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      Das Antonia-Werr-Zentrum der Oberzeller Schwestern in Wipfeld

      Mit neuem Mut zurück ins Leben

      Das Antonia-Werr-Zentrum der Oberzeller Schwestern in Wipfeld
      Ich bin jetzt fast ein Jahr hier in Lui – ich würde euch allen raten, die einmalige Chance zu nutzen. Ihr könnt was daraus machen.“ Oder: „Durch eure Hilfe habe ich es geschafft, mein Leben in den Griff zu kriegen.“ Derartige Einträge finden sich reihenweise im online-Gästebuch des Antonia-Werr-Zentrums (AWZ). Seit 1965 beherbergt das Kloster St. Ludwig bei Wipfeld (Dekanat Schweinfurt-Süd) eine heilpädagogische Einrichtung für Mädchen und junge Frauen, die von den Dienerinnen der Heiligen Kindheit Jesu in Oberzell getragen wird.
       
      Daran war noch nicht zu denken, als der Wipfelder Schultheiß Johannes Nikolaus Müller im Jahre 1810 unweit des Mains schwefelhaltige Quellen entdeckte. Als 1823 die bayerische Königin die Quellen besuchte, gestattete ihr Gemahl Ludwig, dass das aufstrebende Bad nach ihm benannt wurde. Von den größeren Staatsbädern überflügelt, kauften 1901 die Missionsbenediktiner von St. Ottilien Ludwigsbad, um dort ihr Studienseminar zu errichten. Bald wurde St. Ludwig zum Ausgangspunkt für die Wiedererrichtung der Abtei Münsterschwarzach. 1963 erwarben schließlich die Oberzeller Franziskanerinnen das Kloster, um dort ihr Mädchenheim anzusiedeln.
       
      Von Frauen für Frauen
      Frauenarbeit war schon immer die Kernaufgabe der Schwestern aus Oberzell. „Ganz im Geist unserer Gründerin wollen wir Mädchen und junge Frauen emotional auffangen, ihnen wieder ein Zuhause geben, Lebensmut wecken und Lebenschancen gestalten“, präzisiert die Gesamtleiterin des Antonia-Werr-Zentrums, Schwester Agnella Kestler. Die heilpädagogische Einrichtung steht Mädchen und jungen Frauen im Alter von zwölf bis 21 Jahren offen, die oft schwierigste Situationen durchgemacht haben: In der Familie, in der eigenen Persönlichkeitsentwicklung, aber auch in Erfahrungen von Gewalt und Missbrauch. Oft treten Entwicklungs- und Verhaltensstörungen auf, die sehr leicht zu Abstempelung und Ausgrenzung führen. Doch „diese Mädchen sind Opfer und brauchen besondere Hilfen“, stellt Schwester Agnella richtig.
       
      62 Plätze verteilt auf acht Wohngruppen
      62 vollstationäre Plätze stehen zur Verfügung, die über die umliegenden Jugendämter vermittelt werden. Die Mädchen leben in acht heilpädagogischen Wohngruppen; doch was so medizinisch-steril klingt, ist in Wirklichkeit warm und voller Leben. Wie in einem kleinen Dorf stehen fünf heimelige Häuschen an einem Dorfplatz, unter einer riesigen Kastanie plätschert der Dorfbrunnen; von der anderen Seite her umschließen Kirche, Konvent und Therapiepavillon das Dorfidyll. In den Wohngruppen ist zu jeder Tages- und Nachtzeit eine Mitarbeiterin vor Ort, die mit den Mädchen lebt, ihnen zuhört. „Sie sollen wissen, dass jederzeit ein Ansprechpartner für sie da ist“, sagt Schwester Agnella. Im Alltag ist Selbst-Organisation gefragt; dies beginnt beim gemeinsamen Aufräumen und endet beim Kochen für die ganze Gruppe. Hinzu kommt ein ganzes Bündel therapeutischer Maßnahmen – „ein Weg, der schmerzhaft aber wichtig ist“, betont Schwester Agnella. Heilsame Hilfe bieten auch die vielen Freizeitangebote, bei denen bewusst die umgebende Natur miteingebunden wird. Hier können die Mädchen Gemeinschaft erleben, ihr Selbstwertgefühl stärken und Vertrauen und Mut entwickeln. Als katholische Einrichtung gehören natürlich auch religiöse Angebote zum „Hilfsprogramm“ des AWZ. „Wir wollen mit unseren Mädchen im Gespräch bleiben, gemeinsam Antworten suchen“, betonen die Schwestern einhellig. Wichtig ist ihnen dabei, niemanden zu drängen; deshalb bietet man als Alternative zum Gottesdienst Meditationen an. Dennoch: „Gerade Jugendliche dieser Altersstufe sind empfänglich für die Glaubensbotschaft“, weiß Schwester Agnella – und so haben sich nicht umsonst auch heuer einige zu Taufe und Firmung entschlossen. In den bis zu vier Jahren, in denen die Mädchen in St. Ludwig leben, stehen aber auch ganz pragmatische Ziele im Mittelpunkt. So kann in der Von-Pelkhoven-Schule der Qualifizierende Hauptschulabschluss erworben werden, daneben gibt es Klassen zur individuellen Lernförderung und eine Aufbauklasse.
       
      Kein leichter Alltag
      Auch die Berufsausbildung ist den Schwestern ein besonderes Anliegen. In den eigenen Ausbildungsbetrieben können Berufe aus den Bereichen Hauswirtschaft, Schneiderei und Gartenbau erlernt werden. „Alles in allem ein harter Alltag und keineswegs eine heile Welt“, wie auch Schneidermeisterin Karin Heigele weiß. „Die Mädchen müssen sich vieles erarbeiten.“ Klar, dass da nicht immer alles glatt läuft; immer wieder gibt es Reibereien, macht sich Null-Bock-Stimmung breit. Da heißt es motivieren und verborgene Kräfte mobilisieren. Stütze erhalten Schwestern und Mitarbeiterinnen hier durch das Team, durch fachliche Beratung und ihren Glauben.
      1800 Mädchen wurden im Laufe der Jahre in St. Ludwig betreut und mit einer hoffnungsfrohen Perspektive ins Leben entlassen. „Erfolg ist für mich, wenn ein Mädchen für sich die Ermutigung mitnimmt, dass es Probleme immer wieder meistern kann“, definiert Schwester Agnella. Lebhaft erinnert sie sich an ein junges Mädchen, das mit massiven Alkoholproblemen in der Familie konfrontiert war. „In dieser Situation hatte sie kaum eine Chance.“ Heute ist sie seit 18 Jahren verheiratet, hat zwei Kinder und ist zu Recht stolz auf sich. Immer wieder kommt sie auch zurück nach „Happy Lui“, denn sie weiß: „Wenn ich nicht hier gewesen wäre, hätte ich es nicht geschafft!“
      Auch dankbare Ehemalige engagieren sich so heute im Förderkreis des AWZ, der eine Lobby für die Mädchen- und Frauenarbeit schaffen will. Neben der ideellen zählt auch die finanzielle Unterstützung: „Durch die Beiträge haben wir die Zusage, bei längerfristigen Maßnahmen getragen zu sein“, klärt Schwester Agnella auf. Mit dieser Gewissheit konnte man auch die groß angelegten Neu- und Umbauten angehen, die die Einrichtung für die Zukunft sichern sollen. Basis bilden dabei immer das christliche Vertrauen und eine lebensbejahende Einstellung. „Das wollen wir weitergeben – denn sonst wird es kalt in unserer Gesellschaft“, so Schwester Agnella abschließend.
      Anja Legge
       
      Am 9. Juli live in Wipfeld
      BR1-Sendetermin: 9. Juli, von 12.05 bis 13 Uhr. Vor Ort: Vorprogramm bereits ab 11 Uhr.
      Themenauswahl: Geschichte der Heilquellen und der Oberzeller Schwestern in St. Ludwig. Die Mädchengruppen und ihre Patenschwestern. Perspektiven – wie geht es ehemaligen Bewohnerinnen?
      Der besondere Tipp: Besichtigung des frisch renovierten Antonia-Werr-Zentrums. Zum Kloster können Besucher auch eine Fähre über den Main benutzen.
       
      Tipps und Fakten
      Gottesdienste: Messe samstags um 19 Uhr, sonntags um 10 Uhr.
      Mit dem Rad unterwegs: Auch mit dem Fahrrad ist das direkt am Maintalradweg gelegene Kloster gut zu erreichen. Reizvoll ist auch die Anfahrt von Wipfeld aus mit der Fähre.
      Kirche: Die 1909 geweihte Klosterkirche zur Heiligen Familie wurde im Beuroner Stil ausgemalt. Beachtenswert sind auch die prächtigen Beichtstühle. Manche Besucher kommen eigens wegen der 14 Kreuzwegstationen von Heinz Schiestl hierher, die im romanischen Stil der Kirche angepasst sind.
      Gäste sind im AWZ immer willkommen. Nach vorheriger Anmeldung können sich Besuchergruppen über die Arbeit der heilpädagogischen Einrichtung informieren oder in Eigenregie Tagungen, Schulungen und Einkehrtage veranstalten. Für private Familienfeiern im kleinen Rahmen (bis maximal 60 Personen) kann außerdem die Bewirtung übernommen werden.
      Bewirtung/Leben im Kloster: St. Ludwig besitzt keine öffentliche Gaststätte und keine Übernachtungsmöglichkeit!
      Förderkreis/Kontaktadresse: Der Förderkreis freut sich jederzeit über neue Mitglieder; der Jahresbeitrag ist frei wählbar und beginnt bei 30 €. Ansprechpartner: Jutta Leitherer, Schulstr. 14, 97525 Schwebheim, Telefon 09721/18008 oder 09723/3900 sowie Schwester Agnella Kestler und Alfred Hußlein, Antonia-Werr-Zentrum, Post Kolitzheim, 97509 St. Ludwig, Telefon 09385/8-0.
      E-mail „info@antonia-werr-zentrum.de“.