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      Kommentar von Jerzy Staus

      Menschen und Geschlechter

      „Vielleicht sind die Geschlechter verwandter als man meint, und die große Erneuerung der Welt wird vielleicht darin bestehen, dass Mann und Mädchen sich, befreit von allen Irrgefühlen und Unlüsten, nicht als Gegensätze suchen werden, sondern als Geschwister und Nachbarn und sich zusammentun werden als M e n s c h e n. Um einfach, ernst und geduldig das schwere Geschlecht, das ihnen auferlegt ist, gemeinsam zu tragen.“ Das schrieb Rainer Maria Rilke im Juli 1903.

      Haben Sie das Gefühl, dass wir, 120 Jahre später, auf diesem Weg vorangekommen sind? Ich habe dieses Gefühl nicht. In den letzten paar Jahren habe ich sogar eher das Gefühl, als habe der Graben, die Kluft, um nicht zu sagen, der Konflikt zwischen den Geschlechtern massiv zugenommen. Und statt sich auf ein gemeinsames Menschsein zu besinnen, zerfasern die Menschen in immer mehr Geschlechter. Ständig kommen neue hinzu, inzwischen sind es über 60 verschiedene Geschlechter. Die alle ihre Partikularinteressen haben, die alle besonders geschützt werden müssen und alle besondere Ansprüche und Forderungen an alle anderen stellen. Das Thema Geschlechter dominiert zusehends die Sprache. „Sparerinnen und Sparer können sich über höhere Zinsen freuen“, steht da zum Beispiel. Die Information ist die Zinserhöhung. Doch der Satz lenkt die Aufmerksamkeit auf das Geschlecht der Zinsempfänger. Das natürlich für den Informationsgehalt völlig unerheblich ist. Wenn Sie aber Texte lesen, die permanent Geschlechter nennen, wo eigentlich Menschen gemeint sind, verlieren Sie schnell das Interesse am Inhalt. Es ist einfach zu anstrengend, sich neben dem Inhalt auch noch ständig Gedanken über etwas zu machen, was sich am Ende für den Sachzusammenhang als unwichtig herausstellt, aber sich ständig wieder aufs Neue in den Mittelpunkt drängt. Neulich hatte ich in einem Kommentar geschrieben: „Wir waren schon mal weiter.“ Das schreibe ich auch heute wieder. Statt den Weg der Versöhnung und Vereinigung zu gehen, gehen wir den Weg der Entfernung voneinander und der Konfrontation. Wie schade.    

      Jerzy Staus