Sich zwischen hunderten Ausstellungsstücken nicht zu verlieren, kann ganz schön schwierig sein. Das Museum am Dom (MAD) schafft Abhilfe – zunächst mit einem grafisch gestalteten Entscheidungsbaum an der Wand. Hier werden die angebotenen Characterwalks (mit den Originaltiteln Handwerker*in, Kunsthistoriker*in, Philosoph*in und Zeitreisende*r) kurz beschrieben. Entsprechendes Heft mitnehmen, und los geht’s. Natürlich bleibt es möglich, als Freigeist ohne Broschüre durch die Räume zu gehen. Pro Characterwalk werden bis zu zwölf Kunstwerke besprochen – in deutscher wie englischer Sprache – die wiederum mithilfe von Lageplan, farbigen Markierungen und Piktogrammen gefunden werden. An jeder Station warten zusätzliche Erläuterungen, vergleichende Abbildungen oder QR-Codes.
Die Broschüren hat ein Autorentrio entwickelt: Dr. Wolfgang Schneider, Diözesankonservator und stellvertretender Leiter der Abteilung Kunst im Bistum Würzburg, sowie die MAD-Kuratoren Michael Koller und Christoph Deuter haben dafür ihre Lieblingsstücke aus der Sammlung ausgesucht und die Beschreibungen dazu verfasst. Koordiniert hat das Projekt Dr. Jürgen Emmert, Leiter der Abteilung Kunst im Bistum, zusätzliche Unterstützung kam durch das Designbüro bungalow, welches das Museum bereits bei seiner Neuaufstellung zum Museumsjubiläum im vergangenen Jahr begleitet hatte. Bei einem Testlauf im Frühjahr 2023 gaben Besucherinnen und Besucher ihre Anmerkungen zur ersten Auflage der Characterwalks ab. Schon damals wurde positiv bewertet, dass sie zusätzliche Informationen zu den Werken geben, aber darüber hinaus eher Fragen aufwerfen als Interpretationen vorgeben.
Handwerker und Philosophen wissen Rat
Kunst regt zum Nachdenken an. Wer sich mit den großen Fragen des Lebens auseinandersetzen will, greift zur Broschüre „Philosoph*in“ und kann vor dem Gemälde „Abziehendes Gewitter“ von Wolfgang Mattheuer, auf dem sich ein Regenbogen von einer Gewitterwolke bis zur Erde spannt, über das Prinzip der Hoffnung nachdenken. Um Kunstwerke besser zu verstehen, sind auch technische und handwerkliche Aspekte interessant. Wo kamen die Farben im 16. Jahrhundert her? Ist ein Kunstwerk vegan? Wie wurde es kopiert? Hier hilft der Characterwalk „Handwerker*in“, der Hinweise zu Materialien und Fertigung gibt. So werden Abläufe beim Guss von Bronzeplastiken erklärt, aber auch die Bearbeitung von Elfenbein oder die Frage nach gemalten Reflexen in den Augen der dargestellten Figuren.
Die Augen schließen – und spüren
„Zeitreisende“ erfahren mehr über die sozialen und politischen Verhältnisse, in denen ein Kunstwerk entstand. Sie lernen vor dem Gemälde „Heiliger Josef mit Jesuskind und Distelfink“, dass im 18. Jahrhundert kleine Vögel gezähmt wurden, indem man ihnen einen Faden ums Füßchen band. Selbst Walfang in der frühen Neuzeit kann so zum Thema beim Museumsbesuch werden. Wer sich den Werken genau nähern will, gerne Symbole und Zeichen entschlüsselt, greift schließlich zur Broschüre „Kunsthistoriker*in“ – die Ansätze zur Interpretation vorschlägt. Kurator Michael Koller empfiehlt dennoch, auch Emotionen zuzulassen: „Schließen Sie die Augen, spüren Sie in sich hinein. Das kann mehr nutzen als gleich zu analysieren.“
Bei den Verantwortlichen überwiegt die Freude darüber, dass die neuen Hefte nach vier Jahren Vorlauf endlich genutzt werden können. „Wir geben einerseits Anregungen, und andererseits die Freiheit, das MAD so zu besuchen wie gewünscht“, meint Jürgen Emmert. „Wir werden mehr und mehr zu einem Museum für alle Menschen, die Characterwalks sind ein weiterer Schritt dorthin“, ergänzt Michael Koller, gibt aber zu: „Ein Themenheft für Familien mit Kindern ist ebenso ein Desiderat wie eine Broschüre in leichter Sprache.“ An aktuelle Bedürfnisse angepasst werden können die bestehenden Broschüren sowieso: Die Erstauflage beträgt 500 Stück pro Charakter, kleine Änderungen beim Neudruck sind ohne allzu großen Aufwand machbar.
Programmvorschau im MAD
Im ersten Halbjahr 2025 werden wieder regelmäßig angeboten: Führungen für unterschiedliche Zielgruppen, der freie Eintritt jeden ersten Sonntag im Monat oder die Kunstkantine in der Mittagspause am zweiten Dienstag des Monats. Noch bis 19. Januar 2025 sind in der Sonderausstellung „Weihnachtliches Intermezzo“ die Maria der Hoffnung aus Astheim und die Dettelbacher Klosterkrippe ausgestellt. Vom 1. Februar bis 13. April 2025 werden im MAD-Lab vier Würzburger Domherren-Portraits des 18. Jahrhunderts gezeigt. Zeitgleich findet die MAD-Intervention „Unendlichkeit – Herbert Mehler und Sonja Edle von Hoeßle“ statt. Vernissage ist am Abend des 31. Januar. Info auf www.museum-am-dom.de