45 Enteneier hatte die Tante von zwei Kindergartenkindern der Kita überlassen. Im Inkubator wurden sie gewendet und warmgehalten. Jeden Tag war eine andere Kita-Gruppe für das Versorgen der Eier zuständig. Das Durchleuchten der Eier erlaubte es den Kindern, dem entstandenen Leben beim Wachsen zuzuschauen. So schildert es Jenny Cavallo, seit 2019 Leiterin des Kindergartens
St. Martin. „Das Schlüpfen der Enten haben wir gefilmt und den Kindern auf dem Laptop gezeigt“, erinnert sie sich. Zwölf junge Enten lebten dann rund ein halbes Jahr auf dem Kitagelände, wiederum versorgt von den Kindern und den Betreuungskräften.
Am Pilotprojekt beteiligt
Das Collenberger „Entenprojekt“ passt ins Konzept der diözesanen Qualitätsoffensive für Kindertageseinrichtungen. Acht Kitas aus verschiedenen Dekanaten haben sich seit 2022 an dem Pilotprojekt beteiligt. Anhand vorgegebener Zielsetzungen setzten sich Kita-Beschäftigte mit ihrem aktuellen Handeln auseinander und überlegten sich weitergehende Maßnahmen. Mit dem „Entenprojekt“ ließen sich Achtsamkeit, Schöpfungs- und Verantwortungsbewusstsein einüben, erläutern Cavallo und ihre Stellvertreterin Andrea Read. Und auch regelmäßige Fürsorge, da die Tiere täglich Nahrung und frisches Wasser brauchten.
Herbert Umscheid, 1. Vorsitzender des Collenberger Kita-Trägers St. Johannisverein, hält die wertgebundene Erziehung für das große Plus kirchlicher Kitas. „Wir verstehen uns nicht als wertneutral, sondern wir leben Werte vor“, unterstreicht er. In dieser Hinsicht habe die Collenberger Kita durch das Pilotprojekt der Diözese gewonnen. Der eigene Anspruch wurde bewusst reflektiert und nach Wegen gesucht, vorhandene Standards zu verbessern. So überprüfte das Team zum Beispiel, ob Kinder beim Gestalten des Kita-Alltags mitreden und sich wirksam beteiligen können. Auch wenn gerade keine Enten zu betreuen sind.
Die Qualitätsoffensive für katholische Kindertageseinrichtungen hatte Bischof Franz angestoßen. Die enge Verzahnung von Caritas und Seelsorge ist ihm dabei besonders wichtig, wie der Bischof zum Auftakt der Pilotphase 2022 in Würzburg betonte.
Caritas und Seelsorge
Koordiniert und begleitet wird die Pilotphase von einer Steuerungsgruppe, der unter anderen Generalvikar Dr. Jürgen Vorndran, Caritas-Vorsitzender Domkapitular Clemens Bieber und Christine Steger (Abteilungsleitung Pastorale Entwicklung) angehören. Mitarbeitende aus dem pastoralen Personal der Diözese Würzburg schlossen sich mit Kita-Fachberaterinnen der Caritas zu sogenannten „Tandems“ zusammen. „In diesen Tandems hat sich gezeigt, wie gewinnbringend es sein kann, die pastorale und die caritative Perspektive in ein konstruktives Miteinander zu bringen“, hebt Steger hervor. „Beide Seiten haben voneinander gelernt und konnten gleichzeitig ihre je eigene Sichtweise den Kitas zur Verfügung stellen.“ Denn anschließend trafen sich die geschulten „Tandems“ mit den Kita-Teams.
Sieben Qualitätsbereiche
Bei diesen Gesprächsterminen, den „Audits“, wurden Anforderungen in sieben Qualitätsbereichen durchgesprochen und Maßnahmen formuliert. Das Collenberger Entenprojekt zählte zum Qualitätsbereich „Kinder“.
Das „Tandem“ für die Kita Collenberg bildeten Elisabeth Evans, Kita-Fachberaterin der Caritas, und Gemeindereferent Rainer Kraus. Beide verstanden sich als zuhörende Unterstützer, denn „Audit kommt von Zuhören“, betont Evans. Beide hatten den Kindergarten in Collenberg als geeigneten Partner für die Pilotphase der Qualitätsoffensive erkannt. Für den seit 30 Jahren bestehenden Kindergarten sprach, dass dessen Angebot breit aufgestellt ist. Zu den 75 Kindergarten- und 24 Krippenplätzen kommen 45 Plätze für Schulkinder aus der benachbarten Grundschule.
Der Trägerverein und die Kita-Beschäftigten zeigten sich nach einem ersten Informationstreffen bereit zur Mitarbeit. Die 19 pädagogischen Mitarbeiterinnen der Kita nahmen an den Audits teil, gemeinsam mit dem Vorsitzenden des St. Johannisvereins. Der Träger reduzierte für die Audits sogar die Kita-Öffnungszeiten.
Breite Beteiligung
„Es ist wichtig, dass alle dabei sind und Ja und Nein sagen können“, betont Umscheid. Auch der Elternbeirat und der Bürgermeister von Collenberg waren als Gastteilnehmer einbezogen. Eine enge Vernetzung mit dem Sozialraum vor Ort ist ein weiteres Anliegen der Qualitätsoffensive.
„Ich fand sehr gut, was alles schon passiert und wie viel Vernetzung mit der Pastoral es gibt“, bekräftigt Kraus. Als Gemeindereferent begleitete er das Projekt aus der Perspektive des Seelsorgers. Zwei der sieben besprochenen Qualitätsbereiche drehen sich speziell um das kirchlich-religiöse Leben: die Bereiche „Glaube“ und „Pastoraler Raum“.
Dieser bereits vorhandene Schwerpunkt im Kita-Angebot wurde infolge des diözesanen Projekts ausgeweitet. Die Kinder der Collenberger Kita bekommen nun beim Besuch der Kirche noch ausführlicher erklärt, wie eine religiöse Feier abläuft und wie ein Gottesdienstraum ausgestattet ist. „Wir machen erlebbar, dass man im Kirchenraum auch etwas anfassen darf“, erläutert Cavallo. Zur religiösen Erziehung gehört seit Jahren auch der gemeinsame Besuch einer Moschee, wo die Kinder ebenfalls Näheres über das Glaubensleben erfahren. Achtung vor kulturellen Unterschieden und Toleranz sind Werte, die eine kirchliche Kita vermittelt. „Wir nehmen uns gegenseitig nichts, wenn wir etwas zusammen machen“, betont Read.
Freilich erfahren die Kinder in Collenberg auch, wer der heilige Martin war, der Namensgeber ihrer Kita. Angeregt durch die Qualitätsoffensive beschloss das Kita-Team die Aktion „St. Martin teilt“. Spendenboxen in der Einrichtung sammeln Geld, das karitativen Zwecken zugute kommt – und halten so die Erinnerung an den heiligen Martin wach.
Was bereits geschieht
Die Erzieherinnen Cavallo und Read sowie Vereinsvorsitzender Umscheid bewerten den Ertrag der Qualitätsoffensive positiv. Zumal das begleitende Tandem nur unterstützend tätig war. Entscheidungen über Maßnahmen und Umsetzungszeiträume trafen die Verantwortlichen vor Ort. Das Projekt half ihnen, zu erkennen, was sie bereits leisten und welchem Anspruch sie folgen. „Es war schön, als Team zu sehen, worauf wir aufbauen können“, bekräftigt Read.
Caritas-Referatsleiter Michael Deckert, der das Projekt leitet, blickt nun gespannt der Auswertung der Pilotphase entgegen. In diesem Januar werden die Tandems und die Kita-Teams von einem unabhängigen Unternehmen befragt. Die Auswertung der Interviews geht dann an die Steuerungsgruppe, die gemeinsam mit dem Bischof über eine Ausweitung des Projekts beraten wird. Die bisherigen Erfahrungen zumindest seien erfreulich gewesen, urteilt Deckert. „Das Audit war ein Schätzeheber.“
Ulrich Bausewein