Dominik Rösler nennt seine Mutter nur beim Vornamen. Wenn sie, Claudia, in dritter Person von ihm spricht, möchte er, dass sie das Pronomen „es“ verwendet. Bezogen auf das Kind. Damit scheint sich Rösler besser identifizieren zu können, als mit dem fast dreißigjährigen Mann, der er ist. Das zeigt sich auch in Selbstporträts.
Mit einem Freund malen
„Ich male, ohne groß nachzudenken“, erläutert Rösler. In seinen Selbstdarstellungen ist er von fiktiven Figuren umgeben, die er aus Kinderbüchern und Serien kennt. Sich selbst malt er immer als Jungen, nie als Erwachsenen. Als würde er in der Zeit festhängen.
Rösler ist frühkindlicher Autist. Das bedeutet unter anderem, dass ihm soziale Interaktionen schwerfallen. Er kann nicht einschätzen, wann welche Gestik oder Mimik angebracht sind. Er ist wortkarg und teilt sich selten mit. Und wenn er es tut, kann er Sagbares nicht von Unsagbarem unterscheiden. Deshalb bleiben seine Freundschaften meist fiktiv. Neben dem familiären und beruflichen Umfeld – Rösler arbeitet in den Mainfränkischen Werkstätten – hat er nur einen Freund.
José F. Sanchez ist freischaffender Künstler aus Veitshöchheim und lädt Rösler wöchentlich dazu ein, mit ihm zu malen. Dabei bemüht sich Sanchez, ihm so viele Entscheidungen zu überlassen, wie möglich. Über Farben, Formen und Titel soll Rösler bestimmen.
Ausgangspunkt ist immer eine Vorlage, eine Inspiration, die sie etwa in Zeitschriften finden. Die Arbeit mit Rösler dauert länger und ist intensiver, sagt Sanchez. Manchmal versuche er einen Pinsel wie einen Bleistift zu benutzen, ohne ihn vorher in Farbe zu tunken. Dabei arbeiten sie schon seit zwei Jahren auf der Leinwand. Oder Rösler wirkt teilnahmslos und Sanchez muss ihn motivieren: „Dann sage ich zu ihm: Na komm, leg los!“
Sanchez engagiert sich seit den 1990er Jahren in der Integrationsarbeit. Er sei zwar kein Kunsttherapeut oder Sozialpädagoge, doch er sei gerne in die Werkstätten gegangen, um mit anderen kreativ zu arbeiten.
Ausstellung im Café Perspektive
Möglich macht die Zusammenarbeit der Förderverein „Menschen und Autismus – Lebensqualität durch Beziehung“. Die Idee: Menschen mit Autismus sichtbarer zu machen und sie außerhalb ihrer Arbeit zu fördern. Zum Beispiel mit der Aktion „Künstler im Licht“, in der Menschen mit Autismus mit Künstlern zusammenarbeiten. Dieses Programm gibt es seit 13 Jahren. Aktuell wirken drei Künstlerpaare in Würzburg. Ihre Werke werden ausgestellt und die Erlöse fließen zurück in den Förderverein, um dieses und weitere Angebote zu finanzieren.
Aktuell stellen sie im Café Perspektive am Waldfriedhof in Würzburg aus. Das erste Bild ist schon verkauft – an den Betreiber Thomas Karg. „Ich finde es schön, wie durch Kunst innere Werte nach außen gekehrt werden, vorbei am Handicap. Und so entstehen Bilder mit Tiefe, die zeigen, was im Menschen steckt“, sagt er.
Claudia Rösler freut sich über die Aufmerksamkeit für die Werke ihres Sohnes und seines Künstlerfreundes. Auch wenn Vernissagen schwierige Termine sind. Wegen der vielen Menschen, die sich für Dominik Rösler interessieren und mit ihm ins Gespräch kommen wollen. Er stehe das tapfer durch, doch lieber gehe er mit seinem Großvater in die Kirche, sagt sie. Dort treffe er zuweilen zwar auch auf viele Menschen, doch: „Die wollen ja nichts von ihm.“ Für seinen Großvater hat Dominik Rösler mit Sanchez’ Hilfe ein Dreikönigsbild gemalt. Es schmückt jetzt das Wohnzimmer des Großvaters.
Der Hintergrund
Der Förderverein „Menschen und Autismus – Lebensqualität durch Beziehung“ bietet kreative Förderung für Menschen mit Autismus in der Region Würzburg. Bilder, die im Zuge des Projekts „Künstler im Licht“ entstanden sind, können beim Verein gekauft oder geliehen werden. Vereinsmitglieder freuen sich über neue Ausstellungsorte für die Werke der Künstler und suchen nach Kooperationen. Kontaktdaten und Bildkatalog gibt es hier.
Von Angelina Horosun