Lieber spricht man heute von Evangelisierung oder, dort wo einstmals christliche Prägung auf dem Rückzug ist, von Neu-Evangelisierung. Das mag damit zusammenhängen, dass in der Vergangenheit unter dem Begriff Mission nicht nur viel Segensreiches geschehen ist, sondern auch weniger Gutes, ja Übergriffiges, das mit dem heutigen Verständnis von Religionsfreiheit und Menschenwürde nur schwer vereinbar ist. Für viele ist der Begriff „Mission“ deshalb kontaminiert, hat den Beiklang von Unterdrückung und Machtausübung oder gar Machtmissbrauch.
Ein solcher Wandel im Sprachgebrauch ist in der Regel auch mit einer Veränderung des Bewusstseins verbunden, mit einem anderen Blickwinkel. So kann der sprachliche Wechsel vom „Missionieren“ zum „Evangelisieren“ den Blick vom Außen auf das Innen richten, auf uns selbst als Kirche. Um dann vielleicht festzustellen, dass wir zunächst einmal uns selbst – die Kirche als Gemeinschaft und ihre einzelnen Glieder – evangelisieren, mehr am Evangelium ausrichten sollten, bevor wir den Anspruch erheben, das bei anderen tun zu können.
Denn auch hier dürfte, wie bei fast allen Lebensvollzügen, der Grundsatz gelten: Wenn du etwas verändern, die Welt ein Stück besser machen willst, dann fange damit am besten bei dir selbst an, und nicht bei anderen. Und weil es offenbar zutiefst menschlich ist, es genau andersherum angehen zu wollen, also beim anderen, hätte das dann durchaus auch eine missionarische Komponente. Das wäre doch ein guter Vorsatz für das neue Jahr. Immerhin lautet der Entlassungsruf „Gehet hin in Frieden“ am Ende der Messe, übersetzt man die lateinischen Version „Ite, missa est“ wörtlich: „Geht hin, ihr seid gesandt“.
Wolfgang Bullin