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    Gedanken zum Evangelium - 20. Sonntag im Jahreskreis

    Mit Elan und Hartnäckigkeit

    Die Lesung aus dem Hebräerbrief spornt dazu an, im Wettkampf mit Ausdauer zu laufen. Durchhaltevermögen musste auch Schwester Gemma beweisen: als es um ihren Eintritt ins Kloster ging – und als Ordensschwester in der ehemaligen DDR.

    Evangelium

    In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist.

    Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf der Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Spaltung. Denn von nun an werden fünf Menschen im gleichen Haus in Zwietracht leben: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei; der Vater wird gegen den Sohn stehen und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.

    Lukasevangelium 12,49–53

    Der Gedanke, eine Ordensschwester werden und in ein Kloster eintreten zu wollen, kam Schwester Gemma erstmals im Kindes- und Jugendalter. „Erst habe ich das immer von mir weggeschoben. Nein, das ist nichts für dich, habe ich mir gesagt. Aber die Idee hat mich nicht losgelassen“, sagt sie. Heute ist sie 96 Jahre alt, lebt im Marienhaus in Meppen und blickt auf 77 Jahre im Orden der Missionsschwestern vom heiligen Namen Mariens zurück. Doch ihr Weg ins Kloster und ihr Leben als Ordensschwester waren nicht nur einfach. Oft musste sie Herausforderungen meistern.

    So ist Schwester Gemma die Stelle im Hebräerbrief, die an diesem Sonntag gelesen wird, nicht fremd. „Lasst uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der vor uns liegt, und dabei auf Jesus blicken“, heißt es dort. Ausdauer, Durchhaltevermögen und eine gewisse Hartnäckigkeit hat sie in ihrem Leben immer wieder beweisen müssen.

    „Das fing schon an, als ich 1946 für ein Jahr in die hauswirtschaftliche Ausbildung ins Kloster Nette wollte“, sagt sie. Als jüngstes Kind von zehn Geschwistern sollte sie eigentlich auf dem elterlichen Bauernhof im Emsland bleiben und dort die Eltern unterstützen. „In die erste Woche im Kloster Nette fiel der Eintrittstag für die Postulantinnen. Ich stand da, habe zugeschaut, wie die Neuen in die Kapelle gingen, und dachte: Du hättest dabei sein müssen“, sagt sie. Der Gedanke sei auf einmal so klar in ihrem Kopf gewesen – und zugleich sei sie so erschrocken gewesen, dass sie mit niemandem darüber sprechen konnte.

    Monatelang rang sie mit sich, hinterfragte ihren Wunsch immer wieder, suchte eine Antwort im Gebet. „Ich habe mit mir gekämpft“, sagt sie. „Und ich habe keine Möglichkeit gesehen: Ich musste zurück auf den Hof. Ich wurde dort gebraucht. Wie sollte das sonst gehen?“

    Doch sie blieb hartnäckig und hielt insgeheim an ihrem Wunsch fest. Als sie eines Tages über den Klosterhof lief und zufällig die Oberin nach dem Mittagsgebet aus der Kapelle kommen sah, bat sie spontan um ein Gespräch. „Ich war so aufgeregt. Ich hatte das nicht geplant und wusste gar nicht recht, was ich sagen sollte“, sagt Schwester Gemma. Die Oberin wiederum ahnte schon längst, worum es ging, und wollte die damals 18-Jährige gerne in die Ordensgemeinschaft aufnehmen – sofern die Eltern zustimmten.

    „Das war ein schwieriges Gespräch. Ich habe es vor mir hergeschoben. Meine Mutter weinte, auch mein Vater wollte mich nicht gehen lassen“, erinnert sich Schwester Gemma. Sie schlossen eine Vereinbarung: „Mein Vater sagte: Wenn Gott dich haben will, dann wird er dafür sorgen, dass wir eine Hilfe bekommen. Und wenn er das nicht tut, dann will er auch nicht, dass du ins Kloster gehst.“ Die Tochter willigte ein – und tatsächlich: Nur wenige Tage vor ihrem möglichen Klostereintritt bat ein Mädchen um Anstellung bei den Eltern.

    Schwester Gemma absolvierte eine Ausbildung zur Erzieherin und wurde anschließend von ihrer Oberin 1954 nach Schwerin geschickt – in die damalige DDR. Dort brauchte man für den christlichen Kindergarten dringend eine ausgebildete Erzieherin. Ein Schock für die junge Frau? „Nein. Das war, als ob ich in mir eine Stimme hörte: Das ist deine Mission. Und dieses Gefühl habe ich mir auch erhalten“, sagt sie.

    Im Kindergarten kümmerte sie sich besonders um die religiöse Erziehung der Kinder, was auch ein Anliegen der Eltern war. Sie betete und sang mit ihnen, bastelte und erzählte Geschichten aus der Bibel. „Wenn die Kinder zur Schule kamen, waren sie verpflichtet, Pionier zu werden. Mir war klar: Ich muss sie vorher religiös stärken“, sagt Schwester Gemma. Denn der Satz aus dem Hebräerbrief, dass es um Kampf und Ausdauer geht, galt ja nicht nur für sie.

    „Ich stehe mit einem Fuß im Gefängnis“

    Dem DDR-Staat war das alles natürlich suspekt. Schwester Gemma erinnert sich, dass eines Tages zwei Staatsbeamte kamen und eine Liste der Kindergartenkinder verlangten. „Die habe ich denen nicht gegeben. In mir sträubte sich alles dagegen“, sagt sie. Sie hätten immer wieder danach verlangt, sprachen von einer möglichen Kindesentführung, die sie überprüfen müssten. „Aber ich bin hartnäckig geblieben. Einer der Männer sagte, er hätte nicht gedacht, auf solchen Granit zu stoßen“, sagt Schwester Gemma. Bei einem weiteren Besuch erlaubte der zuständige Pfarrer den Männern, die Liste vor Ort einzusehen. „Ich konnte sehen, dass sie bei zwei Familiennamen besonders aufmerksam wurden“, sagt Schwester Gemma. Später erfuhr sie: Ein Vater verlor kurz darauf seine Anstellung bei der Polizei. Der andere meldete sein Kind vom Kindergarten ab. „Wir konnten da nichts tun.“

    Immer wieder erlebte sie die Willkür des DDR-Staates bei Kontrollen auf Reisen, bei der Organisation der Ausreisen älterer Mitschwestern, bei der Beantragung von Reisepässen für Westdeutschland. „Ich habe immer gesagt: Ich stehe mit einem Fuß im Gefängnis“, sagt sie. Trotzdem hat sie durchgehalten.

    Insgesamt lebte Schwester Gemma mehr als 70 Jahre in Ostdeutschland, arbeitete als Erzieherin in Schwerin, als Sozialpädagogin in einem Kinder- und Erholungsheim in Graal-Müritz und wurde schließlich Regionaloberin. Ob ihr das Durchhalten, der lange Lauf im Wettkampf, manchmal schwergefallen ist? „Nein“, sagt Schwester Gemma. „Manchmal kam ich wirklich in Not. Aber ich konnte mich immer beruhigen mit dem Lied: ‚Gott ist größer, Gott ist stärker, Gott ist Herrscher über die Welt. Was kann ein Mensch da tun?‘ Wenn Gott mit mir ist, kann mir nichts passieren.“

    Kerstin Ostendorf