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    Erthal Sozialwerk feiert 20-jähriges Bestehen

    Mensch sein dürfen

    Erthal Sozialwerk feiert 20-jähriges Bestehen
    WÜRZBURG. „Das Wichtigste ist eigentlich, dass ich abgelenkt werde von meinen Depressionen. Wenn ich daheim wäre, würde ich nur grübeln. So bin ich mit netten Kollegen zusammen, die mich zum Lachen bringen“, sagt Petra W. über ihren Arbeitsplatz im Erthal Sozialwerk. Die Werkstatt für psychisch Kranke und Behinderte in der Erthalstraße 1a feiert am 14. Mai mit einem Festakt ihr 20-jähriges Bestehen, Am gleichen Tag gastiert aus diesem Anlass im Gemeindezentrum Heiligkreuz „Peters Popchor“ unter anderem mit Musical-Highlights. Der Erlös kommt den Werkstätten zugute.
     
    Im Heißmangelbereich, in dem Petra W. beschäftigt ist, herrscht lebhafter Betrieb: Einzelne Mitarbeiter tragen volle Wäschekörbe zu den Industrie-Waschmaschinen, andere bedienen die großen Wäschemangeln, lassen routiniert Herrenhemden oder Tischdecken hindurchlaufen, während es an den Bügelbrettern unablässig zischt und dampft. Die fertigen Teile werden schließlich zusammengelegt, in beschriftete Wäschekörbe sortiert und harren dann in großen Regalen der Kunden, die diese dann abholen. Kein Zweifel: „Unser Heißmangelbereich, wo Leute ihre Sachen gewaschen und gebügelt bekommen, ist ein ganz großer Wachstumsbereich“, erklärt Werkstattleiter Willi Horn stolz.
    Doch die Heißmangel ist nur ein kleiner Teil der Erthal Sozialwerk gGmbH. Nachdem am 1. April 1984 die „Werkstatt für psychisch Kranke und Behinderte“ als Außenstelle der Mainfränkischen Werkstätten Würzburg gegründet wurde, beschäftigten sich die anfangs sechs psychisch kranken Mitarbeiter erst einmal mit schlichten Montage-, Bohr- und Bastelarbeiten. Doch schon ein Vierteljahr später eröffnete die Fahrradwerkstatt (heute Sanderstraße) und auch im Metallbereich (heute in einer Außengruppe in Heidingsfeld) ging man zu komplexeren Arbeiten über, während die Zahl der Mitarbeiter stetig anwuchs. „Heute führen wir im Metallbereich CNC-Technik, Drehen, Fräsen und Schweißen für namhafte Firmen aus, zum Beispiel für eine Solartechnikfirma oder für die Firma Knauf“, zählt Horn auf.
    1986 kam der Elektrobereich dazu, wo diverse Arbeiten und Dienstleistungen, wie Schaltschrankbau oder Kabelkonfektion erledigt werden. 1992 gründete man als neue Außengruppe die Mikroverfilmung in der Uniklinik, einen Dokumentenservice, wo man Schriftstücke einscannt und verfilmt. Dazu kamen in den letzten zehn Jahren noch der Heißmangelbereich, ein Werkstattladen – hier werden Artikel verkauft, die behinderte Menschen in anderen Werkstätten herstellen – und die Palettenreparatur, eine Außengruppe bei der Firma Knauf. „Unser jüngstes Kind ist der KFZ-Zulassungsdienst: Hier kann man Auto-Schilder prägen und auch sein Fahrzeug an- und abmelden lassen“, so Horn.
     
    20 Betreuer beschäftigt
    Seit 1997 heißt die Einrichtung nun Erthal Sozialwerk gGmbh; Gesellschafter sind zu gleichen Teilen die St. Josefs-Stiftung e.V., die Würzburger Brücke e.V. und der Diözesancaritasverband. 150 psychisch behinderte Mitarbeiter und 20 Betreuer sind mittlerweile hier tätig – und das, wie es scheint, nicht ungern: „Ich bin gerne hier, weil ich es daheim nicht aushalte“, meint Michael B., der die Werkstatt bereits seit ihrer Gründung besucht. Und er fügt hinzu: „Was Unschönes gibt es hier gar nicht. Es ist alles gut durchorganisiert. Das Miteinander ist sogar wichtiger als die Arbeit.“
    Peter S., seit zehn Jahren beim Erthal Sozialwerk, sprüht förmlich vor Begeisterung, während er vorführt, was er in der Kabelkonfektion zu tun hat: „Erst die Kabel abmanteln und abisolieren und dann die Aderent-Hülsen aufmontieren.“ „Es gibt viel Abwechslung in der Arbeit, weil es verschiedene Kabel gibt, andere Durchmesser oder Farben – das ist nie eintönig, immer was anderes.“ Am wichtigsten ist ihm aber dabei, „dass wir Qualitätsarbeit machen!“
    Die Abwechslung bei der Arbeit nennt auch Margot Kirchner, Gruppenleiterin im Dokumentenservice, als wichtigen Aspekt zur Motivation der Mitarbeiter. „Und die Auswahl des jeweiligen Mitarbeiter. Denn nicht jeder ist für jede Arbeit geeignet.“ Ingrid Morgenstern, die die Heißmangelgruppe leitet, stimmt ihr zu: „Wenn es sich einrichten lässt, kann sich jeder seine Arbeit aussuchen. Aber wenn jemand mal gar nicht mehr kann, dann nimmt man ihn raus zum Gespräch. Dann bauen sie auch Druck ab.“ Natürlich geht es auch mal lustig zu, doch, wie Werkstattleiter Horn betont: „Die Leute die hier arbeiten, die arbeiten drei mal mehr, als die meisten ‚Normalen‘ und strengen sich hier wahnsinnig an!“
     
    Tagesablauf genau festgelegt
    Dabei versuche man die psychisch behinderten Mitarbeiter eben einfach so zu akzeptieren wie sie sind, sie ernstzunehmen mit ihrer Krankheit – so Walter Glos, Abteilungsleiter im Bereich berufliche Bildung. „Das hilft ihnen auch, sich selbst zu akzeptieren. Und das ist mit die größte Aufgabe am Anfang, wenn jemand neu hierher kommt.“ Ganz wichtig für die behinderten Mitarbeiter sei auch die Tagesstrukturierung durch die Arbeit und natürlich die Ansprache, betont Margot Kirchner und Glos ergänzt: „Teilweise sind wir auch Familienersatz.“ Das komme gar nicht so selten vor.Dies und alles andere fordert von allen Betreuern besonderen Einsatz. „Es ist nicht so, dass man nach acht Stunden heimkommt und das alles ablegt. Das beschäftigt einen doch oft auch weiter“, gibt Ingrid Morgenstern zu. „Man kann ja auch, wenn einen Samstag morgen jemand mit einer Selbstmorddrohung aus dem Bett klingelt, nicht sagen: ‚Rufe mich am Montag wieder an, ich habe jetzt Feierabend‘ ...“ Dieser speziellen Belastung ist sich auch Werkstattleiter Horn bewusst und betont, „dass unser Erfolg in den verschiedenen Bereichen zu großen Teilen vom besonderen Engagement unserer Betreuer lebt.“
    Doch von den gemeinsamen Erfolgen legen auch die psychisch behinderten Mitarbeiter gerne Zeugnis ab: „Da haben wir eine Studentin, die hier ihre Diplomarbeit über ‚Betriebliches Verbesserungs- und Vorschlagswesen‘ schreibt“, erzählt Gruppenleiterin Morgenstern. „Die kam in unsere Gruppe und brachte ihr Anliegen vor. Da sagte eine unserer Mitarbeiterinnen zu ihr spontan: ‚Da sind Sie bei uns vollkommen falsch; bei uns ist alles bestens durchorganisiert‘.“