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Mehr als nur Überleben

Am 26. Oktober begehen wir den Sonntag der Weltmission. Missio kümmert sich weltweit um Flüchtlinge. Unsere Reportage zeigt das Beispiel einer Flüchtlingsfamilie aus Ruanda in Nairobi.
Für Tausende Flüchtlinge ist Nairobi zu einem Ort der Zuflucht geworden. Willkommen sind sie in Kenias Hauptstadt oft nicht. Armut und Gewalt prägen das Leben vieler Bewohner. Doch Eigeninitiative und Solidarität untereinander haben Flüchtlinge aus dem Raum der ostafrikanischen Seen zu einer starken Gemeinschaft wachsen lassen. Dicht an dicht gedrängt, säumen Wellblechhütten die unbefestigten Wege. Dazwischen Stände, an denen Händler Obst, Haushaltswaren und Schuhe verkaufen. Eine Ziege zerrt inmitten von Hausmüll an einer Plastiktüte. Über allem liegt der faulig schwüle Geruch von Verwesendem. Hier in Kibera, dem größten Slum Nairobis, lebt die 14-jährige Clodette Ntibizerwa mit ihrer Familie – und hofft auf eine bessere Zukunft. Auf den ersten Blick scheint das mehrstöckige Betonhaus am Rand der Siedlung, in dem die Familie lebt, eines der besseren Häuser zu sein. Doch der Eindruck täuscht. Schon im fensterlosen stockdunklen Treppenhaus nimmt der penetrant stechende Uringeruch Eintretenden den Atem. Clodette, ihre sieben Geschwister und die Eltern teilen sich ein enges Zimmer. Ein Bett, Decken und Kochgeschirr sind hinter einem Vorhang verstaut. Ein Anzug und Hemden sorgfältig auf einem Bügel davor. 60 Prozent der Bewohner Nairobis leben in Slums. Schätzungsweise eine Million von ihnen in Kibera. Täglich strömen mehr und mehr Menschen hinzu. Nicht nur Kenianer suchen hier ihr Glück. Für viele Tausend Flüchtlinge aus den umliegenden Ländern sind die Slums Nairobis zu einem Ort der Zuflucht geworden. Familie Ntibizerwa kam 1997 über Umwege nach Nairobi. Sie floh vor dem Völkermord in Ruanda, dem 800 000 Menschen zum Opfer fielen. Den Eltern fällt es schwer, sich in den beiden Landessprachen Kisuaheli oder Englisch auszudrücken. Noch schwerer fällt es ihnen, über die Vergangenheit zu sprechen. Nur dass es schlimm gewesen sei, können sie sagen. Doch auch das nur leise. Ihre Kinder haben die Sprachen in der Schule gelernt und verständigen sich mühelos. „Der Krieg brach aus und meine Eltern kämpften um unser aller Überleben“, berichtet Clodette. „Wir haben dann beschlossen, unser Leben zu retten. Wir sind nach Kenia geflohem, weil sie in Ruanda die Menschen töteten.“ Doch auch das Leben in der neuen Heimat ist nicht einfach. Armut, Gewalt und Arbeitslosigkeit bestimmen den Alltag der Slumbewohner. Gewalttätige Jugendbanden drangsalieren die Menschen. Raubüberfälle und Morde sind für sie sichere Einkunftsquellen. Im Dunst dieser Brutalität haben die Flüchtlinge dort zusätzlich einen schweren Stand, denn in der sozialen Hackordnung der Armenviertel stehen sie ganz unten.  In der Einzimmerwohnung der Familie Ntibizerwa rollen bunte Plastikperlen auf dem kargen Tisch auf und ab. Sie sind gerade dabei, die Perlen auf Schnüre zu ziehen. So entstehen Schlüsselanhänger und Kettchen. Die Artikel bietet die Familie anschließend auf der Straße an. Mit dem Verkauf der selbst gebastelten Artikel versuchen sie sich über Wasser zu halten. Das ist nicht einfach, ständig steigende Lebensmittelpreise machen ihnen zu schaffen. In Ruanda hatte Vater Jean ein eigenes Geschäft. Nun beginnt das Leben bei Null. „Manche Nachbarn in unserem Viertel schauen auf dich herunter“, erklärt der 48-Jährige. „Du wirst nicht geschlagen, aber Teil der Gemeinschaft bist du auch nicht.“ Die Idee zur Herstellung der Schlüsselanhänger stammt aus einer Initiative, in der sich Flüchtlinge in einem Netzwerk zusammengeschlossen haben. Jede Familie muss sich ein kleines Überlebensprojekt überlegen. In der Gemeinschaft beraten sie, wie sie sich gegenseitig unterstützen können. Eigeninitiative der Mitglieder und Solidarität untereinander sind oberstes Gebot. Knapp 3000 französischsprachige Flüchtlinge haben sich unter dem Dach des „Afrika-Flüchtlingsprogramms ARP“ zusammengefunden. Sie kommen aus Ruanda, Burundi und dem Kongo – dem Raum der Großen Seen in Ostafrika. 45 solcher Solidaritätsgruppen gibt es in Nairobi. Regelmäßig treffen sie sich in den Räumen verschiedener Kirchen. In Eigenregie beraten die Mitglieder dann, wer welche Unterstützung durch das Projekt bekommen kann. Für Notfälle gibt es einen Hilfsfond. Auch die Schulausbildung kann aus Mitteln des Projektes unterstützt werden. Die Initiative ist 1996 von Ordensleuten gegründet worden und wird seither vom Hilfswerk missio unterstützt. Aber das ARP-Projekt bietet den Flüchtlingen mehr als nur materielle Unterstützung: In der Gruppe tauschen sich die Menschen über ihre Nöte und Bedürfnisse aus. Sie beraten gemeinsam, wie Probleme der einzelnen Mitglieder gelöst werden können. Gegenseitiger Beistand und das Gefühl mit den eigenen Nöten nicht allein zu sein, haben sie zu einer starken Gemeinschaft wachsen lassen. Dazu gehört auch, dass sich die Mitglieder über ihren Glauben austauschen. Die Gemeinschaft umfasst Katholiken, Pfingstler, Evangelikale und Muslime, jeder respektiert den Glauben des anderen.  Die blutigen Unruhen in ihrem Zufluchtsland Kenia Anfang dieses Jahres haben die Flüchtlinge nicht unberührt gelassen. In ihrer Heimat waren viele von ihnen selber Opfer von Gewalt. In Theaterszenen spielen Jugendliche vor ihren Familien nach, wie sie den Gewaltausbruch erlebt haben. Und auch wie man mit Aggressionen umgehen kann. Das Projekt bietet für Heranwachsende ein Antigewalttraining an. „In der Schule werde ich manchmal gehänselt“, sagt Clodette. „Manche Kinder sagen: ‚Du hast ja gar kein eigenes Land.‘ Dann bin ich traurig und fühle mich einsam. Aber nicht alle Mitschüler sind so. Manche haben auch Verständnis.“ Ihre Geschwister, die alle eine Schule besuchen können, stimmen ihr zu. „Bildung ist der Schlüssel“, erklärt Clodette übereifrig. Ihre jüngere Schwester Christine (12) muss bei so viel zur Schau gestellten Weisheit lachen. Doch die Kinder haben begriffen, dass sie nur mit einer guten Schulbildung eine Chance haben werden. „Ich gehe gerne in die Schule, denn ich möchte einmal Flugbegleiterin werden“, berichtet Clodette. „Dann kann ich meinen Eltern und meiner Familie helfen.“ Ihre Kinder sollen es einmal besser haben. Das ist die große Hoffnung der Eltern. Vielleicht werden sie dann eines Tages nach Ruanda zurückkehren können. Doch so weit ist es noch nicht. Zunächst gilt es, in Kenia das Leben zu meistern. „Wir werden von der Solidaritätsgruppe unterstützt“, sagt Mutter Sophie. „Wir fühlen, dass wir jetzt irgendwohin gehören – besonders auch in schwierigen Zeiten.“  

Monat der Weltmission

Unter dem Motto „Mach den Raum deines Zeltes weit“ begeht das katholische Hilfswerk „missio“ in diesem Jahr den Monat der Weltmission. Die aktuelle Kampagne thematisiert das Schicksal afrikanischer Flüchtlinge, die vor Krieg und Gewalt aus ihren Heimatländern geflohen sind. Am Beispiel der Flüchtingsarbeit der katholischen Kirche in Afrika zeigt „missio“, wie sich kirchliche Partner der Menschen auf der Flucht annehmen und ihnen Schutz gewähren. Der Monat der Weltmission wird jedes Jahr im Oktober begangen und ist die größte Solidaritätsaktion der katholischen Kirche.