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    Beten – wie geht das eigentlich?

    „Ich bringe mit, was mich beschäftigt”

    „Plappert nicht wie die Heiden“, hat Jesus zu seinen Jüngern gesagt. Auch für Christen ist regelmäßiges Beten heute nicht mehr selbstverständlich. Traditionelle Gebetstexte und Gebetsformen sind vielen nicht mehr geläufig. Andererseits beten auch Menschen, die ansonsten nicht religiös sind, in Extremsituationen oder sind dankbar, wenn sie dann von einer Gebetsgemeinschaft mitgetragen werden. Wie geht das eigentlich – beten, sprechen mit Gott? Für einen intensiven Austausch brauche es Ruhe, sagt Dr. theol. Andreas Schmidt. Der gebürtige Würzburger, 2002 in Freising zum Priester geweiht, ist Spiritual am Priesterseminar in München.

    Beten – was ist das eigentlich und wie geht das?

    Ich sage zunächst mal, was beten nicht ist: sich hinsetzen und einfach mal nachdenken, über Probleme grübeln, nach dem Sinn des Lebens forschen … Im Gebet kreise ich nicht um mich selbst, sondern ich habe ein Gegenüber. Da suchen wir das Angesicht Gottes, wir treten in eine Beziehung zu ihm ein. Ich richte mich auf ihn aus und kann dafür alles mitbringen, was mein Leben gerade beschäftigt. Schöne Dinge, Sorgen, Probleme – ich lege sie vor ihn hin und lasse sie von ihm anschauen. Für mich ist das ein zutiefst menschliches Bild.

    Das klingt, als wäre das Gebet eine Einbahnstraße.

    Das Gebet soll aber gerade eine kommunikative Beziehung zu Gott sein, eine Beziehung, die sehr persönlich und intim sein kann. Das ist, wie wenn ich mit einem anderen Menschen rede und ihm dabei unmittelbar in die Augen sehe. Dann bin ich demjenigen auch ganz nah. Wenn ich bete, schieße ich nicht mal ein Wort in die Wolken und hoffe darauf, dass das schon irgendjemand hört und vielleicht antwortet. Ich vertraue darauf, dass Gott antwortet.

    Gibt es einen bevorzugten Ort für diese Form des Gebets? 

    Die geistlichen Meister lehren uns, dass man tatsächlich überall beten kann. „Betet immer zu jeder Zeit und überall“, sagt Jesus auch im Lukasevangelium. Natürlich gibt es mehr oder weniger günstige Möglichkeiten. Es ist gut, wenn man einmal am Tag einen ungestörten Ort aufsucht, an dem man nicht abgelenkt ist. Denn ich will mich ja auf eine besondere Beziehung und eine außergewöhnliche Art der Kommunikation konzentrieren. Da bietet sich meines Erachtens natürlich eine Kirche an, in der wir ja auch auf die Gegenwart Gottes in der Eucharistie vertrauen dürfen. Das sind Hilfen, um das Gebet bewusster wahrzunehmen.

    Gibt es andere Hilfen?

    Jeder wird seinen eigenen Lieblingsort suchen müssen. Das kann auch eine Ecke im eigenen Zimmer sein, in der eine Ikone oder ein Kreuz stehen. Sie können helfen, Gott zu suchen, weil wir sehen, wie er sich uns als Mensch gezeigt hat. Letztlich muss da jeder seine eigene Form finden. Sie sprechen vom täglichen Gebet. Was ist aber, wenn ich mir nur einmal im Monat so eine exklusive Zeit nehme? Dann ist das immer noch besser als gar nichts. Aber wir sind zu mehr berufen. Gott sehnt sich nach einer intensiven Freundschaft. Die Kirchenlehrerin Teresa von Avila sagt, dass Gott im Innersten der Seele wohnt und dass wir uns ihm von außen nähern. Wer sich also nur selten für das Gebet entscheidet, wird irgendwann spüren, dass Gott ihn mehr nach innen ruft.

    Gott sehnt sich nach uns?

    Ja, und das können wir auf dem Weg des Gebets auch entdecken, können spüren, dass er sich nach größerer Intensität sehnt. Je mehr wir beten, um so mehr wird es dann auch uns zu einem Bedürfnis. Es heißt aber auch, der Mensch bete nicht gern … Wenn Gott die Liebe ist, was gibt es dann schöneres, als bei ihm zu sein? Sollte man zumindest denken. Aber der große Theologe Romano Guardini bestätigt, dass sich der Mensch beim Gebet schwertut. Jeder kann diese Erfahrung machen, dass er nicht immer nur jubelnd und voller Freude auf Gott zugeht, dass es immer wieder auch mühsam ist. Das hat mit der Entfremdung von Gott zu tun, wir Menschen wurden aus dem Paradies vertrieben. Dass wir uns Zeit nehmen für Gott, ist also nicht selbstverständlich. Aber wenn wir im Gebet bleiben, dann merken wir auch, dass es uns gut tut. Das ist wie bei einem kranken Menschen, der seine Medizin nicht gerne nimmt. Aber er weiß, dass sie ihm nützt. Also jeden Tag eine Zeit des Gebets.

    Und anschließend – vergesse ich Gott dann wieder?

    Wenn wir uns einmal am Tag eine Zeit nehmen, in der wir nur für Gott da sind, in der wir nichts anderes tun, kann das helfen, auch die übrige Zeit immer mit Gott zu sein. Dann werde ich merken, dass meine Gedanken immer wieder zu Gott wandern, dass mein Leben vom Gebet durchwoben wird.

    Was kann am Beginn meines Gebets stehen?

    Teresa von Avila empfiehlt ihren Mitschwestern, mit zwei Fragen zu beginnen: Wer ist derjenige, zu dem ich gerade spreche? Und: Wer bin ich? Ich stelle mich bewusst vor Gott, der die ganze Welt geschaffen hat, der mich liebt, der für mich auferstanden ist. Und ich bin sein Geschöpf, sein geliebtes Kind. So können wir eine Beziehung zu ihm aufbauen.

    Und dann packe ich erstmal alles aus, was mich bewegt?

    Jesus vergleicht das Gebet mit dem Gespräch der Kinder mit ihren Eltern. Es ist legitim, erstmal alles zu sagen, was ich auf dem Herzen habe. Dabei soll es aber nicht bleiben. In einer menschlichen Beziehung wird es ja auch nicht so sein, dass einer der beiden Gesprächspartner ständig redet und der andere nur zuhört. „Rede Herr, dein Diener hört“, sagt der Priester Eli zu dem jungen Samuel. Und nicht „Höre Herr, dein Diener redet …“. Darauf zu hören, was Gott sagt, ist ein wichtiger Schritt der persönlichen Fortentwicklung. Wenn ich im Gebet immer nur selber rede, wird es einseitig – und damit möglicherweise uninteressant. Viele Menschen sagen, dass sie Gott nicht hören.

    Wie kann ich seine Stimme erkennen?

    Wenn ich selber still werde, kann ich manchmal spüren, was in meinem Herzen ist. Geht es bei einem bestimmten Gedanken da friedlich zu? Dann kann das Gottes Stimme sein, die mir Orientierung geben will. Eine andere Möglichkeit: In die Heilige Schrift gucken. Einfach mal die Bibel aufschlagen und nachsehen, ob mich auf dieser zufällig entdeckten Seite ein bestimmtes Wort, ein einzelner Satz oder ein ganzer Absatz anspricht. Oder in den Lesungen des entsprechenden Tages nachsehen.

    Woran erkenne ich, dass es tatsächlich Gottes Stimme ist und nicht mein eigener Gedanke?

    Da haben wir Christen einen großen Schatz in der geistlichen Lehre: die Unterscheidung der Geister. Therese von Lisieux oder Ignatius von Loyola haben es vorgemacht. Sie fragen sich, ob mich ein Gedanke zum Guten führt oder auf Abwege. Die heilige Therese sagt, dass sie vor einer Entscheidung einen Abschnitt aus dem Neuen Testament liest. Nicht im Sinne eines Orakels, sondern weil es ihr geistliches Gespür schärft. Der heilige Ignatius spricht von geistlichen Regungen: Wenn mir ein Gedanke Frieden schenkt, bin ich auf dem richtigen Weg.

    Kaum habe ich mich zum Gebet hingesetzt, habe ich andere Gedanken im Kopf. Wie gehe ich mit Zerstreuungen um?

    Da ist es wichtig, sich nicht entmutigen zu lassen, denn solche Zerstreuungen sind völlig normal. Sogar der Kirchenlehrer Thomas von Aquin erzählt davon. Wenn ich merke, dass ich mich gedanklich entfernt habe, stelle ich mein Herz wieder ganz bewusst in die Gegenwart Gottes. Und er wird mir helfen, die Beziehung wieder neu herzustellen. Gibt es ein Mittel gegen diese Zerstreuung? Kein Wundermittel, aber einen Tipp: Je mehr ich meinen Tag von unnützen Neuigkeiten bestimmen lasse, von Klatsch und Tratsch, umso schwerer wird es mir fallen, die Beziehung zu Gott aufrecht zu erhalten. Wenn wir unseren Geist mit guten Bildern nähren, hilft uns das, gesammelter zu sein.

    Interview: Matthias Petersen

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