Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Probeabo des Magazins bestellen

Lernen Sie das Sonntagsblatt kennen – kostenlos und unverbindlich

    Lernen Sie das Sonntagsblatt kennen – kostenlos und unverbindlich

      Mehr
      Im Advent kommen viele deutsche Touristen nach Rothenburg ins Weihnachtsdorf

      Im Glitzer-Rausch

      Die Weihnachtskugel soll auch in Fernost und im amerikanischen Westen den Hauch von deutscher Weihnacht spürbar machen. Anders ist es wohl nicht zu erklären, dass im strömenden Dezember-Nieselregen eine Traube von asiatischen Touristen vor der roten Kordel am Eingang des Rothenburger Weihnachtsdorfes herumdrängelt, zwei Minuten vor Öffnung des Geschäfts von Käthe Wohlfahrt.

      Einmal den Weihnachts-Glitzer-Rausch erleben, ist für jährlich 1,9 Millionen Touristen ein Muss. Felicitas Höptner, Leiterin des Deutschen Weihnachtsmuseums, das sich im gleichen Gebäude wie eines der Geschäfte befindet, lädt mit freundlichem Lächeln dazu ein, die Kordel zu umrunden – sehr zum Missfallen einer japanischen Touristin, die gleich mal hinterherschubst. Höptner lacht: „Die können es kaum abwarten, reingelassen zu werden.

      Interesse an der Tradition

      Die deutsche Weihnachtskultur zieht in diesen Wochen besonders deutsche Touristen an. „Wir bemerken einen Trend: vermehrt kommen junge Familien zu uns; oft haben sie gespart, um nun ihre eigene Familientradition zu schaffen.“

      Das kann man in Rothenburg unbenommen. Denn Käthe Wohlfahrt setzt auf echtes Kunsthandwerk, und das hat seinen Preis. Den zahlen aber nicht nur deutsche Familien gerne, gerade auch Touristen aus Übersee und Asien, die im Winter von Würzburg und Miltenberg mit Schiff und Bus anreisen, möchten an der „echten“ deutschen Weihnacht teilhaben. Dabei geht es nicht nur um Kitsch – Japaner, so berichtet Felicitas Höptner, hätten ein großes Interesse an der deutschen Weihnachtstradition. „Das Christliche ist ihnen nahe, denn viele haben einen ähnlichen Glauben wie wir.“

      Hin und wieder sind es aber auch Besucher aus den USA oder Australien, die großes Interesse am Weihnachtsbaumschmuck oder Räuchermännchen haben. „Nicht selten haben sie deutsche Vorfahren oder ein weihnachtliches Erbstück in der Familie. Und während ihrer Reise durch Deutschland möchten sie dieser Tradition auf den Grund gehen“, erklärt Höptner. Darum sind die Mitarbeiter des Unternehmens darin geschult, Auskünfte zu geben. Und wer dann noch mehr wissen möchte, folgt den Hinweisschildern der Treppe nach oben ins Weihnachtsmuseum. Eine beachtliche Vielfalt an volkskundlichen Objekten hat die Familie Wohlfahrt hier zusammengetragen. Und in diesen Räumen schließt sich der Kreis für den, der wissen möchte: Woher kommt eigentlich der Brauch, den Christbaum zu schmücken?

      Weihnachtsbaum und Glasbläserei

      Felicitas Höptner ist bei dieser Frage in ihrem Element – und lacht erstmal. „Wenn ich mal in Rente bin, forsche ich noch weiter. Das ist ein so spannendes und interessantes Feld! Leider fehlt mir momentan immer die Zeit.“ Doch die nimmt sie sich nun. Um das Jahr 1500 – so belegen des historische Schriftstücke aus dieser Zeit – wurden aus den grünen Zweigen in den Stuben nach und nach stattliche Bäume. Glanz und Lametta waren noch weit entfernt – die Menschen dekorierten mit dem, was sie hatten und was ihnen wertvoll war: Äpfel, Oblaten, Nüsse und Lebkuchen zierten das Grün.

      Wer es sich leisten konnte, hatte auch fast unbezahlbare Papierblumen und Zuckerstangen daran hängen. Und sogar Käse oder Wurst fand als besonderes Schmankerl einen Platz am Baum; denn den durften die Kinder dann zum Fest plündern. Auch zu dieser Zeit schon konnte man aus Glas Formen herstellen. Doch erst mit der Verbreitung der Tradition eines Weihnachtsbaumes im 19. Jahrhundert wurde der Schmuck vielfältiger. Und beständiger sowie wieder zu benutzen. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts war der Weihnachtsbaum und sein Schmuck schließlich so beliebt, dass dieser oft zum Ausdruck von sozialem Status wurde. In verschiedenen Regionen Deutschlands, vor allem in Thüringen, Franken und Sachsen, wurde in den letzten 150 Jahren aus ganz unterschiedlichen Materialien Baumschmuck produziert.

      Dabei gilt Lauscha in Thüringen als Wiege der Glaskugeln. Dort wurde bereits seit 1597 die Glasbläserei ausgeübt und bereits um 1770 hat man größere Perlen aus Glas hergestellt. 1831 bis 1835 sind dort erstmals Nüsse und Früchte aus buntbemaltem Glas auf einer Spielwaren-Musterkarte von Johann Simon Lindner zu sehen, die wohl schon als dauerhafter Ersatz für die natürlichen Christbaumdekorationen an Weihnachtsbäumen hingen. Neben Glas stellte man auch aus Watte, Pappe und Draht Christbaumschmuck her.

      Botschafter der Weihnacht

      Bei all ihren gegenwärtigen Entwürfen sehe man sich heute bei Käthe Wohlfahrt als „Botschafter der deutschen Weihnacht“, erklärt Felicitas Höptner. Sie schmunzelt wieder – „wobei wir hin und wieder Santa Claus nicht ausklammern, allein schon aus wirtschaftlicher Sicht wäre das dumm.“ Man versuche bei den Kreationen auch religiös neutral zu bleiben. Aber eines ist sicher, das betont die Museumsleiterin: „Wir stehen für die deutsche Weihnacht und die ist nun mal christlich.“ Schließlich wollen die Touristen aus aller Welt das echte „Made in Germany“ – „das macht uns ja aus.“

      Die deutsche, „heile“ Weihnacht, die die kreativen Köpfe des Unternehmens Käthe Wohlfahrt auf rund 70 bis 80 geschätzten Motiven auf ihren Christbaumkugeln, Spitzen und Zapfen illustrieren, ist geprägt vom Familienidyll in der Biedermeierzeit, Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts. In dieser Zeit änderte sich die Sicht auf die Kinder, die Wahrnehmung und Wertschätzung ihnen gegenüber wurde eine andere, und Weihnachten wurde von da an mehr und mehr mit glänzenden Kinderaugen gesehen. Hier taucht auch die Christbaumkugel auf, wie Höptner aus Recherchen weiß: „Man wollte zur Freude dekorieren“. So wie heute auch noch.

      Der Rothenburger Weihnachts-Rausch auf rund tausend Quadratmetern, der seit 1981 ganzjährig geöffnet hat, ist darum ohne Frage für Menschen aus aller Welt ein Ort, an dem sich jeder einfach mal so eine besondere Weihnachtsbaumkugel kaufen kann.     

      Judith Bornemann