Kant:Ja, denn es würde, wenn sie immer wieder Gott „nennen hörten und so genannte Diensterweisungen gegen ihn mit ansähen, dieses entweder Gleichgültigkeit, oder verkehrte Begriffe bei ihnen hervorbringen, zum Exempel eine Furcht vor der Macht desselben.“
Schwester Andrea Greb: Das ist eine sehr aktuelle Frage, weil unsere Schüler teilweise kaum noch etwas an Glaubenswissen von zu Hause mitbringen. Man sollte dieses Wissen schon früh vermitteln, aber man muss es für jedes Alter wieder neu mit Inhalt füllen.
Ulrich Metzger-Obermeier: Jede Altersstufe hat und braucht ihre Form von Religion. Was dazu aber auch gehört ist, dass es sich weiterentwickelt, dass man das zulassen und möglichst fördern soll.
Elke Obermeier: Ja. Aber die religiöse Erziehung, den Bildungsbegriff würde ich weit fassen, da gehört auch die Praxis dazu. Ich würde aber von Anfang an schon in der Familie ansetzen.
Was soll man Kindern und Jugendlichen dazu beibringen?
Kant: Nicht „Gedächtniswerk, bloße Nachahmung und alleiniges Affenwerk, sondern der Weg, den man wählt, muß immer der Natur angemessen sein. Kinder werden, auch ohne abstrakte Begriffe von Pflicht, von Verbindlichkeiten, von Wohl- oder Übelverhalten zu haben, einsehen, daß ein Gesetz der Pflicht vorhanden sei, daß nicht die Behaglichkeit, der Nutzen und dergleichen sie bestimmen solle, sondern etwas Allgemeines, das sich nicht nach den Launen der Menschen richtet.“
Schwester Andrea: Sie sollten sich schon Gedanken über Gott machen. Prinzipiell kann man sich da ganz gut am Glaubensbekenntnis entlanghangeln. Zentrale Begriffe sind für mich: Auferstehung, Menschwerdung, Eucharistie, Erlösung.
Metzger-Obermeier: Weniger etwas von Gott, als vielmehr von Gottes Handeln an den Menschen durch Jesus.
Obermeier: Dass es eine Transzendenz gibt, etwas, was man nicht sehen kann und dass alles, was man in der Kirche feiert, eben sowas ist. Denn ein Kind, mit dem man über den lieben Gott redet, das zweifelt so etwas Abstraktes noch nicht an.
Wie soll man es vermitteln?
Kant: „Zuvörderst muß man alles der Natur, nachher diese selbst aber Gott zuschreiben. Der Begriff von Gott dürfte am besten zuerst analogisch mit dem des Vaters, unter dessen Pflege wir sind, deutlich gemacht werden.“
Schwester Andrea: Manche Dinge muss man einfach auswendig lernen. Damit ist für den Glauben noch nichts gewonnen, aber das ist auch etwas, was ich letztendlich im Religionsunterricht nicht machen kann.
Metzger-Obermeier: Man findet Zugang über Erzählen. Kinder sind sehr empfänglich für Wundergeschichten, weil sie besser als Erwachsene das Wunderbare begreifen.
Obermeier: Dass man sich zum Beispiel Texte aus der Bibel anschaut und daraus sofort folgert, dass die Menschen aus den Geschehnissen Konzequenzen gezogen haben, dass das ja auch was bringt, was da steht.
Kommt Moralität, also sittliches Empfinden, zuerst oder Theologie?
Kant: „Verbindet man Religion nicht mit Moralität, so wird Religion bloß zu Gunstbewerbung. Lobpreisungen, Gebete, Kirchengehen sind nur Vorbereitungen zu guten Werken, nicht aber selbst gute Werke, und man kann dem höchsten Wesen nicht anders gefällig werden, als dadurch, daß man ein besserer Mensch werde. Moralität muß also vorhergehen, die Theologie ihr dann folgen, und das heißt Religion.“
Schwester Andrea: Ich persönlich schöpfe meine Moral aus der Theologie. Aber wir wollen hier niemanden zum Heiligen machen; jeder soll er selbst werden.
Metzger-Obermeier: Zuerst das ethisch gute Handeln.
Obermeier: Das kann man fast nicht trennen. Wenn ich versuche, ein guter Mensch zu sein, lobpreise ich Gott schon und andererseits, werde ich meinen Versuch, gut zu sein, immer damit begründen, dass ich es tue, weil ich gläubig bin.
Was würden Sie Kindern als die wahre Gottesverehrung beschreiben?
Kant: „Daß man nach Gottes Willen handelt.“
Schwester Andrea: Die Liebe Gottes annehmen und erwidern.
Metzger-Obermeier: Abstrakt würde ich sagen, indem ich seine Schöpfung so nutze, wie er sie mir gegeben hat. Konkret: die verschiedenen Formen von Beziehungen zu Gott ausleben. Das kann der Gottesdienst sein, das kann das Miteinander der Menschen sein. Der klassische Gottesdienst mit den Elementen Wort, Gemeinschaftsfeier, aber unbedingt in Formen, die mir was sagen wie beispielsweise ein Jugendgottesdienst. Kants Aussage ist mir zu allgemein. Was ist zum Beispiel Gottes Wille? Der Begriff braucht auch wieder Auslegung.
Obermeier: Ehrlich sein zu mir selbst.
Was erzählen Sie Ihren Schülern von Kant?
Schwester Andrea: Eine besonders große Rolle spielt Kant eigentlich nicht. Seine Ethik und der kategorische Imperativ kommen in der 13. Klasse vor.
Metzger-Obermeier: Man kann ihn in der Zehnten bei der Bergpredigt mit reinnehmen, denn bei der goldenen Regel bei Matthäus „Was andere dir tun, das tu auch ihnen“ bin ich ja im Prinzip beim kategorischen Imperativ. Und dann auch im Grundkurs und beim Thema Willensfreiheit.
Obermeier: Ich habe wenig Erfahrung mit Kant im Religionsunterricht, weil er sehr schwierig ist. In Klasse 12 kommt er im Themenbereich Gotteserkenntnis und Gottesbeweise vor. Und einmal taucht er noch auf, wenn es um Willensfreiheit geht und die Bindung an das moralische Gesetz.