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    Kaffeekochen geht schon

    Ein Wohntraining, erläutert Klaus Seidenstecher, beim Blindeninstitut für die ambulante Betreuung der mehrfach Behinderten zuständig, ist teuer. Schließlich werden die jungen Frauen und Männer, die von zu Hause ausziehen, ein Jahr lang intensiv unterstützt. Dennoch gab der Bezirk Unterfranken als Kostenträger im Jahr 2006 grünes Licht für das Projekt.
    WÜRZBURG. Eigentlich hatte Oliver noch gar keinen Geburtstag gehabt, als er ein erstes Geschenk bekam – einen großen, weißen Kleiderschrank für sein neues Zimmer. Oliver wohnt seit September 2007 nicht mehr zu Hause. Obwohl der 30-Jährige aus dem Kreis Kitzingen hochgradig sehbehindert ist, ist er bei seinen Eltern ausgezogen. Möglich wurde dies durch das Wohntrainingsprojekt der Würzburger Blindeninstitutsstiftung.

    In der Wohngemeinschaft, in der Oliver seit einem dreiviertel Jahr lebt, gilt er als Einzelgänger. Der junge Mann hat am liebsten seine Ruhe, macht die Tür hinter sich zu und beschäftigt sich mit seinem Computer. Gern liest und schreibt er

    E-Mails. Wenn die Buchstaben groß genug sind, ist ihm dies trotz seiner starken Sehschwäche möglich. „Ich bin einfach platt, was Oliver schon alles gelernt hat“, sagt Olivers Mutter Ilona Zull, die es von Anfang an unterstützte, dass ihr Sohn ein Wohntraining beginnt. Kürzlich demonstrierte Oliver ihr, dass er ganz alleine Kaffee kochen kann – obwohl er so wenig sieht. Oliver lernte, das Kaffeepulver zu dosieren, eine bestimmte Menge Wasser in die Maschine zu gießen, den richtigen Knopf zu drücken. Auch Salate kann er inzwischen mit Essig, Öl, Salz und Pfeffer anmachen. All dies sind für Olivers Mutter „kleine Triumphe“. Sie ist froh, dass ihr Sohn rasche Fortschritte beim Selbständigwerden macht. Mit jedem Fortschritt verkleinert sich die Sorge, was wird, wenn sie und ihr Mann einmal nicht mehr leben.

    Die Leidenschaft Internet

    Niklas von der Tann hat mit Oliver die Leidenschaft für das Internet gemeinsam. Am liebsten sucht Niklas günstige Fanartikel von Bayern München im weltweiten Netz. Dazu benötigt er eine Braillezeile und die Sprachausgabe am Computer. Niklas ist noch stärker sehgeschädigt als Oliver: „Ich nehme nur Schatten wahr.“ Wie die anderen Teilnehmer des Wohntrainingsprojekts ist auch Niklas mehrfach behindert. Dennoch durchlief er das erste Wohntraining, das die Blindeninstitutsstiftung im September 2006 angeboten hat, erfolgreich. Seit einem halben Jahr ist Niklas zusammen mit drei sehbehinderten Frauen im ambulant betreuten Wohnen. Dort wird noch immer gelernt. Doch das Quartett, das sich gemütlich in einer ehemaligen Krankengymnastik-Praxis eingerichtet hat, kann schon sehr viel.

    Intensive Betreuung

    Ein Wohntraining, erläutert Klaus Seidenstecher, beim Blindeninstitut für die ambulante Betreuung der mehrfach Behinderten zuständig, ist teuer. Schließlich werden die jungen Frauen und Männer, die von zu Hause ausziehen, ein Jahr lang intensiv unterstützt. Dennoch gab der Bezirk Unterfranken als Kostenträger im Jahr 2006 grünes Licht für das Projekt. Langfristig, so die Hoffnung, werden die Kosten für die Betreuung der Betroffenen sinken. Schließlich muss später, wenn die Eltern die Versorgung nicht mehr übernehmen können, kein teurer Heimaufenthalt finanziert werden. Allerdings: Nicht jedem, der ein Wohntraining durchläuft, gelingt der Sprung ins ambulant betreute Wohnen. Von sechs jungen Menschen, die 2006 an den Start gegangen waren, schafften es aber immerhin vier.

    Wohntraining bringt Freiheit
    Jule Schlüter gehört zu jenen, die erfolgreich waren. Wobei die 21-Jährige offen zugibt, dass sie noch nicht alles „drauf“ hat, um den Alltag alleine bewältigen zu können. Kochen ist für die sehgeschädigte Frau nach wie vor eine heikle Angelegenheit: „Ich habe Angst vor dem spritzenden Fett.“ Den Herd überlässt sie darum gern ihrer Mitbewohnerin Annette Sandner. Auch der Einkauf ist jedes Mal eine Herausforderung. Die kleinen Münzen machen Jule zu schaffen. Es ist für sie so schwer, sie zu unterscheiden. Was die junge Frau nicht davon abhält, in den Supermarkt zu gehen. Überhaupt: Alle Teilnehmer des Wohntrainings brauchen Mut und haben Mut. Sie werden, wie es Niklas von der Tann ausdrückt, durch etwas Großartiges belohnt: „Freiheit!“