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Kleinod und Glaubenszeugnis

Für viele, die in die Martinskapelle nach Bürgstadt kommen, bilden die 40 Bibelmedaillons, Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, die Glanzpunkte der künstlerischen Ausstattung dieses heute etwas versteckt liegenden Kleinods. Sie reichen von der Erschaffung der Welt bis zum Pfingstfest und münden in die monumentale Darstellung des Weltgerichts im Chorbogen. Als Maler und Herneisens Nachfolger gilt ein Flach- und Glasmaler aus Sulzfeld am Main, um dessen Lebensgeschichte und Wirken sich immer noch Rätsel ranken.
BÜRGSTADT. Als „Sixtinische Kapelle im Mini-Format“ wird sie von einem Eheppar aus Wuppertal bezeichnet. Und die Einträge von Besuchern aus Amerika oder Korea im Gästebuch belegen, dass die Kunde von dem Kleinod, das Weihbischof Helmut Bauer bei einer Visitation des Dekanats Miltenberg „uraltes Zeugnis des Glaubens“ genannt hat, weit über die Grenzen des Bistums hinaus gedrungen ist. Die Rede ist von der Martinskapelle, ältestes der vier Gotteshäuser in Bürgstadt.

Rechtzeitig zum Martinsfest hat jetzt der Heimat- und Geschichtsverein einen neuen, aktualisierten Kirchenführer herausgebracht, in dem die Kapelle eingehend gewürdigt wird. Doch es lohnt sich, noch etwas tiefer in die Geschichte dieser Kapelle mit ihrem historisch interessanten Umfeld einzudringen. Dazu eignet sich das vom Verein zu seinem 20-jährigen Bestehen 2004 herausgebrachte großformatige und 270 Seiten starke Buch „Die Martinskapelle in Bürgstadt – Zeugnis von Kunstsinn und Glaubenseifer einer Landgemeinde um 1600“ von Dr. Wolfgang Meister, der sorgfältig alle nur denkbaren Fakten zusammengetragen hat. Der Zeitraum seiner Forschungen reicht bis in die Neuzeit. Meister aktualisiert mit seiner umfassenden Recherche den bisherigen Forschungsstand und deckt Spuren auf, die nicht nur Kriegswirren, sondern auch Umbau- und Sanierungssünden an dem eindrucksvollen Bauwerk hinterlassen haben. Doch die Bürgstädter Martinskapelle hat in ihrer Geschichte so manche fahrlässigen wie wohl meinende Eingriffe überstanden und setzt mit ihrer Schönheit jeden Betrachter, Laien wie Fachmann, in nahezu andächtiges Erstaunen.

Die jüngsten Befunde, darunter ein bei der Sanierung aufgefundenes Gerüstholzteil, belegen, dass die Martinskapelle in der ersten Häfte des zehnten Jahrhunderts errichtet worden ist und zu den ältesten Kirchenbauten im fränkischen Raum zählt. Die benachbarte alte Kirche St. Margareta, deren ursprünglicher Grundriss mit dem der Martinskapelle deckungsgleich war, entstand erst 1220, als Bürgstadt, das immer wieder den Besitzer wechselte, dem Erzstift Mainz zugeschlagen wurde. Die Kapelle, Kirche der Mutter- und Urpfarrei im südwestlichen Mainviereck, erhielt von Anfang an das Patrozinium des heiligen Martin, des Reichspatrons der fränkischen Könige und Mainzer Bistumspatrons. Offenbar schon in der Zeit der Ungarnüberfälle wurde sie erstmals zerstört. Ende des 13. Jahrhunderts kamen weitere Beschädigungen dazu. Während die Kapelle als friedliches Symbol immer mehr zerfiel, entstanden um sie herum mit Burgen in Limbach, Freudenberg und Miltenberg Zeichen kirchlich-weltlichen Machtanspruchs. Erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts begann man mit einer Wiederherstellung des Gotteshauses in gotischem Stil.

Erste Wandbemalungen
Schon damals erhielt die Kapelle eine Wandbemalung mit biblischen Szenen, die heute noch zum Teil zu sehen ist. Zum Abschluss der Umgestaltung wurde über einer hölzernen Chorschranke im Chorbogen eine Kreuzigungsgruppe aufgehängt. Außerdem schaffte man die Martinsfigur an, die heute an der Längswand befestigt ist. Sie weist Spuren häufiger Restaurierungen auf, weil sie zu Martinsfesten vor der Kirche aufgestellt wurde, wo die Gläubigen ihre Martinsgaben niederlegten. Der jährliche Ortswechsel führte dabei immer wieder zu Beschädigungen.
Mit Balthasar Häffner, der, ursprünglich aus lutherischem Elternhaus, 1575 als Pfarrer nach Bürgstadt kam, begann für die Martinskapelle eine neue Epoche. Häffner, verärgert über Zwangskonkubinat und Reformation, machte Bürgstadt, wo das Luthertum nie so recht Fuß fassen konnte, zu einer gegenreformatischen Trutzburg. St. Margareta erhielt eine Echter-Haube, um weithin vom Sieg des Katholischen zu künden. Gleichzeitig machte sich Häffner daran, die Martinskapelle für eine Bildkatechese zu nutzen. Dazu nutzte er seine offenbar guten Beziehungen zum Hof des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter. Denn als Maler kam der, obwohl Lutheraner, Nürnberger Andreas Herneisen, der für Echter im Dom, in der Universität und im Juliusspital tätig gewesen war. Von Herneisen stammen die auf Holz gemalten Ornamente an der Decke und die Bemalung des Chors mit den Kirchenvätern und der Vita des Patrons Martin. Leider malte Herneisen auf trockenen Putz (Secco-Technik), weshalb seine Wandbilder durch witterungsbedingte Einflüsse erheblich gelitten haben.

Immer noch Fragen offen
Für viele, die in die Martinskapelle kommen, bilden jedoch die 40 Bibelmedaillons, Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, die Glanzpunkte der künstlerischen Ausstattung dieses heute etwas versteckt liegenden Kleinods. Sie reichen von der Erschaffung der Welt bis zum Pfingstfest und münden in die monumentale Darstellung des Weltgerichts im Chorbogen. Als Maler und Herneisens Nachfolger gilt ein Flach- und Glasmaler aus Sulzfeld am Main, um dessen Lebensgeschichte und Wirken sich immer noch Rätsel ranken. Dafür hat Meister sich nach jüngeren Forschungen in seinem Buch ausführlich dem Vergleich der Medaillons mit den Vorlagen widmen können, Holz- und Kupferstichen holländischer Künstler. Dass diese Medaillons nur wenig an Glanz verloren haben, ist aufwändiger Restaurierung zu verdanken.
Auch die anderen Kunstwerke – etwa der Hochaltar, dessen Stiftung vermutlich mit der Hexenverfolgung in Bürgstatt zusammenhängt, oder der Wendelinusaltar, der an die Wendelinuswallfahrt zur Martinskapelle erinnert – verdienen Beachtung.
„Wir danken allen Verantwortlichen für die Liebe zu diesem Denkmal der Glaubensgeschichte“ hat Weihbischof Helmut Bauer ins Gästebuch geschrieben. Dem kann man sich nur anschließen.

 

Hinweise für Interessierte
Kirchenführer (3 Euro) und Buch (25 Euro) sind über das Pfarramt St. Margareta Mühlweg 17, 63927 Bürgstadt,
Telefon 0 93 71/21 44; E-Mail: „buergstadt@bistum-wuerzburg.de“ erhältlich. Das Buch liegt auch im Rathaus und in Bankfilialen auf.
Besucher melden sich wegen des Schlüssels bei der Gärtnerei Kling, außerhalb der Öffnungszeiten bei der Schreinerei Hofmann, unmittelbar in Nähe der Kapelle.
Spenden für den Erhalt der Kapelle sind mit dem Vermerk „Martinskapelle“ auf dem Konto der Kirchenstiftung St. Margareta Nummer 620 150 128 bei der Sparkasse Miltenberg (BLZ 796 500 00) willkommen.