nahm, wirkten landläufig grob wie aus dem Baumarkt. Umso schwieriger war das künstlerische Feingefühl, punktgenau Dimensionen und Tiefe zu schaffen. Gelegentlich war Franco gezwungen, auf Leitern zu klettern oder sich mit Verlängerungsstielen so richtig zu strecken. „Beim Material handelt es sich um spezielle Vinylfarbe, die nicht schädlich für die Stämme ist“, versicherte Restaurator Juan Bermejo vor Ort, wo unter einem Schutzsegel im Waldcamp bis zuletzt überall Töpfe und Pinsel herumlagen. Eines der letzten Ensembles, das beide halfen fertigzustellen, war die „Moschee von Córdoba“, ein Meisterwerk der Mauren in Andalusien, geprägt durch rotweiße Bögen. Ein Stück weiter leuchten bunte Punkte an Stämmen: Ibarrolas Hommage an die Stilrichtung des Pointillismus. Sonnenlicht. Nebel. Regen. Tageszeit. Wind, der durch die Zweige fährt. Das alles versetzt in wechselnde Stimmungen. Jederzeit gleich bleibt, dass man sich in der „Augen“-Sektion unter Dauerbeobachtung fühlt. Ob ganz nah oder aus mehreren Metern Höhe. Ob aus gelben, lila oder schwarzen Pupillen. Das ist im besten Sinn ein visuelles Erlebnis, so wie der „Bosque de Oma“ in seiner Gesamtheit: Spaniens spektakulärster Wald.

    Andreas Drouve

    Praktische Infos

    Der „Wald von Oma“ liegt im baskischen Küstenhinterland nordöstlich von Gernika. Startpunkt für den Einstieg ist der Parkplatz der Höhle von Santimamiñe. Dort stellt man sein Fahrzeug ab und startet eine Wanderung, indem man auf einem breiten Forstweg den Beschilderungen folgt. Nach 2,8 Kilometern beginnt der Einstieg in den bemalten Wald. Der dortige Rundgang ist 1,5 Kilometer lang. Später kehrt man auf derselben Strecke zum Parkplatz zurück. Unterwegs gibt es keine Infrastruktur, kein Wasser.

    Der Zutritt in den „Wald von Oma“ ist kostenlos. Allerdings muss man den Zugang über die Internetseite: www.bizkaia.eus/en/web/bosque-oma-basoa/book-now reservieren; dazu gibt es verschiedene Zeitfenster zur Auswahl. Die Bestätigung muss man am Kontrollpunkt vorweisen. Samstags um 11 Uhr ist zum Preis von zehn Euro die Teilnahme an einer Führung möglich, allerdings nur auf Spanisch. Das Info-Telefon hat die Nummer: +34/944651657.