In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen. Wer mich nicht liebt, hält an meinen Worten nicht fest. Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht. Ihr habt gehört, dass ich zu euch sagte: Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück. Wenn ihr mich lieb hättet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich. Jetzt schon habe ich es euch gesagt, bevor es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt.
Johannes 14,23–29
Ältere Menschen klagen heute oft darüber, dass sie sich isoliert und einsam vorkommen. Einmal mehr erleben und erleiden sie jetzt die Grundwahrheit: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt“ (Gen 2,18). Für die Gemeinschaft sind wir geschaffen. Das gehört zu unserer Menschenwürde. Davon spricht auch der heutige Evangelienabschnitt aus den Abschiedsreden Jesu beim Evangelisten Johannes. Da ist nämlich durchgängig vom „Beistand“ die Rede, von mutmachenden, helfenden Beziehungen, von Liebesbeziehungen, die jedem Menschen von Gott zugedacht sind. Diese Liebesbeziehungen sind erlösend und heilend für Jung und Alt, für Starke und Schwache, für Gesunde und Kranke.
Den lebensentscheidenden Beistand hat Gott der ganzen Menschheit geschenkt in Jesus aus Nazaret, den die Menschen seiner Zeit als Gottes Sohn und Erlöser kennen, schätzen und lieben gelernt haben. Leute, die mit ihm zusammentrafen, atmeten in seiner Nähe auf, fühlten sich geborgen und verstanden, empfanden Freude und einen Frieden, wie sie ihn sonst nirgends erlebten. Jesu Zuneigung tat einfach gut. Ob sie der fieberkranken Schwiegermutter des Petrus geschenkt wurde oder den Blinden und Gelähmten. Auch Menschen mit verfahrenen Lebensgeschichten fanden in Jesus einen, der mit ihnen die ersten Schritte in ein neues Leben ging. Jesus erwies sich als das lebendige Verständnis, als Beistand und Halt, als Mutmacher für Unsichere und Schwankende, für Verzagte und Enttäuschte.
Eine Liebesbeziehung keimte auf. „Wenn einer mich liebt“, konnte Jesus sagen, „wird er an meinem Wort festhalten.“ Daran wird Gott seine Freude haben; denn nun ist seine Liebe zu uns Menschen angekommen. „Mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.“ Einsamkeit und hilfloses Alleinsein haben ein Ende.
Doch genau da beginnt das Problem für nicht wenige heute. Sie meinen: ist ja alles schön und gut, was da Jesus seinen Landsleuten und Zeitgenossen getan hat. Würde uns ja auch ganz gut tun, so ein Jesus. Aber leider: Es war einmal.
Welch grandioser Irrtum! Denn Jesus spricht von der Zeit nach seinem Weggang von dieser Erde. Er spricht genau unsere Situation an. Wir werden, sagt er, von Gott einen anderen Beistand bekommen; einen „Jesus in Fortsetzung“ sozusagen: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und an alles euch erinnern, was ich euch gesagt (und getan) habe.“ Jesus hat also einen Stellvertreter: sein Geist ist es, der bei uns bleibt. Jesus ist greifbar da, und verbreitet heute wie damals die gleiche Atmosphäre von Güte, Zuwendung, Verständnis, Vertrauen. Sein Hauch, sein Geist, ist Jesu Geist, ist Gottes Geist, ist heilender, heilsamer, heiliger Geist. Der Heilige Geist ist – könnte man sagen – Jesus auf andere Weise; aber Jesus selbst. Jesus meint greifbare Leute, wenn er vom Heiligen Geist spricht. Er meint die „Gemeinschaft des Heiligen Geistes“, meint uns, die Kirche. Jeder, der einem anderen beisteht, ist Jesu Stellvertreter, handelt im Heiligen Geist; selbst dann, wenn ihm selbst das gar nicht bewusst ist. Ein Einzelner kann natürlich nicht Jesu Güte und Treue voll erreichen. Deshalb beruft Jesus viele, bildet ein „soziales Netz des Heiligen Geistes“ aus unzähligen Begabungen, die sich alle in dem Vertrauen einbringen, dass andere ergänzen werden. Ersetzen können sie niemanden!
Der Autor ist Pfarrer in Ruhe und Altenseelsorger im Dekanat Würzburg links des Mains.