Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt erfahren Sie im Sonntagblatt.
Maria hat das Bessere gewählt
Evangelium In jener Zeit kam Jesus in ein Dorf, und eine Frau namens Marta nahm ihn freundlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.Lukas 10,38–42 Gastfreundschaft ist ein Markenzeichen von Bad Kissingen. Tausende Arbeitsplätze hängen davon ab, ob Gäste als Reha-Patienten, im Kultur- und Wellness-Urlaub oder im Rahmen der klassischen Kur hierher kommen. Einmal im Jahr, könnte man meinen, sind wir eine Oasenstadt mitten in der Sahara. Geländewägen mit den abenteuerlichsten Aufbauten zeigen an, dass ein „besonderes Völkchen“ zu Gast ist. Die Messe „Abenteuer Allrad“ lockt zirca 35000 „Outdoor- und Allrad-Freaks“ in diese fränkische Oasenstadt auf Zeit. Ich gebe es gerne zu: Ich fahre selbst solch einen leichten Allradler. Es gibt dafür eine „schwache Begründung“: der Schnee in der Rhön, die gute Zugleistung, – und ich sitze höher. Die Wirbelsäule freut sich, und im übrigen macht’s Spaß. Auf dem Motorraumdeckel eines Allradlers wurde vor mehr als 30 Jahren im Osten Südafrikas ein geistlicher Impuls gegeben, der heute weltkirchliche Bedeutung hat. Oswald Hirmer und ein priesterlicher Freund skizzierten auf einem Zettel mit der Motorhaube als Schreibunterlage das „Bibel-teilen“. Mit den sieben Schritten – wir laden den Herrn ein, wir lesen aus der Heiligen Schrift, wir wiederholen langsam und andächtig und verweilen bei seinem Wort, wir schweigen, wir reden über das, was uns bewegt, wir handeln gemeinsam, wir beten – wollten die beiden Missionare aus der Oberpfalz Hilfe geben, wie die Frohe Botschaft ins Leben übertragen werden kann. Das heutige Evangelium von Marta und Maria bildete hierbei die Grundlage ihrer Überlegungen. Im Herzen und in unserer Praxis steht uns oft Marta näher. Sie lebt die Gastfreundschaft gegenüber Jesus. Sie werkelt, müht sich ab und fühlt sich dabei allein gelassen. Fürs Erste ist die Antwort Jesu ein Schlag vor den Kopf. „Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.“ Da stellen sich vielen, die das Evangelium lesen oder hören, schnell die Stacheln. Sie mühen sich beruflich ab, um Gästen überall im Land einen angenehmen Aufenthalt zu ermöglichen, sie setzen sich in den Gemeinden ein, damit lebendige Kirche erfahrbar wird, gar nicht erst zu reden von der Arbeit der Hausfrauen und zunehmend auch der Männer, die keinen Bogen mehr um die Spülmaschine machen, damit eine Familie ein einladendes Zuhause hat. Aber einmal ehrlich: Etwas Praktisches zu tun, auch in der Kirche, fällt doch manches Mal leichter, als bei Christus zu sein und sich zu fragen: Was willst du von mir, was willst du von uns? Umso wichtiger ist es, dass wir selbst für uns geistliche Oasen haben, in denen wir bei Jesus als unserer Kraftquelle sein können. Das können Bibel-teilen-Gruppen in den Gemeinden sein oder Zeit für das persönliche Gebet, die ich mir selbst schenke, und der Gottesdienst als Rastplatz. Hier muss ich nichts leisten, sondern kann mich von Jesus als Gastgeber beschenken lassen mit seinem Wort, im Brot des Lebens und in der Erfahrung der Glaubensgemeinschaft. Maria hat erkannt, dass da jemand in ihr Haus gekommen ist, an dem sie sich orientieren kann. Sie lässt sich auf Jesu Worte ein, weil sie merkt, dass er das Fundament ist, auf dem sie ihr Leben bauen kann. Dieses Evangelium von Marta und Maria will uns daran erinnern, dass wir nicht geben und austeilen können, ohne selbst zur Quelle zu gehen. Wer darauf vergisst, ist in der Gefahr, bald seelisch und auch körperlich ausgetrocknet zu sein. Aus der Nähe zu Jesus finden wir als Christen neue Kraft für unseren Alltag. So können wir dann selbst gastfreundlich sein und Menschen teilhaben lassen an unserem Leben. Eine gastfreundliche Kirche, eine gastfreundliche Gemeinde und die Gastfreundschaft im eigenen Haus – all das war schon immer ein „Markenzeichen“ der Christen. Wenn wir Jesus als „Gast“ in das Haus unseres Lebens aufnehmen, bringt er ein Geschenk mit: die gute Botschaft von einem menschenfreundlichen Gott, der uns in ihm begegnet. Ob auf dem Motordeckel eines Allradlers in Südafrika oder bei uns, wo wir leben: Laden wir ihn ein! Dekan Thomas Keßler ist Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft „Jesus – Quelle des Lebens, Bad Kissingen“ und Diözesanbeauftragter für die Notfallseelsorge und die Seelsorge in Feuerwehr und Rettungsdienst.