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      Goldschmied Michael Amberg hat die traditionsreiche Goldschmiede seiner Familie geschlossen – Werke aus Würzburg bleiben

      Kunst für die Kirche

      Würzburg, Jahresbeginn 2022. In der Ladenzeile schräg hinter Dom und Burkardushaus, gegenüber dem Eingang zur Dommusik fehlt etwas. Aber was? Die Schaufensterauslage der Goldschmiede Amberg. Dort waren über Jahrzehnte Ringe, Ketten und Broschen, aber auch Abbildungen von Kelchen und Reliquiaren ausgestellt. Fünf Minuten entfernt, im Hof seines Wohnhauses mit Werkstatt, erklärt Goldschmied Michael Amberg: „Ende des vergangenen Jahres habe ich meine Werkstatt geschlossen. Jetzt übernehme ich nur noch kleinere Aufträge.“ Damit geht eine lange Familientradition zu Ende.

      Vor allem für Kirchenkunst ist Goldschmied Michael Amberg über seine fränkische Heimat hinaus bekannt. 1976 tritt er die Leitung des Familienunternehmens an – und ist jahrzehntelang sehr erfolgreich. Am Beginn der Familientradition steht vor über 175 Jahren Urgroßvater Georg Joseph Amberg (1821–1884). Der gelernte Gürtler, der Metalle zu Gebrauchsgegenständen und Schmuck verarbeitet, eröffnet 1845 in seiner Heimatstadt Haßfurt sein Unternehmen. Gelernt hat er zuvor in Würzburg.

      Kirchengoldschmied

      Der Horizont des „Kirchengoldschmieds“ Georg Joseph Amberg ist nicht auf Unterfranken begrenzt: Auf Reisen hat er in Europa bei verschiedenen Goldschmieden gelernt – in Wien, Budapest, Venedig, Rom und Neapel. Auch in Frankreich. Die Lyoner Spezialisten enthüllen ihm aber nicht ihr gut gehütetes Emaille-Geheimnis. Zurück daheim erweitert Georg Joseph seinen Kundenkreis stetig: Er beliefert mit seinen von Vorbildern der Gotik, der Renaissance und des Barock geprägten Kelchen und Monstranzen nicht nur Haßfurt und Umgebung, sondern auch Kirchen in Bad Kissingen und Aschaffenburg – und erwirbt sich einen sehr guten Ruf. 1849 erhält er den Auftrag, die Häupter der Frankenapostel neu zu fassen.

      Was seinem Vater nicht gelungen ist, schafft Hermann Josef Amberg (1864–1936). Auch er unternimmt Reisen. In Lyon stößt er, anders als sein Vater, auf offene Ohren – und bringt das Geheimnis der Emaillierkunst nach Würzburg. Dort hat er 1892 in der am Dom gelegenen Plattnergasse sein Geschäft eröffnet. Stolz nennt er sich „Gold- und Silberschmied und Emailleur“. Den Erfolg von Michael Ambergs Großvater belegt das stattliche Anwesen, das er 1897 im Würzburger Stadtteil Sanderau bezieht. Es besitzt sogar eine Schaukapelle für seine Werke.

      Zentrale Lage

      Bereits 1911 verkauft Hermann Josef Amberg das Anwesen wieder. Der Grund: Das Geschäftshaus ist trotz Anbindung an die Trambahn zu weit vom Stadtzentrum und den Anlaufstellen für die geistliche Kundschaft entfernt. Sie zieht es etwa in das Bischöfliche Ordinariat und den Dom. Hermann Josef Amberg zieht zurück in die Innenstadt, in die Domerschulgasse. 1927 erbaut er dann in der Pfauengasse ein neues Wohn- und Geschäftshaus mit Werkstatt. Dort wirkte bis vor kurzem noch sein Enkel.

      Erik Soder von Güldenstubbe, Bistumshistoriker im Ruhestand, beschreibt das vom Historismus geprägte Wirken des Großvaters so: „Hermann Josef (...) suchte die Zusammenarbeit mit anderen zeitgenössischen Künstlern, ließ sich aber auch von Geistlichen und Theologen anregen und unterwarf seine Kunstwerke und kirchlichen Geräte dem Urteil der Bischöfe und deren Sachverständigen.“

      Professionell

      Mit dem Sohn Franz Joseph Amberg (1900–1976), in der Familie „Joseph der Jüngere“ genannt, vollzieht sich ein Wandel: „Heilsgeschichte wird nun nicht mehr nur in der von der Tradition geheiligten Symbolik und von der Liturgie her vorgegebenen Weise sichtbar gemacht, sondern gewinnt künstlerisch ihr Eigengewicht“, so Soder von Güldenstubbe. Der Goldschmied zeigt das Wirken Jesu in lebendigen Szenen.

      Wie schon sein Vater beginnt auch Franz Joseph seine Karriere in der familieneigenen Werkstatt. Von 1914 bis 1918 erlernt er das Goldschmiedehandwerk. Den entscheidenden Schritt zur Professionalisierung macht er mit einem Studium an der Münchner Kunstakademie. Sein Interesse gilt auch historischen Techniken. Er beschäftigt sich intensiv mit der Feuervergoldung, der Niello-Technik – mit der Silber mit schwarzen Einlagen verziert wird – und der damals besonders für Primizkelche beliebten Arbeit mit Emaille.

      Franz Joseph Amberg konzentriert sich auf die kirchliche Goldschmiedekunst, schafft aber mitunter auch monumentale Skulpturen wie die Michaelsstatue vor der gleichnamigen Kirche in Nürnberg. Im Bistum Würzburg haben die Gläubigen eine seiner Arbeiten bis heute immer wieder vor Augen: den Bischofsstab mit den drei Frankenaposteln von 1949.

      Über Franken hinaus

      Die Kunstfertigkeit von Michael Ambergs Vater ist – wie später seine eigene – über Franken hinaus gefragt. So liefert er beispielsweise 1939 den Hochaltar für den Limburger Dom und 1961 den Bischofsstab für den Berliner Oberhirten und späteren Kardinal Alfred Bengsch. An einem Tabernakel für die Dortmunder Kirche St. Josef arbeitet 1954 bereits sein 1939 geborener Sohn mit.

      Michael Amberg hat das Talent vom Vater geerbt, wie seine Schwester Marie-Theres, die sich auf Schmuck spezialisiert. Bereits mit 14 Jahren beginnt er die Lehre zum Goldschmied in der väterlichen Werkstatt. Später besucht auch er die Münchner Kunstakademie: Er studiert von 1959 bis 1961 bei Goldschmied Franz Rickert und Bildhauer Josef Henselmann und wird mit Preisen ausgezeichnet.

      Seinen künstlerischen Horizont erweitert der junge Goldschmied durch Vorlesungen des Kunsthistorikers Hans Sedlmayer. Der kritisiert den künstlerischen Zeitgeist der 1950er und 60er Jahre, der von Abstraktion geprägt ist. In der Universitätskirche St. Ludwig hört Michael Amberg die Predigten des Theologen Romano Guardini, die ihn beeindrucken.

      Meisterstück

      1963 legt er die Meisterprüfung ab. Daran erinnert sich der Goldschmied genau: „Ich habe einen Kelch mit dem Siegeslamm der Apokalypse vorgelegt.“ Das Motiv seines Meisterstücks erläutert er so: „Das Lamm ist ein Bild der Unbesiegbarkeit Christi durch das Böse, und die sieben Feuerflammen sind das Zeichen der Gottesnähe.“ Die Herzwunde symbolisiere das Opferblut Christi, und die rot leuchtende Emaille stehe für die Gottesliebe. Michael Amberg hat einen sehr engen Bezug zu seinem Meisterstück: „Für mich war es eine besondere Freude, den Primizkelch für meinen Bruder Balthasar zu schaffen. Die höchste priesterliche Aufgabe ist ja die Eucharistie.“

      In den folgenden Jahren variiert er das Lamm-Motiv auf Kelchen, Tabernakeln, Bischofskreuzen und -stäben sowie Reliquiaren. Mit seiner Kirchenkunst macht Michael Amberg den Namen seiner Familie in kirchlichen Kreisen zunehmend auch international bekannt. Der Würzburger Goldschmied begreift seine Kunst als religiösen Akt: „Mich hat die Liturgiekonstitution ,Sacrosanctum Concilium‘ des Zweiten Vatikanischen Konzils stark beeinflusst“, sagt er. Dort heißt es: „Unablässig hat die Mutter Kirche den edlen Dienst der schönen Künste gesucht und die Künstler unterwiesen, vor allem damit die Dinge, die zur heiligen Liturgie gehören, wahrhaftig würdig seien, geziemend und schön: Zeichen und Symbol überirdischer Wirklichkeiten.“ Überirdisch schön ist etwa der 2017 für das rumänische Großwardein geschaffene Bischofsstab zum Thema „Himmlisches Jerusalem“.

      Reliquienfassungen

      Doch nicht nur Kunst, die er selbst schafft, beschäftigt den Goldschmied während seiner langen Karriere. Auch mit Kunstwerken vergangener Epochen setzt sich Michael Amberg immer wieder auseinander. Als junger Mann restauriert er von 1964 bis 1969 mit seinem Vater den „Hartwig-Leuchter“ in der Stiftskirche der Großcomburg bei Schwäbisch Hall. Der monumentale Radleuchter aus dem 12. Jahrhundert mit fünf Metern Durchmesser zählt zu den kostbarsten Kunstschätzen in Baden-Württemberg. Auch privat spielt der riesige Radleuchter für den Goldschmied eine Rolle: 1969 heiratet Michael Amberg die Kunsthistorikerin Fides Hartmann – unter dem Großcomburger Leuchter.

      Mit seiner Ehefrau wird die Fassung von Reliquien in der Goldschmiede Amberg zunehmend wichtig. Fides Amberg lernt über eine Klosterschwester die Reliquienstickerei kennen. Fortan setzt sie sie mit Goldbouillons, feinen Goldspiralen und -fäden, Perlen sowie (Halb)Edelsteinen um. „Dabei geht es nicht um die Pracht der Fassung, sondern um den Abglanz des himmlischen Jerusalem“, erläutert Amberg. Ein Höhepunkt der Zusammenarbeit mit seiner Frau, die 2019 gestorben ist, ist die Reliquienkrone für die ottonische Krypta von St. Andreas in Fulda. Zu dem Großauftrag gehören auch ein Kelch und mehrere für den Gebrauch im Gottesdienst bestimmte Gefäße. 2007 erhält das Krypta-Ensemble den Europäischen Kulturpreis.

      Für den seligen Georg Häfner

      Im Bistum Würzburg findet 2012 die Arbeit der Goldschmiede Amberg rund um die Seligsprechung des Märtyrerpfarrers Georg Häfner große Beachtung. Mit zwei vom Würzburger Domkapitel beauftragten Reliquiaren leisten Ambergs einen wichtigen Beitrag zur Verehrung des Seligen, der 1942 im Konzentrationslager Dachau ums Leben kam. 2010 gestalten sie das Häfner-Reliquiar für das Kloster Himmelspforten, wo der Priester einst Ministrant war. Zwei Jahre später entsteht das „Ostensorium“ für die Märtyrerkapelle im Kiliansdom. Die Reliquienmonstranz enthält ein Knochenstück Häfners und soll laut Michael Amberg als „Fenster in die Ewigkeit“ dienen. Beide Reliquiare verbindet die Symbolik von Opferlamm und Himmlischem Jerusalem.

      Werke des Würzburgers Michael Amberg gibt es heute in ganz Europa, aber auch in Asien, Afrika und Amerika. So finden sich etwa im Eriksdom im schwedischen Stockholm Werke aus der Goldschmiede Amberg. Zu den Höhepunkten seines Schaffens zählt der gefragte Goldschmied einen 2000 geschaffenen Schrein für eine Reliquie des heiligen Abtes Guido von Pomposa – ein Geschenk des aus Würzburg stammenden früheren Bischofs von Speyer, Anton Schlembach, nach Italien.

      Noch präsent

      Und dann wäre da noch die Neufassung eines Eligius-Schreins aus den 1950er Jahren 2002. Den mittelalterlichen Bischof der nordfranzösischen Stadt Noyon verehren die Goldschmiede als Patron. Ihm fühlt sich Michael Amberg verbunden – ein Relief des Heiligen ziert sein Hofportal.

      Die Werkstatt ist nun geschlossen. Doch auch wenn die Goldschmiedetradition der Familie Amberg in der vierten Generation ihr Ende gefunden hat: In Würzburg ist die Kunst der Ambergs jedes Jahr aufs Neue an Kiliani präsent. Den Schrein für die einst von seinem Urgroßvater gefassten Häupter der Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan hat Michael Amberg schon als junger Goldschmied 1967 geschaffen.

      Stefan W. Römmelt (Sonntagsblatt)