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      Das katholische Kabarett Cherubim

      Kirche ist, wenn man trotzdem lacht

      Die katholische Kabarett-Gruppe Cherubim hat nach 45 Jahren die Bühne verlassen. Ein Jahr nach ihrem letzten Auftritt verarbeiten sie noch immer den Verlust. Sie sprechen über die Gründe ihres Abgangs und ihre Freundschaft, die sie noch Jahre tragen wird. 

      Ab 1978 spielte das Ensemble Cherubim. Vier Gründungsmitglieder erleben jetzt sein Ende. Eine davon ist die 68-jährige Maria Schmid. Mit Tränen in den Augen blättert sie durch gemeinsame Erinnerungen, in einem Fotoalbum mit Bildern von Auftritten und Plakaten. „Wir hatten nie doppelt besetzte Rollen, weil wir alle Individualisten sind“, erzählt sie.

      Rentnergruppe und Clique

      Eine achtköpfige Kabarettgruppe ist eher unüblich. In dieser Formation spielten sie ab 1993. Die drei Frauen und fünf Männer haben sich in ein gemütliches Wohnzimmer zurückgezogen und sitzen im Kreis. „Jetzt sind wir nur noch eine Rentnergruppe mit monatlichen Treffen“, witzelt Lambert Zumbrägel. Die Rentnergruppe ist vor allem eine Clique, die sich nie institutionalisiert hat. Sie hatten keinen Vorstand oder Regisseur. Nur Schmid hatte ein Amt inne: als Sektbeauftragte.

      Cherubim hat alle Höhen und Tiefen des Lebens miteinander geteilt. Ehen wurden geschlossen, Häuser gebaut und Kinder geboren. Aber es sind auch Eltern gestorben, Beziehungen gescheitert und Krankheiten diagnostiziert worden. Für die Tiefen haben die Kabarettisten einen eigenen Schutzengel. Die goldene Figur wandert immer zu der Person, die ihn gerade am meisten braucht. Aufgrund ihrer Wertschätzung füreinander haben sie nur Programme gespielt, hinter denen alle stehen konnten. „Uns war noch etwas wichtig: Wir sind nie an Glaubensinhalte ran“, sagt Gaby Michelfeit.

      Die ehemalige Seelsorgerin und Pastoralreferentin war zeitweise beruflich im Kahlgrund tätig. Das Ehrenamt war zuweilen herausfordernd, wenn sie nach Auftritten erst spät nach Mitternacht wieder nach Hause kam. Einem zwei bis drei Stunden langen Auftritt gingen zwölf Stunden Vorbereitung voraus: Anfahrt, Herrichtung der Kostüme und Requisiten und Installation der Technik kosteten Zeit. Herausfordernd waren auch bestimmte Themen. „Das Thema Missbrauch hat uns lange beschäftigt“, erläutert Michelfeit. Es sei keines zum Lachen und es sei schwierig gewesen, es kabarett-tauglich zu gestalten. Doch der Anspruch Cherubims war, die kirchliche Themenbandbreite abzubilden. Auch dieses heiklen Themas nahm sich die Gruppe an. 2018 brachten sie es erstmals auf die Bühne. Und auch das Publikum wusste nicht recht, ob Lachen oder Klatschen angebracht ist.

      Blutende Herzen

      „Andere Kabarettisten machen Kabarett, damit die Leute austreten. Wir machten Kabarett, damit sie bleiben“, sagt Jürgen Engel. Außerdem verrät er, dass seine Texte noch griffbereit in der Schreibtischschublade liegen. Und das, obwohl die Darsteller ihren letzten Auftritt 2023 hatten.

      All die Jahre haben sie eigenwillig Glaube und Kirche gelebt. Sie haben sich vor der Bistumsleitung gerechtfertigt, sind vor Bischöfen aufgetreten und haben mit ihrem Publikum gelacht. Und dennoch ein Ende eingeläutet, das sie alle schmerzt. Von blutenden Herzen ist die Rede. Aber warum dann aufhören? Corona habe die Gruppe ausgebremst, sagen sie. Sie machten sich Gedanken über ihr Alter und ob sie noch genug Energie hätten. Schließlich haben sie entschieden, dass sie Cherubim beenden wollen. „In Würde und Einverständnis“, sagt Lambert Zumbrägel, und er bereue es nicht. Es ist eine Entscheidung, hinter der alle stehen.

      Von den Einnahmen ihrer Auftritte haben sie ihre Ausgaben gedeckt. Alles darüber spendeten sie. Über den gesamten Zeitraum ihrer Kabarett-Karriere haben sie 100.000 Euro verschiedenen Projekten und Einrichtungen überlassen. Der letzte Spendenscheck wird am 26. Juli an den Verein „we for future“ in Marktbreit übergeben. Der Verein unterstützt nachhaltige Projekte und Bildungsarbeit in der Region und weltweit.

      Ist ein Comeback Cherubims denkbar? „Wir sind doch nicht die Rolling Stones“, sagt Michael Moser. Doch je länger die Frage im Raum stehen bleibt, desto mehr scheinen sich einige Kabarettisten mit dem Gedanken anzufreunden. Sie vermissen die Bühne und das Publikum. „Interessant wäre zu wissen, ob wir dem Publikum auch fehlen“, sagt Engel. Damit sich die Menschen direkt bei ihnen melden können, hat Cherubim eine Kommentarfunktion auf ihrer Internetseite www.kabarett-cherubim.de eingerichtet und wartet auf Rückmeldungen von Zuschauern.

      Angelina Horosun