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      Gedanken zum Evangelium - 15. Sonntag im Jahreskreis

      Multireligiöse Metropole

      An den kommenden sieben Sonntagen stammt die zweite Lesung immer aus dem Brief an die Epheser. Was macht die Stadt aus, in der Paulus zwei Jahre lang missionierte? Und können wir etwas von damals für heute lernen?

      Evangelium

      In jener Zeit rief Jesus die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen Vollmacht über die unreinen Geister und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen.

      Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst! Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, ihnen zum Zeugnis.

      Und sie zogen aus und verkündeten die Umkehr. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.

      Markusevangelium 6,7–13

      Das antike Ephesus war kein beschaulicher und ruhiger Ort und die heutige Ausgrabungsstätte an der Westküste der Türkei ist es auch nicht. So gab es erst kürzlich eine Auseinandersetzung zwischen Kreuzfahrttouristen, für die ein luxuriöses Dinner mitten in den Ruinen angerichtet wurde, und den Tagestouristen aus der Gegend, denen deswegen der Zutritt verwehrt wurde. Schlussendlich flüchteten die Kreuzfahrttouristen unter Buhrufen und Pfiffen auf ihren Luxusliner zurück.

      Auch vor knapp 2000 Jahren gab es schon Auseinandersetzungen darüber, wer in Ephesus denn das Sagen hat. Die Bibel dokumentiert das im 19. Kapitel der Apostelgeschichte. Darin wiegelt ein Silberschmied namens Demetrios die Kunsthandwerker der Stadt gegen christliche Missionare wie Paulus auf, weil diese gegen die antiken Götter predigen. Damit würden sie ein wichtiges Geschäftsmodell der Stadt kaputt machen, nämlich die Herstellung und den Verkauf von Mitbringseln und religiösen Andachtsgegenständen. Demetrios selbst stellt kleine Nachbildungen des Artemistempels von Ephesus her und lebt vermutlich recht gut davon.

      Tumultartige Szenen sind das Resultat und die Apostelgeschichte beschreibt, wie christliche Missionare von der aufgebrachten Menge ins Theater geschleppt werden. Erst dem Stadtschreiber gelingt es nach einigen Stunden, die Handwerker zu beruhigen und an Recht und Gesetz zu erinnern. „Sonst sind wir nach dem heutigen Vorfall in Gefahr, dass man uns wegen Aufruhrs anklagt!“, sagt er. (Apg 19,40)

      Die Szene zeigt in einem Ausschnitt, was für eine aufregende wie spannungsgeladene Stadt Ephesus im ersten Jahrhundert nach Christus war. Mit ungefähr 200 000 Einwohnern galt sie als blühende Metropole des römischen Reichs und war vor allem durch den Handel und den religiösen Kult reich und berühmt geworden. Über alle Grenzen hinweg war Ephesus bekannt für seinen Artemistempel, eines der sieben antiken Weltwunder.  Allein von der Fläche war der Tempel um ein Vielfaches größer als der Parthenon in Athen, auch wenn davon in der heutigen Ausgrabungsstätte bis auf eine große Baugrube mit einer einzelnen Säule nicht mehr viel zu finden ist.

      Anziehungsort für Menschen aus dem ganzen römischen Reich

      Die Göttin Artemis von Ephesus lockte viele Pilgerinnen und Pilger an, wurde über fast 1000 Jahre vor allem als Göttin der Fruchtbarkeit und des Lebens verehrt, zog dann aber auch Titel wie „Jungfrau“, „Gottesmutter“ und „Himmelskönigin“ auf sich, die christlich auf Maria übergingen. Daher verwundert es auch nicht, dass sich ab dem vierten Jahrhundert eine große Marienkirche in Ephesus befand, die 431 sogar zum Tagungsort eines berühmten Konzils wurde.

      Zu Paulus’ Zeiten dominierten aber römische Bauten: ein noch heute sichtbares Theater, Thermen, Tempel, Bibliotheken, Lehranstalten und Regierungs- und Verwaltungsgebäude wie das ebenfalls in Teilen heute noch sichtbare Prytaneion, in dem auch Kinder und Arme der Stadt auf Staatskosten verpflegt wurden.

      Eine für damalige Zeiten große Hafenstadt wie Ephesus war Anziehungspunkt für Menschen aus dem ganzen römischen Reich und darüber hinaus. Das bedeutete auch, dass Menschen vieler Weltanschauungen zusammentrafen, was für die frühen Christen sowohl Chance als auch Herausforderung war. Die Apostelgeschichte berichtet, dass sich Paulus bei seiner Ankunft in Ephesus zunächst mit Anhängern von Johannes dem Täufer auseinandersetzt, die sich anschließend von Paulus auf den Namen Jesu taufen lassen.

      Regelmäßig begibt sich Paulus in die jüdische Synagoge, um dort das Evangelium von Christus zu verkünden. Nach drei Monaten gibt Paulus diesen Ort für seine Lehrtätigkeit allerdings auf, da er dort offensichtlich viel Widerstand erfährt. Er wechselt daher in die sogenannte Schule des Tyrannus. Er predigt und lehrt also von da an in einer privaten Schule und das wohl auch erfolgreich, da er dies zwei Jahre lang fortsetzt. Eine sehr lange Verweildauer für den reisefreudigen Missionar Paulus.

      Schon damals stritten sie über die christliche Lehre

      Anscheinend ist das Evangelium für viele Menschen in Ephesus von Interesse, was sich auch daran zeigt, dass nicht nur Paulus in Ephesus missioniert. Das Paar Priszilla und Aquila hat dort schon eine christliche Hausgemeinde gegründet, der Judenchrist Apollos predigt ebenfalls in der Stadt und weitere Missionare aus den Gemeinden, die vor allem in der johanneischen Tradition predigen, wirken im Anschluss an Paulus verstärkt in der Hafenstadt.

      So entsteht der Eindruck einer multikulturellen und multireligiösen antiken Großstadt, in der es bald verschiedene christliche Gemeinden gab – und vermutlich waren sie sich theologisch nicht immer einig. Aus diesem Bild heraus erwächst ein zentrales Anliegen des Briefs an die Gemeinde in Ephesus, der aber wohl erst von einem Schüler des Paulus geschrieben wurde: Christliche Gemeinden sollen sich daran erinnern, dass es Gottes Geist ist, der allen Christen die Einheit schenkt. „Der Frieden ist das Band, das euch alle zusammenhält. Ihr seid ein Leib und ein Geist lebt in euch. So ist es ja auch eine Hoffnung, zu der Gott euch berufen hat. Es gibt nur den einen Herrn, den einen Glauben und die eine Taufe“, wie es im vierten Kapitel heißt (4,3-5).

      In einer heute zunehmend säkularisierten, multikulturellen und multireligiösen Welt bietet der Blick auf die antike Stadt Ephesus und den Epheserbrief wertvolle Einsichten: Geistliche Reife und Einheit in der Vielfalt sind Grundvoraussetzungen, um in der heutigen Welt spirituell bestehen zu können und inmitten von Herausforderungen und Widerständen am christlichen Glauben festzuhalten und gemeinsam in ihm zu wachsen.

      Christoph Buysch