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      Auf den Spuren des Jesuitengründers unterwegs in dessen baskischer Heimat

      Mit Eseln auf dem Ignatiusweg

      Eselwandern bedeutet für Tati „eine ganzheitliche Therapie“: gegen Stress, zur Selbstfindung, für das innere Gleichgewicht. Tati, 61, heißt eigentlich Ignacio Fernández de Gamboa und ist – ebenso wie sein legendärer Namensvetter Ignacio, nämlich Ignatius von Loyola (1491 bis 1556), – ein kerniger, eingefleischter Baske aus Nordspanien.

      Mit seinen Eseln bietet Ignacio alias Tati ein besonderes Trekking an: auf dem Ignatiusweg, der den Adeligen Ignacio von seinem baskischen Heimatort Loyola bis nach Katalonien geführt hatte. Für Tati sind, allein durch die lokale Brille betrachtet, die ersten sechs Etappen durch das Baskenland die schönsten. Etappe Nummer drei bildet das Szenario für unseren Selbstversuch in Form der 18-Kilometer-Etappe vom Heiligtum Arantzazu ins Dorf Araia. In der Nähe von Arantzazu betreibt Tati seine Eselsfarm.

      Ein kurzer Blick in die Vita des Ignatius von Loyola zeigt, dass der sich in Liebesdingen, Glücksspielen und Waffengebrauch auskennt. Folgt man seinem autobiografischen „Bericht des Pilgers“, ist er „ein den Eitelkeiten der Welt ergebener Mensch.“ Eine Kanonenkugel setzt den Zielen einer höfischen Laufbahn brutal ein Ende. Am 20. Mai 1521 wird er in Pamplona beim Kampf gegen die Franzosen schwer an beiden Beinen verletzt und auf einer Tragbahre ins Turmhaus der Familie nach Loyola gebracht. Der beschwerliche Transport ins Hinterland der baskischen Küste dauert zwei Wochen. Daheim bleibt er lange ans Krankenbett gefesselt und weiß, dass seine Karriere vorbei ist. Er vertieft sich in Heiligenlegenden, das Leben Christi, den Glauben. Sein Verlangen, Gott zu dienen, wird immer größer. Ignatius überträgt seine ritterlichen Sehnsüchte auf die geistliche Ebene. Eine Marienvision bestärkt ihn in seinem Vorhaben. Gegen Ende Februar 1522 verlässt er Loyola, er sucht das Sanktuarium Arantzazu auf und hält Nachtwache vor dem Marienbildnis. Dass er später als Gründer der Jesuiten in die Geschichte eingehen wird, ist hier noch nicht zu erahnen.

      Zwei Simons und ein Otto

      Unterwegs reitet Ignatius auf einem Maultier. Das schlägt den Bogen zu Tati und seinem Eselwandern auf dem Ignatiusweg. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wandern muss man selber, der Esel trägt einzig Vorräte und Gepäck, keine Menschen. Für die Etappe zweier Pärchen ab Arantzazu hat Tati heute drei Langohren mitgebracht: Simon den Größeren, Simon den Kleineren und Otto. Zwei Spanische Mastiffs, der Welpe Tirso und die alte, treue Seele Zoilo, komplettieren die kleine Karawane, die von Beginn an Aufmerksamkeit erregt. Die Morgensonne ist über die Berge geklettert und taucht das Heiligtum von Arantzazu in warmes Licht. Im Vergleich zu Ignatius‘ Zeiten ist es allerdings nicht wiederzuerkennen. Ab den 1950er Jahren wagte der Klerus einen avantgardistischen Neubau, dessen himmelsstürmende Architektur bis heute befremdet – oder begeistert, je nach Sicht auf die Dinge.

      Intelligent und vorsichtig

      Tati führt den Trupp an und die beiden Simons an einem Seil, während Otto brav hinterher trottet. Früher war Tati Topograf, fertigte Karten für Behörden, die Minenindustrie, Straßenbauprojekte. „Dann überholte mich die Technologie, mein Job wurde überflüssig“, erzählt er. Vor elf Jahren hat er mit der Organisation von Eselwandertouren ein anderes Lebenskapitel aufgeschlagen. Seither fühlt er sich wie ein neuer Mensch. „Esel leisten dir Gesellschaft, du kannst dich mit ihnen in kompletter Freiheit bewegen“, schwärmt er. Der erste Teil der Etappe ist der härteste: von 750 auf 1200 Meter hinauf durch den Naturpark Aizkorri-Aratz. Der Ignatiusweg ist mit orangen Pfeilen markiert, die auf Baumstämme und Felsplatten gepinselt sind. Buchenwälder spenden Schatten und Kühle. Begleitgeräusche in der Stille des Forstes sind Vogelgezwitscher und das Klacken der Eselshufe auf Steinen. Farne und Moose säumen den Weg, es geht über verschlungene Wurzelwerke. „Esel sind sehr intelligente und sehr vorsichtige Tiere, die stehen bleiben, wenn die Dinge vor einem Bach oder einer Brücke nicht so klar sind“, sagt Tati. Das könne dann als „störrisch“ ausgelegt werden, umreißt er die altbekannten Vorurteile.

      Bier, Wasser, Käse

      Der Aufstieg endet auf einer Hochebene mit saftgrünen Wiesen, über denen Kalksteinflanken gebieterisch aufsteigen. Glockengebimmel verrät Schafe. Pferde tauchen auf. Die Weglage entspannt sich – und im Landgasthof „Urbiako Fonda“, wo sich Wanderer anderer Routen und Mountainbiker einfinden, zischt Tati zwei Biere weg. Die Tiere trinken nach dem Aufbruch Bach- und Pfützenwasser. Tati erinnert an traurige Eselsschicksale, als diese einst zum Transport in den Minen des Baskenlands eingesetzt wurden.

      Es geht weiter über die Höhen bis zum Käsehof Ttonttor, wo Elixabete Arrillaga und ihr Mann Mikel als Letzte in der Gegend Bergkäse herstellen. Der gekaufte Kloben kommt in eine Gepäcktasche von Simon dem Größeren, der 400 Kilo wiegt und damit kein Problem hat. Auf Wunsch dürfen die Teilnehmer die Esel führen.

      Sinnbilder für das Leben

      Das letzte Etappenstück abwärts bis Araia führt leider an einem Nebensträßchen entlang. Es gibt kaum Verkehr, doch der Belag aus Asphalt ernüchtert. Oder braucht man gerade diesen Schnitt, diesen Gegenpol, um in Rückschau die Passagen durch einsame Zauberwälder umso stärker zu schätzen? Die wechselnden Untergründe mögen gleichzeitig als Sinnbilder für das wechselhafte Leben stehen. Mal ist es hart, mal staubig, mal schlammig, mal federt man voran. Was mag Ignatius von Loyola unterwegs gedacht, wie mag er die Eindrücke und die Wandlung hin zu neuen Zielen verarbeitet haben? In den Hintergrund tritt dabei, ob hier wirklich der authentische Weg verläuft, den er ab Arantzazu eingeschlagen hatte. Zumindest ungefähr dürfte der Verlauf richtig sein. Was macht der Weg, was das Eselwandern mit einem selber? Esel stehen für eine unvergleichliche Ruhe, die ins menschliche Innere abstrahlt und sich wie Balsam auf die Seele legt. Eselwandern stößt zur Besinnung an, lässt das Glück des Augenblicks intensiver wahrnehmen, entspannt – macht aber gleichermaßen kaputt. Die Etappe ist in die Knochen gegangen, auch in die Hundeknochen. Tirso und Zoilo sind sichtlich erschöpft, so wie wir Zweibeiner. Dagegen merkt man den Eseln nicht den Hauch einer Strapaze an.

      Andreas Drouve

      Informationen

      Tati bietet Eselwandern für Individualisten, Familien oder Kleingruppen mit oder ohne seine Begleitung an; er arrangiert auch Unterkünfte für Mensch und Tier. 60 Euro beträgt der Standardtarif pro Esel und Tag, doch gibt es gestaffelte Rabatte bei längerer Buchung. Anlieferung und Abholung, etwa bei Etappenzielen auf dem Ignatiusweg, kosten extra. Infos unter: burros-trekking.com, E-Mail: info@burros-trekking.com. Saison für Eselwandern ist April bis Oktober. Informationen auch in deutscher Sprache zum Igna­tiusweg findet man unter: caminoignaciano.org/de.