Früh im Jahr geht es los
Immer ab dem 1. März verhilft er seinem Garten zu neuem Leben – für einen Sommer. Dann beginnen seine Arbeiten und die Vorbereitung der Beete. Mit einem Freund hatte er vor 16 Jahren eine Idee: Ein kleiner Garten sollte aufgehübscht werden. Die Männer pflanzten 57 Dahlien entlang einer Hecke und düngten sie mit viel zu viel Blaukorn. Das Resultat waren sehr hoch geschossene, ansehnliche Dahlien, die das Interesse von Radlern und Wanderern am vorbeiführenden Weg weckten. Dahlien mochte Seufert immer schon, mit dem Gärtnern ist er aufgewachsen. Also hat er zusammen mit einem Freund eine kleine Dahlienschau in der Presse beworben – und die Besucher haben das Gärtchen überrannt. Angespornt durch das immense Interesse vergrößerten sie ihre Schau; dazu musste 2006 ein größeres Grundstück her, Dahlien wurden beschafft. Dann begann Seufert die Pflanzen zu vermehren. Dabei lernte er viel über das besondere Gewächs.Der Gärtner versucht sich auch an der Vermehrung durch Samen, um neue Züchtungen zu kreieren, Stecklinge gibt es ebenfalls in hoher Zahl. In jedem Frühjahr gräbt er rund 7000 Dahlienknollen in die Erde. 800 Sorten umfasst sein Sortiment, die kleinste Balldahlie ist so groß wie ein Daumennagel, die größte Dekodahlie hat den Durchmesser eines Kuchentellers.
Knochenarbeit pur
Was Seufert antreibt, ist eine zum Beruf gewordenen Passion. „Es ist die Ruhe hier, die Langsamkeit des Gedeihens. Ich muss mich damit arrangieren, was die Natur vorgibt.“ 20 Jahre lang war er in Werbung und Marketing tätig, bis 2015 noch freiberuflich. Die Werbeflut wurde ihm unerträglich. „Jede Woche habe ich rund 70 Stunden gearbeitet und mich nach dem Sinn gefragt.“ Die Entschleunigung in seinem Leben hatte ihren Preis. Jetzt läuft er mit einem Schubkarren und einem kleinen Messer in der Hand durch die langen Reihen und sucht nach verwelkten Dahlienblüten. Eine recht schweigsame Dame mittleren Alters habe ihm einmal unentgeltlich geholfen, erzählt er. Nach Wochen, in denen sie meistens schweigend mitgearbeitet hatte die Beete zu pflegen, verriet sie ihr Geheimnis. Ihre Therapie gegen die Depression würde sie nun einstellen, sagte sie. Inmitten der Dahlien sei ihr so Einiges klar geworden. Seufert lächelt. Diese hellen Tage, die Farbigkeit seiner Blumen – das sei seine Kraftquelle für die Sorgen. Er arrangiert sich mit vielem, um seinen Traum inmitten von Obstbaumplantagen und mit Blick auf die Berge leben zu können. Die Sorge um seine private Existenz ist präsent, denn er lebt von seinem Dahlienparadies. In den wenigen Monaten der Saison läuft alles gleichzeitig ab: die Pflege des Gartens, Kundenaquise und die Betreuung der Besucher. Für große Werbung fehlen Geld und Möglichkeiten – denn das Plakatieren ist in Lindau verboten. Der Lärm des Rasenmähers stört Anwohner, die Tatsache, dass er auf einem landwirtschaftlich zu nutzenden Grund und Boden „nur“ Blumen pflanzt, ärgert die Behörden. Und Stefan Seufert kann mit keiner finanziellen Unterstützung oder Förderung rechnen; dass sein Garten eben auch zahlreiche Besucher in die Stadt und das Umland lockt, scheint da nur ein schwaches Argument zu sein. Und soziale Projekte, die er im Rahmen des Gartens iniitiert hatte, erhielten keine Unterstützung. Seufert musste sie einstellen. So wurde die Dahlie zu seinem Mittelpunkt: Besucher zahlen Eintritt. Sie können blühende Dahlien bereits kaufen und im Herbst abholen. Auf einem Feld zieht er Schnittdahlien für umliegende Geschäfte und fahrende Händler groß. Dass er in den vergangenen drei Jahren Hartz IV beantragen musste, daraus macht Stefan Seufert keinen Hehl. Es sei schwer, den Kopf über Wasser zu halten, die nötigen Gewinne in nur wenigen Wochen zu erzielen, die ihm und auch seiner Dahlienschau das Überleben sichern. „Aber ich bin optimistisch. Ich tue hier etwas, das den Menschen Freude bereitet.“In Führungen quer durch den Schaugarten erklärt er die Geschichte dieser für ihn außergwöhnlichen Blume, berichtet von seinen Erfahrungen rund um die Pflanzen, verrät Tipps und Tricks. Senioren-, Gartenbau- und Heimatvereine besuchen ihn gern. Launig und heiter gestaltet er solche Termine bei Kaffee und Kuchen, wenn es die Zeit noch zulässt.