Da ist eine Jugendliche, die vor einigen Behördengängen steht, aber niemanden hat, der ihr dabei hilft. Oder aber ein Jugendlicher vom Land, der noch nie die Kneipenszene in Würzburg erkundet hat und sich scheut, alleine rauszugehen – was ihn sehr bedrückt“, erklärt Agnieszka Patermann, Diplom-Sozialpädagogin an der Don-Bosco-Berufsschule in Würzburg, die Bandbreite derer, die einen Paten wie Anna haben. Für all die großen und kleineren Probleme Jugendlicher wurde das Projekt „SymPaten“ im Oktober 2005 mit dem Ziel gestartet, einen Jugendlichen in seinem Alltag zu unterstützen, ihm am Beginn einer Berufstätigkeit zu helfen, bei der Suche eines Praktikumsplatzes, bei schwierigen Behördengängen oder einfach nur zum Reden.
Gefangen im eigenen Alltags-Chaos
So war es auch bei Anna. Die junge Frau fand sich in ihrem Alltag nicht zurecht, die Wohnung war unordentlich, die Rechnungen türmten sich, erste Mahnungen flatterten ins Haus, weil sie vieles einfach aus Unsicherheit, Hilflosigkeit und fehlendem Selbstbewusstsein ignoriert hat. „Die Rechnungen flogen gleich in eine Schublade und blieben dort. Ich habe mich nicht gekümmert, weil ich nicht wusste, was ich tun sollte. Die Zahlungen wurden dann immer höher, aber mit meinem Azubi-Gehalt als Friseurin konnte ich sie nicht mehr begleichen“, erinnert sich die junge Frau. Seitens des Elternhauses war keine Unterstützung zu erwarten, somit war Anna mit allem allein. Sie litt unter ihrer Hilflosigkeit, unter ihrem mangelnden Selbstbewusstsein, hatte Schlafstörungen, war unkonzentriert – und kam oft zu spät zum Berufsschulunterricht in die Don-Bosco-Berufschule. Das blieb dort nicht unbemerkt.Agnieszka Patermann erzählte der jungen Frau von der ehrenamtlichen Unterstützung eines SymPaten, einer Person, die Anna unter die Arme greifen könnte – wenn sie es wollte. „Ich konnte mir das gar nicht vorstellen, dass es solche Leute gibt. Dagmar bekommt ja nichts dafür. Sie ist einfach nur da, weil sie es möchte, weil sie mir helfen will. Das ist toll und ich bin sehr froh, dass ich sie habe“, sagt Anna und lächelt. „Bei allem ist es sehr wichtig, dass der oder die Jugendliche sich sicher fühlt. Er oder sie muss immer auf der sicheren Seite sein“, sagt die Sozialpädagogin mit Nachdruck. „Wenn schließlich ein möglicher Pate gefunden ist, lade ich den Jugendlichen zunächst zum Vier-Augen-Gespräch zu mir ein und zeige ihm ein Foto des Paten. Erst dann finden die Gespräche – zunächst hier im Hause, später dann alleine – statt. Das erste Treffen eines SymPaten-Paares findet an einem neutralen Ort statt, wo sich beide erstmal beschnuppern können. Die Initiatoren haben aber stets ein Auge auf das Duo, denn Rückmeldungen sind sehr wichtig für das Gelingen, erläutert Agnieszka Patermann. „Halbjährlich bitten wir die Jugendlichen, einen Fragebogen auszufüllen, damit wir sehen, ob alles klappt.“Bei Anna und Dagmar Müller mussten sich die Initiatoren keine Sorgen machen. Die zwei lagen gleich auf einer Wellenlänge, sagt Anna. „Bei mir und Dagmar war gleich Sympathie da. Wäre das nicht so gewesen, hätte ich sofort dicht gemacht. Aber Dagmar war mir sofort sympathisch.“
Ein er- und ausfüllendes Ehrenamt
Die 36-jährige Patin sieht das ähnlich. Eigentlich wollte sie mit einer ehrenamtlichen Arbeit nur einen kleinen Ausgleich zu ihrem Beruf als Sachbearbeiterin schaffen. Dass ein so großer Mehrwert für sie entstehen würde, hätte die alleinstehende Frau nicht gedacht. „Es macht mich so stolz, wenn etwas geklappt hat und ich Anna helfen konnte. Inzwischen sind ja alle Probleme weitestgehend behoben. Wir treffen uns aber immer noch regelmäßig, ich rufe sie an und frage nach, wie es ihr geht. Da merke ich immer wieder, wie sehr sie das freut. Das gibt auch mir etwas zurück.“
Agnieszka Patermann hat von anderen Paten häufiger gehört, dass es frustrierend ist, wenn fast nie ein Wort des Dankes fällt. „Das Wort ‚Danke‘ ist bei den SymPaten ganz arg wichtig, weil es sonst nichts zurück gibt. Viele Jugendliche bedanken sich aber nicht, weil sie es nicht wollen, sondern weil sie es nie gelernt haben. Wir weisen sie dann darauf hin: ‚Schau mal, da ist jemand, der kümmert sich um dich, er bekommt nichts dafür und macht es, weil er es gerne macht – für dich.‘ Und wenn ein Jugendlicher dann ‚danke‘ sagt, ist es gleich doppelt so viel wert.“
Viele Ehrenamtliche haben diese Wertschätzung erfahren dürfen – zehn der bisherigen Begleitungen sind bereits erfolgreich beendet, 16 laufen derzeit noch. Es gebe viele Menschen, erläutert Patermann, die in diesem Projekt benachteiligte Jugendliche auf dem Weg zu einem selbstständigen Berufsalltag begleiten möchten. Sie helfen jungen Menschen mit Wissen und Erfahrung dabei, Schwierigkeiten zu meistern und nicht beim erstbesten Problem aufzugeben. Dabei betreut jeder Pate seinen Jugendlichen in einem Zeitraum von vier bis zwölf Monaten, etwa acht bis zehn Stunden im Monat. Dabei darf auch der Austausch unter den SymPaten nicht fehlen. Darum treffen sie sich regelmäßig und werden von den Projektträgern – der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), dem „Treffpunkt Ehrenamt“, der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) oder dem Förderkreis der Don-Bosco-Berufsschule – unterstützt.
Das SymPaten-Projekt ging aus der ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfe hervor und wurde auf die Jugendberufshilfe übertragen. „So sollen über den Austausch mit dem Mentor und dessen Vermittlung Brennpunkte und Spannungen zwischen den jungen Leuten und ihren Arbeitgebern behoben und abgebaut werden.
Schulabbrecher, Schulverweigerer oder Auszubildende, die in Schwierigkeiten sind, erhalten auf diesem Weg eine Chance, in Arbeit zu kommen und zu bleiben. „Die sozialen Netzwerke in unserer Gesellschaft verlieren immer mehr ihre Unterstützungskraft“, mahnt Agniezska Patermann. Die Hilfe und Zuwendung von Familie und Freundeskreis fehle sehr häufig. Dieses lebenswichtige Sozialkapital sei aber der Puffer in schwierigen Lebenssituationen und biete die notwendigen Voraussetzungen, um Krisen psychisch und physisch Stand halten zu können.