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Menschen, Tiere, Emotionen
Als eines von ihnen mit seinen samtweichen Lippen die Futterstücke von Tonis Hand klaubt, juchzt der Kleine begeistert auf. „Nochmal“, ruft er und strahlt über das pausbäckige Gesicht.
Nicht nur für ganz Kleine hat der Tierpark Sommerhausen viel zu bieten. Auch Miriam (14), Laura (14) und Moritz (11) haben auf dem 13 Hektar großen Areal oberhalb des Winzerortes am Main ihren Spaß. Vor allem die Bewohner des Wildschweingeheges haben es den Teenagern an diesem Sommertag angetan. Lammfromm steht der Keiler am Zaun und lässt sich über das borstige Fell streichen. In gebührender Entfernung tollen zwölf Frischlinge und einige übermütige Jungschweine durch den Schlamm. Und spätestens bei den Eseln geht auch das Herz der Mama auf. Gelassen traben die Grautiere an den Zaun, blinzeln den Besucher mit ihren braunen Augen an und lassen sich die langen Ohren kraulen.
Rund 30 Tierarten beherbergt der Tierpark Sommerhausen. Der Schwerpunkt liegt bewusst auf heimischen Nutz- und Wildtierrassen. Als Tierpark-Leiter Thomas Dodenhoff den Park übernahm, war das noch anders: Parkgründer Ludwig Koppberger hatte ab 1970 ein Sammelsurium an Tieren zusammengetragen. 20 Jahre später wollte der Tierfreund den Park in jüngere Hände geben und wie es der Zufall wollte, war damals eine Elterninitiative der Lebenshilfe auf der Suche nach alternativen Arbeits- und Beschäftigungsplätzen für Menschen mit Behinderung. Die Mainfränkischen Werkstätten, eine Einrichtung der Lebenshilfe, griffen die Idee auf und fragten Thomas Dodenhoff, ob er sich ein Tierpark-Projekt mit behinderten Menschen vorstellen könnte. Der Krankenpfleger, Schreiner und Heilerziehungspfleger, der damals in der Schwerstbehindertengruppe tätig war, nahm die Herausforderung an. Im Herbst 1993 übernahm er die Leitung und brachte mit Tatkraft, Ideenreichtum und großem Vertrauen in die Fähigkeiten behinderter Menschen alle Skeptiker zum Schweigen. „Mein Hauptanliegen ist es, Menschen, die am Rand stehen, in unsere Mitte zu holen.“ Die Methode ist denkbar einfach: Behinderte und nicht behinderte Mitarbeiter arbeiten zusammen und begegnen dem Besucher überall: Schon an der Kasse wird man von Volker begrüßt, nebenan im Café gibt Rita exklusive Tiertipps, Corinna serviert ihre selbstgebackenen Kuchen, Sebastian versorgt die Besucher mit Tierfutter. „Bei uns tut jeder das, was seinen Fähig- und Fertigkeiten entspricht“, sagt Dodenhoff.
Rund hundert Menschen, davon 36 mit einer Behinderung, arbeiten im Tierpark. Die Früchte des gemeinsamen Arbeitens sind unübersehbar: „Die Menschen werden selbstbewusst und selbstständig“, erklärt Thomas Dodenhoff. Rita etwa arbeitet seit 24 Jahren in Sommerhausen; nach vielen Jahren bei den Tieren ist sie ins Café gewechselt. Obwohl es da zu Ferienzeiten hoch hergeht, ist sie rundum glücklich: „Ich freue mich immer, wenn ich Stammkunden treffe und verwöhne die Leute gerne mit einem Imbiss“, erzählt die 50-Jährige stolz. Franziska ist seit zwei Monaten hier. Sie gibt im Café Essen aus, spült und packt in der Küche mit an. Die 31-jährige liebt die Arbeit hier – „weil ich hier mehr sehe, Leute treffe und Tiere sehr mag.“