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    Eine Pilgerreise ins Heilige Land

    Nähe und Solidarität für neue Hoffnung

    Eine Pilgerreise ins Heilige Land
    Ist das Heilige Land wirklich heute zu einem „unheiligen Land“ geworden? Wenn man den Massenmedien Glauben schenkt, scheint das der Fall zu sein: Schlagzeilen von Unruhen, Selbstmordanschlägen, Terror und Gegenterror. Die Folgen dieser „schwarzen Chronik“ sind durchschlagend. Seit den drei Jahren der zweiten Intifada, des Palästinenseraufstands, ist der Tourismus fast gänzlich zusammengebrochen. Dieses wichtige Standbein der israelischen-palästinensischen Wirtschaft ist gelähmt: keine Pilger, keine Touristen, keine Zukunft.
     
    Nur wenige haben den Mut, sich über die Barriere der negativen Berichterstattung hinwegzusetzen. Nur Abenteurer fahren in dieses Kriegsgebiet, das sich das Heilige Land nennt. Es gibt genug Alternativen für eine Pilgerreise: Griechenland oder die Türkei auf den Spuren des heiligen Paulus, Rom, Lourdes.
    Konstantin Spiegelfeld, Studentenpfarrer in Wien, hatte sich eine andere Meinung gebildet: „Gerade jetzt möchte ich mit einer Gruppe Studenten ein Zeichen der Verbundenheit mit den Christen im Land der Bibel setzen.“ Er schrieb eine elftägige Pilgerreise zwischen den Jahren 2003 und 2004 aus. Aber nur ein paar spärliche Anmeldungen kleckerten ein.
     
    Pfarrer Spiegelfeld und sein Assistent Emmanuel, ein Medizinstudent aus Jerusalem, setzten nun alles auf eine Karte: „Emergency-Appell. Last Chance zur Anmeldung. Oder wir müssen die Reise abblasen“.
    Und das „Wunder“ geschah. In wenigen Stunden standen 13 Teilnehmer verbindlich auf der Reiseliste. Ein „frisch gebackenes“ Ehepaar hatte schon seine Hochzeitsreise in den Libanon gebucht. Als die beiden jungen Ärzte den Dringlichkeitsaufruf bei ihrem Freund Konstantin Spiegelfeld sahen, entschlossen sie sich kurzerhand ins Heilige Land umzudisponieren.
    Wie erwartet, wurde die Pilgerfahrt ins Heilige Land für die „13 Aufrechten“ zu einem unvergesslichen Erlebnis. Als die Gruppe in Betlehem die Geburtsbasilika betreten wollte, kam ein Betlehemit mit seiner Frau strahlend auf die jungen Leute zu. Er hielt ein gesegnetes Stück Brot in Händen. Er brach es in kleine Stückchen und reichte jedem davon etwas als Zeichen der Verbundenheit und Gastfreundschaft im „Haus des Brotes“, wie Betlehem übersetzt heißt.
     
    Die Christen im Heiligen Land sind davon überzeugt, dass nur „von oben“ diesem Land ein gerechter Friede geschenkt werden kann. In der Tat haben die Christen dort ihre Friedenspatronin: die Mystikerin Mirjam Baouardy, Begründerin der Karmelitinnenklöster in Betlehem und Nazareth. An ihrem Grab in Betlehem stimmten die jungen Leute aus Wien in diese Friedensbitte mit ein. In der Jerusalemer Auferstehungskirche, dem heiligsten Ort der Christenheit, erlebten sie den topographischen Beweis, dass sie nicht einem Mythos nachlaufen, sondern Jesus selbst, dem ewigen, Mensch gewordenen Wort Gottes, das in einer bestimmten Zeit der Geschichte, in einem bestimmten Land und in einem bestimmten Volk in diese unsere Welt eingetreten ist.
     
    Im Abendmahlsaal auf dem Zionsberg wurde man sich bewusst, wie von hier aus, vor 2000 Jahren das Christentum seinen Anfang nahm. Jeder Teilnehmer spürte, dass Jerusalem und das Heilige Land auch seine geistliche Heimat ist, und dass jeder Einzelne Verantwortung mit trägt, damit dieses Land nicht seiner „lebendigen Steine“ beraubt wird; denn die Auswanderungswelle hält weiter an. Allein im Raum Bethlehem sind in den letzten drei Jahren mehr als 3000 Christen ausgewandert.
     
    Auf den Spuren der Bibel machten Pfarrer Spiegelfeld und seine jungen Freunde die Erfahrung der ersten Christen, als sie ein Stück des Emmausweges zurücklegten. Wie Kleophas und sein Begleiter, unterhielten sie sich im ersten Abschnitt über ihre Probleme, Nöte und Schwierigkeiten des täglichen Lebens. Auf dem zweiten Teil des Weges gesellte sich Jesus als unbekannter Weggenosse zu den Emmausjüngern. Ebenso erwanderte die kleine Gruppe in Stille und Besinnlichkeit die zweite Etappe und ließ Jesus in ihrem Herzen sprechen. Als die Jünger den Fremden beim Brotbrechen als ihren Herrn erkannten, gingen ihnen die Augen auf und sie eilten voller Freude nach Jerusalem zurück. Ganz ähnlich erreichte die Wiener Pilgerschar Loblieder singend den biblischen Ort Emmaus-Nicopolis. Bei der Eucharistiefeier brach ihnen der „erhöhte Herr“ erneut das Brot. Das Gestern wurde zu einem aktualisierten Heute. Die gleiche Realität erlebte die Pilgergruppe auf dem See Genesareth, als sie mit „Jesus im Boot“ heilige Messe feierten. Sie entdeckten, was der Kirchenvater Hieronymus meinte, wenn er von dem Heiligen Land als dem „Fünften Evangelium“ sprach. Ein Evangelium zum Anfassen. Mit der gleichen Landschaft, wie sie Jesus durchwanderte. Mit den gleichen Bergen, auf die er sich in Zweisamkeit mit dem Vater zurückzog. Das gleiche Kafarnaum, wo er das Töchterchen des Jairus vom Todesschlaf erweckte und es seinen Eltern zurück gab. Wo er den Knecht des Hauptmanns aufgrund des Glaubens dieses Römers von seiner Krankheit heilte und voller Verwunderung die provozierenden Worte sprach, dass er in ganz Israel nicht solch einen Glauben gefunden habe, wie ausgerechnet bei diesem Heiden.
     
    Aber nicht nur die Spuren ihres Herrn wollten die jungen Österreicher im Land der Bibel entdecken. Sie suchten auch nach Möglichkeiten, um mit den heutigen „lebendigen Steinen“ in Kontakt zu kommen. Deshalb führte sie der Weg in das kleine Städtchen Iblin, den Geburtsort Mirjam Baouardys. Dort lebt Abuna Elias Chacour, ein melktischer Priester und Vorkämpfer für die Versöhnung zwischen Palästinensern und Juden. In einem lebendigen Gesprächsaustausch berichtete Elias Chacour über die Gründung seiner Friedensuniversität, in der Christen, Juden, Palästinenser und Drusen miteinander studieren, und sich als Brüder und Schwestern gegenseitig schätzen und achten lernen. Chacours Vision von einer besseren Zukunft setzt bei der Erziehung im Kindergarten an und reicht bis zu einer fundierten Universitätsausbildung. Nur so könne eine neue Generation endlich den alten Hass begraben und in eine gemeinsame Zukunft des Friedens und der Gleichberechtigung schreiten. Abuna Elias wird nicht müde, immer wieder zu betonen: „Unsere Tore stehen für alle offen. Sie alle sind eingeladen. Hier wird niemand nur Gast sein. Ihr sollt ein Teil der Familie sein! Nur gemeinsam werden wir alle Hindernisse überwinden.“ Selbst dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon redete er in einem Telefongespräch ins Gewissen: „Fürchten Sie sich nicht, dass es uns Palästinenser gibt. Fürchten sie lieber den Tag, an dem es uns nicht mehr gibt. Wir sind keine Bedrohung. Wir sind Partner.“ Den jungen Leuten aus Wien legte er ans Herz, sie möchten für die Gewissensbildung der Politiker beten, damit sie ablassen, der Menschheit nur Kriege und Waffen anzubieten, sondern dass ihr Denken geprägt sei von Mitleid, Gerechtigkeit und Frieden.
     
    Um auch Kontakt zu einheimischen Christen zu bekommen, bat Pfarrer Spiegelfeld Abuna Louis Hazboun, den katholischen Gemeindepfarrer von Jafi di Nazareth, den sonntäglichen Gottesdienst mit seiner Pfarrei mitfeiern zu dürfen. Durch ihre Gemeinschaft mit den arabische Christen, durch die Lieder in deutsch und arabisch, durch ihre Fürbitten um Frieden in diesem geplagten Land wurden Pilger und Ortschristen zu einer lebendigen Kirche.
    Der letzte Besuch in der ehemaligen herodianischen Luxusstadt Cäsarea Marittima ließ die Gruppe etwas davon ahnen, wie von diesem Hafen aus das Evangelium durch den Völkerapostel Paulus seine friedliche Welteroberung angetreten hatte; dass hier durch die Taufe der Römers Kornelius die junge Kirche der Gefahr als enge, jüdische Sekte entging, indem Petrus eines verstand: Nicht nur die Juden, sondern alle Menschen sind zu Kindern Gottes berufen.
     
    Mit ihrem Schlusslied, „Herr, sende uns deinen Geist“ verstanden alle, dass auch sie gesandt sind, als Zeugen des leeren Grabes den Menschen ihrer Umwelt eine wichtige Botschaft ans Herz zu legen: „Das Heilige Land ist gerade jetzt eine Reise wert. Die Christen dort brauchen eure Nähe, eure Solidarität, um neue Hoffnung zu schöpfen in dem Bewusstsein, dass die ‚Kleine Herde‘ drüben im Heiligen Land nicht vom Rest der Christenheit vergessen ist.
     
    Mirjam Baouardy – Friedenspatronin für das Heilige Land
    Mehr denn je gewinnen im leidgeprüften Heiligen Land die Worte Martin Luther Kings aktuelle Bedeutung: „Hass kann den Hass nicht austreiben, nur die Liebe kann es tun.“ Dass nicht dem Terror, sondern dem Vertrauen die Zukunft gehören muss, dafür steht auch der Name Mirjam Baouardy. Die von Papst Johannes Paul II. 1983 selig gesprochene palästinensische Ordensfrau ist zur Friedenspatronin für das Heilige Land geworden.
     
    Wer war dieses „Kleine Nichts“, wie sich Mirjam Baouardy selbst bezeichnete? Am 5. Januar 1846 wurde sie in einer katholischen Familie des griechisch-melkitischen Ritus in dem galiläischen Dorf Iblin geboren. Drei Jahre später starben ihre Eltern. Ein Onkel, der in Alexandrien lebte, adoptierte Mirjam. Im guten Glauben, seiner Pflegetochter früh einen Lebenspartner suchen zu müssen, arrangierte er nach ihrem 13. Geburtstag den Termin für die Hochzeit. Doch die Dreizehnjährige spürte den starken Ruf des Herrn, den sie schon einige Male wahrgenommen hatte: „Alles vergeht. Gib mit dein Herz, so werde ich stets dir gehören.“ Entschlossen sagte die „Braut wider Willen“ die Hochzeit ab.
    Mehr und mehr erkannte die „Kleine Araberin“ ihre Berufung als Ordensfrau. Am 15. Juni 1867 überschritt sie die Schwelle des Karmel. Von jetzt an hieß sie Schwester Mirjam von Jesus dem Gekreuzigten, ein Name, der für sie zu einem Lebensprogramm werden sollte. Allmählich hatte sich herumgesprochen, dass Mirjam ein von Gott begnadetes Menschenkind war. Selbst seine Wundmale hatte er ihr geschenkt. Sie aber wurde sich mehr und mehr ihrer Armseligkeit bewusst. Wie litt sie darunter, dass sie kaum ihr Temperament zu zügeln vermochte, indem sie manchmal während des Stillschweigens vor Freude laut sang und nicht einmal merkte, wie sie die heilige Ruhe des Klosters störte.
    Um die Jahreswende 1872/73 vertraute Mirjam ihrer Oberin an, dass der Herr einen Karmel in Betlehem wünschte. Mit Recht reagierten ihre Vorgesetzten zunächst zurückhaltend. Doch zu Beginn des Jahres 1874 lernte Mirjam Bertha Darthigaux kennen, die einzige Tochter des Polizeipräsidenten von Pau. Diese erklärte sich bereit, ihr ganzes Vermögen für die Gründung des Karmels in Betlehem einzusetzen. Da Mirjam die Einzige im Kloster war, die die arabische Sprache beherrschte, übertrug man ihr die Aufsicht der Bauarbeiten.
    Die Einweihung des Karmels fand 1876 statt. Und schon hatte der Herr dem „Kleinen Nichts“ deutlich gemacht, dass ein Karmelitinnenkloster auch in Nazareth entstehen sollte. Zur Besichtigung des Grundstücks begab sich Mirjam mit einigen Mitschwestern 1878 auf den Weg. In Latrun machte die Kutsche bei einer Herberge Halt. Von einer inneren Eingebung getrieben, verließ Mirjam die Gaststätte und lief in Richtung einer Ruine. Wenige Schritt davor blieb sie stehen und rief mit großer Sicherheit: „Hier ist der Ort, wo unser Herr mit seinen Jüngern in Emmaus gegessen hat.“ Das Grundstück wurde ein Jahr später von Bertha Darthigaux gekauft und als Schenkung den Karmelitinnen in Betlehem übergeben.
    Am 22. August schleppte Mirjam zwei Eimer Wasser für die Arbeiter. Da verließen sie die Kräfte. Sie stürzte und brach sich den linken Arm. Zu den Schwestern sagte sie mit Bestimmtheit: „Ich bin auf dem Weg zum Himmel. Ich werde sterben.“
    Als der Papst am 13. November 1983 im Petersdom die Karmelitin zur Patronin des Friedens für den Mittleren Osten erklärte, ahnte er vielleicht noch nicht, wie wichtig sie gerade heute für das Heilige Land geworden ist: „Dieses Land sieht seit Jahrzehnten zwei Völker im Kampf. Jedes dieser beiden Völker hat seine eigene Geschichte, seine eigene Tradition, sein eigenes Schicksal. Bitten wir mit dem Psalmisten die neue Selige, dass der Herr ihrem Land Frieden gewähre: Erbittet für Jerusalem Frieden!“