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    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Ich bereue nichts

    Disko,Tanz und viele Leute. Party machen und das Leben genießen – so war das am 60. Geburtstag von Pater Dominik. Im Augustinerkloster in Würzburg. So hatte er sich das gewünscht: ein wunderschönes Fest. Auch wenn das Konfetti in seinem Leben manchmal mehr grau ist als bunt. Pater Dominik ist voller Energie, aber auch nachdenklich, tiefgründig. Und er liebt es zuzuhören.
    „Ich habe schon immer gerne zugehört, schon als Kind“, erzählt er, „da saß ich mit solchen Ohren da.“ Er macht zwei große kreisende Bewegung um seine Ohren. Sonntags, wenn es an der Türe klingelte, die Verwandtschaft ins Wohnzimmer stürmte, drei Kuchen futterte, die seine Mutter gebacken hatte und Familiengeschichten erzählte. Von Verwandten auf anderen Erdteilen.
    Dann saß Dominik da und lauschte. Jeden Sonntag. Zu Hause in Berlin. Ja, er sei Berliner, erzählt er. Dort wurde er 1955 geboren. Das Berlinerisch hat er nie abgelegt. „Und ich hab auch immer noch einen Koffer in Berlin.“ Er fährt gerne dorthin und besucht seine Geschwister. Auch wenn dafür selten Zeit ist – weil er Juniorratsleiter ist, Hauptkontaktbruder für die Pflegeabteilung, Provinzrat, aktiv in der Hausleitung.  

    Pater Dominik hört zu

    Nur eines hat sich nicht verändert. Pater Dominik sitzt immer noch da und hört zu. Nicht mehr im Wohnzimmer, sondern im Gesprächsladen am Dominikanerplatz. Er verschenkt sein Ohr in einer Zeit, in der es mehr Worte gibt als Ohren. Den Laden hat er vor 21 Jahren mitgegründet und dort arbeitet er immer noch, mit elf bis zwölf Ehrenamtlichen. „Ich glaube, dass es viele Menschen gibt, die niemand haben, der ihnen zuhört“, meint er.   Der Mann, der ihm gegenüber sitzt zum Beispiel. Ihm hört Pater Dominik einfach nur zu, nimmt ihn ernst. „Ich schaue mit den Leuten, wo bei ihnen Hoffnungspunkte, Lichtpunkte sind, die das Leben wieder schmackhaft machen.“ Nie würde er sagen, dass alles wieder gut werde. Dass der liebe Gott schon alles richten würde. Er weiß, dass es nicht so ist. „Aber man kann zu einem Punkt kommen, an dem man sich trotzdem getragen fühlt und das Gefühl hat: Ich bin nicht ganz allein gelassen.“   Er schaut nachdenklich durch die Brille mit dem schwarzen Rahmen. Es ist seine eigene Geschichte, von der er da erzählt. Mit 14 Jahren erkrankt Pater Dominik chronisch, kämpft seither mit der Krankheit. Vor acht Jahren hat er einen schweren Unfall, liegt im Bett, sitzt ein halbes Jahr im Rollstuhl. Weiß nicht, ob er jemals wieder laufen kann.   „An einem Tag, an dem ich wirklich nur gute Sachen gemacht habe. Und dann denkst du: Und was soll das jetzt? Kennen Sie das?“, fragt er mit seinem wachen Blick, den schmalen Augen. Trotzdem fühlt er sich aufgehoben, getragen. Von seinen Mitbrüdern, einer tollen Gemeinschaft, in der sie da sind füreinander, wenn es schwer ist. Getragen von Gott. Der um ihn weiß. Da ist sich Dominik sicher.   

    Religion? Langweilig!

    Früher, da war das anders. Da hat er gerne über die Kirche gemosert. Mit 14 Jahren meldet er sich vom Religionsunterricht ab. Es war ihm einfach zu langweilig. Zur gleichen Zeit lief Sexualkunde. „Das war interessanter“, erzählt er und lacht.   Nach dem Abi studiert er Biologie und Geographie. Um sich etwas dazu zu verdienen, macht er nebenbei eine Katechetenausbildung und lernt eine Nonne aus dem Orden „Kleine Schwestern Jesu“ kennen. Die bringt er immer mit dem Auto nach Hause. Isst dort mit, diskutiert. „Über das Leben, den Sinn.“ Eine tolle Zeit.   Auf einmal überlegt er, ob es nicht gut wäre, die Kirche selbst mitzugestalten? Er wohnt ein halbes Jahr zur Probe bei den Augustinern im Ausbildungskonvent Würzburg. Ende 1979, beginnt er hier sein Noviziat.   Er glaubt an Gott, auch, wenn er Naturwissenschaftler ist und sich für einen geerdeten Menschen hält. „Es ist zwar schwierig mit dem Glauben, weil man sich so viel natürlich erklären kann.“ Aber da hält er sich an Thomas von Aquin: „Die Gnade setzt die Natur voraus.“  

    Kein Grosser Zampano

    Wie er sich Gott vorstellt? Kein großer Zampano, der ein Welttheater mit uns spielt. Uns an Fäden hält wie Marionetten. Er schüttelt den Kopf „Ich glaube, dass er die große Freiheit geschenkt hat, dass sich alle Dinge entwickeln dürfen. Dass Evolution ist, dass meine Körperzelle aber auch eine Krebszelle bilden kann. Dass manche Tiere, Pflanzen aussterben und das irgendwo wieder was Neues auftaucht.“   Er hat immer wieder erfahren, wie viel Unfreiheit ein Menschenleben hat – als AIDS-Seelsorger. Die Freiheit sei relativ. Das Leben macht sie relativ. „Es gibt so viele Vorgaben, dass der Fächer an Möglichkeiten, den wir auffächern, unter Umständen gefangen sein kann.“ Dominik lernt tolle Menschen kennen, die das Leben irgendwann einmal zu Boden geschmissen hat. Ihre Eltern haben sie vernachlässigt, geschlagen, in Kinderheime gesteckt, in denen sie schreckliche Dinge erlebten.   Nur die Liebe lässt sich nie blicken in ihrem Leben. Also machen sie sich auf die Suche nach ihr. „Und finden sie auf dem Strich am Bahnhof und erleben dabei, dass die Kunden die Einzigen sind, bei denen sie das Gefühl haben. Irgendetwas mögen die an mir.“ Und dann straft sie das Leben mit der Krankheit, weil sie sich bei Leuten infiziert haben, die sie nur benutzt haben.   Ob ihm das Beten geholfen habe? „Mit dem Beten ist das so eine Sache“, sagt er und macht sich vom Gesprächsladen auf den Weg zum Kloster, „ich bin eher ein Freund des kurzen Gebetes, des Stoßgebetes.“ Dann erzählt er von den Filmen mit Don Camillo. Der italienische Pater, der mit Jesus am Kreuz spricht, und stets eine Antwort bekommt. „Das fand ich klasse und das hab’ ich so beibehalten. Ich höre zwar noch nichts, außer manchmal so eine kleine Idee.“ Ob er dann in seinem Leben nicht gerne etwas anderes gemacht hätte? Er grinst verschmitzt. „Ich kann Ihnen sagen, ich hab es nie bereut, dass ich das gemacht habe, was ich gemacht habe: Je ne regrette rien ...“ Ronja Goj