Dieses Leiden geht auf das Machtwort des Pilatus zurück. Beklemmende Machtgeschichten kennt auch unsere Gegenwart. Ein tragisch-trauriges Beispiel aus der Politik ist Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Sie war 15 Jahre lang in Myanmar in Haft. In ihrer Zeit als Regierungschefin von 2016 bis 2021 büßte sie jedoch ihren bis dahin makellosen Ruf als Vorkämpferin für Demokratie ein. Suu Kyi arrangierte sich mit Verbrechen von Myanmars Militär, weshalb das Europäische Parlament sie öffentlich rügte.
Suu Kyis Beispiel zeigt: Ideale hochzuhalten und gleichzeitig Macht auszuüben ist für einen Menschen äußerst schwierig, wenn wirksame Kontrollsysteme fehlen. Selbst herausragende Persönlichkeiten wie Suu Kyi verändern sich durch Machteinflüsse.
Was an die Kirche denken lässt. Im kirchlichen Umfeld wird Macht ausgeübt und Macht missbraucht. Dieser dunklen Einsicht sollte sich heute niemand mehr verschließen. Immerhin hat diese Einsicht schon einiges in Fluss gebracht. Autoritätsdruck und Angstbarrieren in der Kirche sind geschrumpft. Eine gute Entwicklung, die allerdings wirksame Kontrollsysteme nicht ersetzt.
In Kirche und Politik lässt sich Macht kontrollieren, wenn Menschen das wollen. Im privaten Bereich eher nicht. Doch freilich gibt es auch hier Machtgefüge. Manche Partnerschaft, die mit guten Gefühlen begann, entpuppt sich im Lauf der Zeit als „toxische Beziehung“, die das Selbstwertgefühl beider Partner oder einer der beteiligten Personen beschädigt. Auch dahinter stehen oft Machtgeschichten.
Egal ob in Kirche, Politik oder im Privaten: Menschen sollten gut auf sich und andere achtgeben. Macht verliert nie ihre unheimliche Kraft. Die Karwoche ist immer aktuell.
Ulrich Bausewein