Einer alten Sage zufolge fand ein Schäfer aus Kothen einst eine Marienfigur auf dem Ehrenberg, die er in die Kirche des Ortes brachte. Nachdem die Figur mehrmals wunderbarerweise zu ihrem Fundort zurückgekehrt war, errichtete man auf dem Berg eine Kapelle. Über dieses altbekannte Motiv hinaus ist die Entstehung der Wallfahrt auf den Ehrenberg geschichtlich genau zu fassen: So stellten im Jahre 1521 die Kothener mit Zustimmung des Fuldaer Fürstabtes einen Heiligenstock auf dem damals Orensberg genannten Berg auf. Sofort setzte großer Zulauf ein, so dass bereits 1522 eine erste Kapelle erbaut wurde. Eine Rolle bei der Entstehung der Wallfahrt spielte möglicherweise auch der Wunsch nach einer Fortführung der Wallfahrt zur Mutter der Barmherzigkeit im thüringischen Grimmenthal, die Martin Luther vehement angegriffen hatte. Doch auch in der Rhön fand die Wallfahrt bald starke Gegner: So beklagte 1523 ein Mottener, dass man mit dem Bau der Kapelle die „Ketzerey und Buberey eyner wallfahrtt“ aufgerichtet habe; nur der damalige Landesherr aus Fulda konnte das schnelle Erlöschen der jungen Wallfahrt verhindern. Auch in der Folgezeit förderten die Fuldaer Fürstäbte den Ehrenberg sehr: So erbaute Joachim von Grafenegg 1666 eine neue Kapelle, die 1695 unter Placidus von Droste vollendet wurde. 1731 ließ Adolf von Dalberg das heutige Langhaus anfügen. Mit dem Bau der beeindruckenden Treppenanlage ab 1736 begann die Blütezeit des Ehrenberg. Einen kleinen Rückschlag brachte Fürstbischof Heinrich von Bibra, der die Wallfahrtskirche 1787 schließen und das Gnadenbild nach Kothen bringen ließ. Doch bereits zwei Jahre später machte Bibras Nachfolger diese Maßnahmen wieder rückgängig. Auch als der Ehrenberg 1816 zu Bayern und 1821 zum Bistum Würzburg kam, hielt der Zustrom der Wallfahrer aus dem Fuldaer Land an: Der Maria Ehrenberg wurde zum grenzüberschreitenden Marienwallfahrtsort der hessischen und fränkischen Rhön.
Ehrenberg verlassen
1937 kam der Maria Ehrenberg im neuen Truppenübungsplatz Wildflecken zu liegen. Ersten Planungen zufolge sollte die Kirche gesprengt und das Gnadenbild auf den Volkersberg oder nach Windheim übertragen werden. Mehrere tausend Gläubige nahmen im Oktober 1937 in einer großen Feier Abschied vom Ehrenberg. Erst das mutige Engagement von Oberstleutnant Richard Fleischhauer, Pfarrer Engelbert Kreuzer und Generaloberst Friedrich Dollmann führte dazu, dass man am 13. Mai 1938 den „Rettungsbescheid“ für den Ehrenberg in Händen halten konnte. Auch nach 1945 war durch das Entgegenkommen der US-Army und seit 1993 der Bundeswehr der Besuch an vereinbarten Tagen möglich. Seit 1956 regelt ein Vertrag zwischen der Pfarrei Kothen und der Bundesrepublik Deutschland den Zugang zur Kirche. Im Jahr 1958 wurde die Kirche durch einen modernen Chorbau von Hans Schädel erweitert, der an die Stelle der baufälligen Gnadenkapelle von 1666 trat. Östlich der Kirche entstand ein großer Platz mit Freialtar. Bei der Renovierung im Jahr 2000 wurde der Altarraum durch Friedrich Koller neu gestaltet; 2002 kam ein freistehender Glockenturm hinzu.
Damals wie heute ist die Verbundenheit mit dem nahen Fulda groß: „Für das Bistum Fulda ist der Ehrenberg der zentrale Marienwallfahrtsort“, erzählt Pfarrer Michael Krammer, der seit Oktober 2005 als Seelsorger von Kothen und Motten auch für den Ehrenberg zuständig ist. Hinzu kommen Pfarreiwallfahrten aus der Umgebung sowie Pilger aus ganz Unterfranken, aus Teilen Ober- und Mittelfrankens sowie zunehmend auch aus Thüringen. 20000 bis 25000 Menschen sind es nach Schätzungen von Krammer alljährlich. Hauptwallfahrtstag mit bis zu 10000 Besuchern ist das Fest Mariä Himmelfahrt, das bereits am Vorabend mit Lichterprozession und Nachtwache begonnen wird. Neben den Marienfesten ist auch die gelobte Wallfahrt der Dörfer Kothen, Motten und Speicherz ein ganz besonderes Ereignis: Zum Dank vor Verschonung durch die US-Truppen bei Kriegsende 1945 pilgern die Dorfbewohner stets am 1. Mai auf den Berg.
militärischen Sperrgebiet
Wer selbst eine Wallfahrt zum Ehrenberg plant, muss einiges beachten, denn der Gnadenort ist wegen seiner Lage im militärischen Sperrgebiet nur eingeschränkt zugänglich. Für das volle Wallfahrtserlebnis sollte man den Ehrenberg über die mitten im Wald gelegene Treppenanlage mit ihren 252 Stufen erklimmen, die wie eine Himmelsleiter in den Himmel weist. Am Fuß der Treppe heißt den Besucher die erste von drei Marienfiguren willkommen, die mit drei Plateaus die Treppenanlage gliedern und den freudenreichen, den schmerzensreichen und den glorreichen Rosenkranz versinnbildlichen. Einem traditionellen Segensgestus folgend, berühren Pilger den Fuß der Statuen und bekreuzigen sich, dann geht es betend den Berg hinauf – Stufe für Stufe, Absatz für Absatz, Gesätz für Gesätz.
Oben angekommen überraschen die friedliche Stille und Ruhe des Ortes – eine Insel in der Hektik des Alltags. Beim Betreten des Kirchenraums wird der Pilger sofort von der im Altarraum grüßenden „Mutter der Barmherzigkeit“ in seinen Bann gezogen. Das Gnadenbild, eine sitzende spätgotische Madonna mit Jesuskind aus der Zeit um 1400, ist nicht nur für Krammer der Inbegriff des Barmherzigen: „Mit der Rechten lädt Maria ein, zu ihr zu kommen, während sie auf der Linken Christus als Spender aller Gnaden präsentiert, der sich uns zuwendet, der Leben und Tod mit uns geteilt hat und der uns teilhaben lässt an der Erlösung.“ Seit der Umgestaltung im Jahr 2000 wird die geschnitzte Figur von einer goldenen Scheibe umrahmt: „Als bewusste Anspielung an das biblische Wort der von der Sonne bekleideten Frau und Fokus, dem man sich kaum entziehen kann“, weiß Pfarrer Krammer.
hier nahe bei Gott
So oft es geht, feiert er im Übrigen den Gottesdienst auf dem Ehrenberg selbst und hat dabei meist „volles Haus“. „Das ist mein Doping“, meint er lachend, denn Wallfahrtsseelsorge bedeute letztlich eine „intensive Begegnung mit Gott und den Menschen“. Den vielen Pilgern und Trostsuchenden möchte Krammer schließlich vor allem eines mit auf den Weg geben: „Dass es richtig war, hier herauf zu kommen und dass sie ihre Anliegen bei Gott wissen dürfen: Denn die Mutter der Barmherzigkeit tritt für uns bei Christus ein und führt uns in seine unendliche und vorbehaltlose Liebe.“
Tipps und Fakten
Wallfahrtsfeste: 14./15. August 2008 Hauptfest Maria Himmelfahrt, 7. September 2008 Mariä Geburt, 28. September 2008 Michaels-Fest, 5. Oktober 2008 Rosenkranz-Fest, 26. Oktober 2008 Abschluss des Wallfahrtsjahres.
Lage: Wegen der besonderen Lage im Truppenübungsplatz Wildflecken ist die Wallfahrtskirche nur eingeschränkt zugänglich. An Sonn- und Feiertagen von Mai bis Oktober von 10 bis 17 Uhr Zufahrt über die Platzrandstraße (Abzweigung ausgeschildert von der B 27 bei Kothen Richtung Truppenübungsplatz Westtor). Außerhalb dieser Zeiten ist die Schranke geschlossen. Von Montag bis Samstag Zugang nur nach vorheriger Rücksprache mit dem Katholischen Pfarramt Kothen und nach Genehmigung durch die Kommandantur des Truppenübungsplatzes Wildflecken. Anmeldung vier Wochen vorher!
Gottesdienste: An Sonn- und Feiertagen (außer Christi Himmelfahrt, Fronleichnam und 3. Oktober) um 10.30 Uhr Messfeier.
Beichtgelegenheit: An Sonn- und Feiertagen (außer Christi Himmelfahrt, Fronleichnam und 3. Oktober) 10 Uhr.
Andachten: An den Wallfahrtsfesten jeweils um 15 Uhr Andacht. Im Rosenkranzmonat Oktober jeden Sonntag um 15 Uhr Rosenkranzandacht.
Kontakt: Katholisches Pfarramt Kothen und Motten, Herrengasse 21, 97786 Motten, Telefon 09748/208, Fax 09748/1088. E-Mail: „pfarrei.kothen@bistum-wuerzburg.de“.
Internet: „www.maria-ehrenberg.de“.