Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Probeabo des Magazins bestellen

Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt erfahren Sie im Sonntagblatt.

    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

    Mehr
    Vortragsabend über koscheres Essen im Jüdischen Gemeindezentrum „Shalom Europa“

    Jüdische Tradition erschmecken

    Die Welt der jüdischen Tradition ist komplex. Um den Teil mit dem koscheren Essen besser zu verstehen, sind an diesem Abend 30 Frauen und Männer in das jüdische Gemeindezentrum „Shalom Europa“ in Würzburg gekommen.

    Die altersmäßig bunte Truppe – vom jungen Ehepaar bis zum Senior – wartet auf Alexander Shif. Der stattliche Mann Anfang 50 wird in der Würzburger Synagoge den Teilnehmern der Exkursion „Koscher essen" die koscheren Speisen und die jüdischen Speisegesetze, die „Kaschrut“, erklären. 

    Der Vortrag und das anschließende gemütliche Beisammensein samt Testessen jüdischer Gerichte sind Teil der ökumenischen Reihe „Fokus Religionen“. Organisiert wird die Reihe von der Katholischen Akademie Domschule, dem Evangelischen Bildungszentrum Rudolf-Alexander-Schröder-Haus und dem Referat Interreligiöser Dialog und Weltanschauungsfragen der Diözese Würzburg.

    Man merkt Shif an, dass er für sein Thema brennt – der gebürtige St. Petersburger kümmert sich in Würzburg hauptberuflich um die Jugendlichen der momentan rund 900 Mitglieder zählenden jüdischen Gemeinde. Aus ihm spricht die Begeisterung für die jüdischen Traditionen, die er – gewürzt mit Anekdoten und plastischen Beispielen – in seinem Vortrag an die Zuhörer weitergibt. Ein durchaus anspruchsvolles Unterfangen: Wenn man die jüdischen Speisegesetze bis ins Detail befolgen will, bedarf es intensiver Beschäftigung und nicht geringer Mühen.

    Doch wozu gibt es solch eingehende Vorschriften, die in der Tora, also den fünf Büchern Mose, Teil der heiligen Schrift der Juden, nicht begründet und trotzdem unbedingt einzuhalten sind? Aus Shifs Sicht geht es im Wesentlichen um die Identität seines Volkes: „Kaschrut, die jüdischen Speisegesetze, haben die jüdische Gemeinde zusammengehalten“, bringt er es auf den Punkt.

    Was für Juden beim Essen erlaubt ist

    „Koscher“ heiße erst einmal nur passend, berichtet Shif. Das Wort kommt übrigens aus dem Jiddischen. Aber was muss da passen? Drei Aspekte gelte es zu beachten, wenn Fleisch als „koscher“ gelten soll: die Tierart, den Vorgang der Schächtung (Anm. d. Red.: eine spezielle Form des Schlachtens) und Untersuchung des Fleisches sowie die Zubereitung. Koscher, also das, was ein Jude oder eine Jüdin den Gesetzen der jüdischen Religion nach essen darf, sind nur Wiederkäuer und Paarhufer, also Rind, Schaf, Ziege, Hirsch und Reh. Auch koscheres Geflügel gibt es. Huhn, Truthahn, Ente, Gans, Schwan, Taube und Wachtel zählen dazu. Sollen Fische als koscher gelten, müssen sie Flossen und Schuppen besitzen – das trifft auf Süß- und Salzwasserfische wie beispielsweise Karpfen, Lachs, Thunfisch, Makrele und Scholle zu. Damit die „erlaubten” Tierarten verzehrt werden dürfen, müssen sie vorschriftsgemäß durch einen anerkannten Schächter geschlachtet werden. Das Messer müsse dabei so scharf wie die Klinge eines Rasiermessers sein, berichtet Shif.Die Grenzen des Genusses seien klar geregelt, referiert der Fachmann: Wohl sei es erlaubt, Fisch und Fleisch bei derselben Mahlzeit von getrennten Tellern zu essen. Verboten sei es hingegen, Fisch und Fleisch vom selben Teller zu verzehren. Strikt getrennt zu konsumieren sind nach den jüdischen Speisegesetzen Fleisch und Milch – wobei Kuhmilch, Schafmilch und Ziegenmilch als koscher gelten. Die Folge: Zwischen dem Verzehr von Fleisch und Milch muss eine Wartezeit eingehalten werden. Je nach Auslegung der Kaschrut beträgt sie drei oder gar sechs Stunden. Nach dem Verzehr von Milchigem hingegen müsse man, wenn man den Mund ausgespült habe, nur eine halbe Stunde warten, bis man Fleischiges essen dürfe. „Parve” Produkte – wie etwa Wasser, Mehl oder Eier –, die neutral seien, da sie weder Fleisch noch Milch enthalten, dürften mit beidem verzehrt werden.

    Ungewohnter Geschmack, aber gut

    Aus Sicht einer Teilnehmerin lassen sich die Bestimmungen der Speisegesetze für die koschere Küche nur schwer umsetzen. In der Tat erfordert koscheres Kochen einen erheblichen Aufwand – trotzdem bemühen sich viele Juden die Regeln einzuhalten. Eigentlich müsste es in einer koscheren Küche zwei Küchen, einen „fleischigen“ und einen „milchigen“ Teil mit jeweils eigenem Herd, Geschirr und Spülbecken geben.

    Manche Rabbiner verlangten auch zwei Geschirrspüler, erklärt Shif. Wenn Fleisch und Milch kalt seien, dürfen sie allerdings nebeneinander in den Kühl- oder Gefrierschrank. Bei allen Regeln – später wird Shif darauf hinweisen, dass es im Judentum keine Todsünde gibt: „Jeden Fehler, den man macht, kann man nachbessern.“ Dies gelte auch für Verstöße gegen die Speisegesetze.

    Nach der intensiven Informationseinheit in der Synagoge machen die Teilnehmer dann endlich im Speisesaal des Gemeindezentrums beim Testessen erste eigene praktische Erfahrungen mit der koscheren Küche. Auf die hungrigen Gäste warten herzhafte Gerichte europäischer Tradition: „Forschmak mit Chren“, also Heringspastete mit Meerrettich, „Kartoffel Kugl“, ein Kartoffelauflauf, „Tscholent“, ein herzhaftes Gulasch mit Bohnen, und der Honigkuchen „Leikes“.

    Auch Speisen der Mittelmeerküche, wie Humus, Pita mit Falafel und der sogenannte Israelische Salat, ein Olivensalat, stehen zum Probieren bereit. Das Farbspiel der Gerichte wirkt mit Grau, Violett, Hell- und Dunkelbraun, Orange und Hellgrün zunächst wenig vertraut. Das Resümee der nicht-jüdischen Teilnehmer fällt dann unterschiedlich aus: Für Peter sind die „ganz anderen Gewürze“ völlig ungewohnt, und mit dem „ungewöhnlichen“ Geschmack kann sich Bärbel nicht sofort anfreunden. Ingo, der mit seiner Frau gekommen ist, allerdings sagt: „Uns hat alles geschmeckt“.

    Faszinierende Tradition

    Elena, Mitglied in der jüdischen Gemeinde, hilft beim Auftragen der Speisen. Gerne verrät sie ihre Lieblingsspeise: Gefilte Fisch – jiddisch für „gefüllte Fische“ – ein kaltes Fischgericht aus gehacktem Fleisch, das häufig als Klößchen serviert wird. Das vor Jahrhunderten wohl in Zentral- oder Osteuropa entstandene Traditionsgericht gilt in Europa und Nordamerika als „die“ jüdische Speise schlechthin. Das Kochen habe sie von ihrer Mutter gelernt, berichtet Elena. Allerdings sei es nicht immer einfach, zu Hause koscher zu kochen – verständlich angesichts der vielen Regeln. „Aber am Sabbat bemühe ich mich, alles gut zu machen", sagt sie und lächelt.

    Und Shif? Auch wenn in der jüdischen Orthodoxie die Frau für den Haushalt zuständig ist – der gebürtige Russe kocht meistens selbst. „Ich mache das gerne“, sagt er. Auch wenn er sich durch die Speisegesetze manchmal eingeengt fühle, wie er nach der Veranstaltung erzählt. Wirklich koscher isst er erst seit einem Israelaufenthalt im Jahr 2006. Sein persönliches Lieblingsgericht? „Kreplach“, mit Fleisch gefüllte Teigtaschen, vergleichbar etwa großen Ravioli, verrät Shif. Und wo bekommt man die Zutaten für Kreplach, Gefilte Fisch und Co. in Würzburg? Die koscheren Speisezutaten beziehe die Gemeinde etwa über einen Online-Lieferservice. Einen koscheren Lebensmittelladen gibt es, laut Shif, in Würzburg nicht.

    Am Schluss wirkt Referent Alexander Shif zufrieden – der Abend ist ein Erfolg. „Ich bin von der Tradition fasziniert“, gesteht er. „Gott hat mich nicht umsonst nach Deutschland geschickt. Wir müssen Kontakt mit der Welt haben, wir müssen von unserer Tradition erzählen.“ Und das bedeutet manchmal eben auch sie Gäste erschmecken zu lassen.    

    Stefan W. Römmelt