Claudia Seuffert-Fambach ist in einem kirchennahen Elternhaus aufgewachsen. Sie war Teil der Landjugendgruppe ihrer Pfarrei und hat in einer Kirchenband ihren späteren Ehemann kennengelernt. Ihre Kirchenbindung gibt sie weiter an die nächste Generation und lässt ihre Kinder taufen.
Doch ihre Liste an Kirchenkritik ist lang. Trotz ihrer Überzeugung, dass sie Kirche „von innen heraus“ ändern kann, gibt es schon früh Unsicherheiten und Zweifel. Und sie erzählt ihrem Partner davon. Ihre Ehe lassen sie nur standesamtlich und nicht kirchlich besiegeln. Vielleicht ahnt die 48-Jährige aus Hausen bei Schonungen schon damals, dass sie die Kirche später verlassen wird. Ihr Mann bleibt Kirchenmitglied.
Ausgetreten ist Seuffert-Fambach zur Coronazeit. „Die Kirche hat die Leute im Stich gelassen“, findet sie. Sie habe zu sehr darauf geschaut, was nicht geht, anstatt auszuloten, was geht. Im Zweifel hätte die Kirche rebellieren müssen, sagt sie. „Sie hat die Menschen nicht aufgefangen.“ Viele seien zu dieser Zeit vereinsamt, weil Videoübertragungen nicht ausreichten. Es brauche Dialog und menschliche Nähe. Aber sie habe keinen Pfarrer von Fenster zu Fenster gehen sehen, erläutert Seuffert-Fambach.
Dinge, die sie an der Kirche eigentlich schätzt, werden von Enttäuschungen überschattet. Zum Beispiel findet sie gut, dass Kirche für jeden offensteht. Was sie nicht versteht: Wieso gilt dasselbe nicht für Ämter? „Es geht um den Menschen, und nicht um Mann oder Frau“, sagt sie. Sie selbst lege ihren Glauben so aus, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. „Ich glaube, dass wir alle göttlich sind. So verstehe ich einfach die Botschaft und ich glaube, dass auch Jesus das so gemeint hat.“ Und dieser Glaube sei mittlerweile nicht mehr mit der Institution vereinbar, erklärt die Hausenerin.
Konsequenzen der Liebe
Jedes ihrer drei Kinder hat das Sakrament der Taufe empfangen. Jedes Kind von einem anderen Pfarrer. Einer der Priester legte sein Amt aus Überlastung nieder. Zwei weitere verliebten sich. Und führen seitdem ein Leben an der Seite einer Frau, berichtet Seuffert-Fambach. In Fragen der Zölibatspflicht nimmt die 48-Jährige die Kirche als realitätsfern wahr. „Das ist unecht und unehrlich“, sagt sie. Evangelische Pastoren dürfen konvertieren und als Familienväter katholische Pfarrer sein. Katholiken wird hingegen untersagt, Priestertum und Familie miteinander zu verbinden.
Und die Liste der Kritik wird länger: Missbrauch und Vertuschung haben zu Misstrauen innerhalb der Kirche geführt, sagt sie. Und findet, dass zugefügte Wunden nicht genügend aufgearbeitet werden. Seien sie durch übergriffiges Verhalten oder gewaltsame Missionierungen entstanden – wenn es der katholischen Kirche um Schadensbegrenzung geht, dann um ihres eigenen Rufs willen und nicht wegen der Menschen, die sie verletzt hat, meint Seuffert-Fambach.
Das kleinste Sandkorn
Natürlich hat sie auch gute Erfahrungen mit der Institution gemacht. Zum Beispiel als Arbeitgeber. Sie ist als freischaffende Bildungsreferentin an der Jugendbildungsstätte Volkersberg tätig. Über Arbeit und Kollegium kann sie nur Gutes berichten. Strenge Hierarchien und veraltete Rituale, die sie sonst kritisiert, herrschen dort nicht vor. Problematisch sei nicht, was auf dem Volkersberg, sondern was in Rom entschieden werde, sagt sie. „Der Kopf vom Fisch ist alt. Alt und männlich.“ Zu Veränderungen komme es nur schleppend, obwohl die Kirche unter Druck steht. Womit könnte die katholische Kirche Seuffert-Fambach zurückgewinnen? „Auf jeden Fall mit einer Gleichberechtigung von Mann und Frau. Und dass Familien in den Ämtern akzeptiert werden.“
Die Tiefe ihres Glaubens empfindet sie jetzt vor allem in der Natur. „Das kleinste Sandkorn spiegelt alles Leben und alle Liebe wider“, erklärt sie.
Angelina Horosun