Begegnungen wie die im Pfarrgarten von St. Luzia in Pflaumheim, einem Ortsteil von Großostheim, stehen sinnbildlich für Petra Stripp-Scheuring und ihren Einsatz zum Erhalt der Schöpfung. Hier berät sie Kirchenverwaltung und Architekten bei der Umgestaltung des Pfarrgartens. Dieser ist nun so gestaltet, dass Kirchenbesucher auf gepflasterten Wegen um das Gebäude gehen können.
Laudato si: Gepriesen sei die Artenvielfalt
Stripp-Scheuring wünscht sich dazu Rückzugsräume für Falter, Wildbienen und Vögel. Sie freut sich über jeden Strauch, jeden Grashalm, der die Baggerarbeiten überstanden hat – und regt an, die Wiese hinter der Kirche zum Beispiel nur noch vor dem Gemeindefest zu mähen, wenn Tische aufgestellt werden. „Aber wie sieht das denn den Rest des Jahres aus?“, ist eine der Fragen, die ihr entgegenschlagen. „Geht im hohen Gras nicht unser Rasenmäher kaputt?“
Stripp-Scheuring zeigt ihre Entwürfe, erklärt engagiert. Sie zeigt auf jedes Lebewesen, das sie im Kirchengarten entdeckt. Mit ihrem Unternehmen „q-blume“ berät Stripp-Scheuring bei der naturnahen Gestaltung von Grünanlagen, auch auf Friedhöfen und rund um Kirchen. Mit ihrem zupackenden Auftreten überzeugt sie zudem ihr Umfeld vom Artenschutz. „Ist es nicht unser aller Aufgabe, die Schöpfung zu bewahren?“, fragt sie und argumentiert so wie der jüngst verstorbene Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si“: Glauben heißt, Freude an der Vielfalt des Lebens zu zeigen, Verantwortung für den Planeten zu übernehmen und die Lebensqualität künftiger Generationen im Blick zu behalten.
Viel Grün rund um Kirchen und auf den Friedhöfen
Etwa sechs Millionen Gräber auf etwas mehr als 6.000 Friedhöfen gibt es in Bayern. Wenn man von einer durchschnittlichen Grabfläche von einem Quadratmeter ausgeht, dann wird im Freistaat eine Fläche von der Größe des Walchensees von denen gepflegt, die auf den Friedhöfen ihrer Verstorbenen gedenken. Dazu kommen im Bistum Würzburg Grünflächen rund um die 943 Kirchen, 600 Pfarrhäuser und 489 Pfarrheime. Deren nachhaltige Gestaltung zu fördern ist Aufgabe des Umweltbeauftragten der Diözese, Christof Gawronski. „Schöpfungsverantwortung ist kirchlicher Auftrag“, stellt er klar – nach den Handlungsempfehlungen der Deutschen Bischofskonferenz. Dabei ist die Gestaltung des sogenannten Kirchengrüns aber eine von vielen Aufgaben, mit deutlich kleinerem Etat als zum Beispiel die Gebäudedämmung. Interne Fortbildungen zu Nachhaltigkeit und Artenschutz auf Kirchenflächen würden vor allem nachgefragt, wenn das Thema verstärkt in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Am 4. Oktober soll nun ein Diözesaner Schöpfungstag im Würzburger Kilianeum das Thema erneut in den Fokus rücken und dabei an die Umwelt- und Sozialenzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus erinnern.
Akzeptanz allein reicht nicht: Naturschutz ist für’s Herz
Artenvielfalt wird auch in der Kirche mitgedacht und kann gelingen. Zu Herzen aber geht sie nicht durch Vorschriften, weiß Michaela Fenske. Die Lehrstuhlinhaberin für Europäische Ethnologie an der Universität Würzburg forscht zur Artenvielfalt in Grünanlagen und der Motivation von Gärtnerinnen und Gärtnern. Sie sagt: „Kommunale oder kirchliche Strategien für Biodiversität, oder die Friedhofssatzung, können zwar ein reines Steingrab verhindern. Akzeptanz entsteht aber nur, indem ich den Trauernden ihre eigene Art des Totengedenkens lasse. Wenn sie andere Arten der Grabpflege sehen, werden sie vielleicht ermutigt, ein Eck des Steingrabes doch zu bepflanzen.“ Nicht von ungefähr würden akkurat gemähte Flächen rund um wilde Blumenwiesen im Fachjargon „Akzeptanzstreifen“ genannt. Damit sagt zum Beispiel das Friedhofsamt: Wir kümmern uns, die nicht gepflegte Fläche ist gewollt und dient dem Naturschutz.
Eine Vorbildfunktion hat hier die Kirche, meint Ethnologin Michaela Fenske: „In der Natur, in Gärten und auf jeder Wiese rund um eine Kirche beginnt und endet in jedem Moment ein Kreislauf des Lebens. Wer, wenn nicht die Kirchen, sollten in ihren Grünanlagen diesen Kreislauf des Lebens unterstützen? Gärtnern ist ein Prinzip der Hoffnung: Es finden sich immer Lösungen.“
Für Pragmatiker: Nur einmal Arbeit für naturnahe Flächen
Eine Lösung findet sich auf dem Alten Friedhof in Großostheim. Wer sich hier umblickt, entdeckt die gewohnte Ordnung aus Kies, Stein und zurechtgestutzten Gewächsen. An Werden, Sein, Vergehen und Neubeginn erinnern die wenigsten Gräber. Doch Trockenheit das ganze Jahr und heiße Sommermonate verleiden auch hier immer mehr Menschen die Grabpflege. Hier setzt Petra Stripp-Scheuring an und erklärt: „Bepflanzte Schalen mit saisonalen oder nicht-heimischen Pflanzen schreien täglich nach Wasser und sind reine Wegwerfware. Grabplatten oder Kiesgräber sind mitnichten pflegeleicht. Im Gegenteil: Sie heizen sich auf, speichern kein Wasser und irgendeine Pflanze wächst immer durch.“
Deswegen hat sie sich einmal so richtig an die Arbeit gemacht und das eigene Familiengrab naturnah umgestaltet. Klimaresistent, mit Gehölzen, die kleinen Tieren als Unterschlupf dienen, mit Wasserschale, und mit fast 200 Samen von heimischen Pflanzen, die über das ganze Jahr hinweg blühen. Nun blickt sie gemeinsam mit ihren betagten Eltern sichtlich zufrieden auf ein regelrechtes Kleinbiotop. Es ist praktisch keine Pflege mehr nötig. Der Kreislauf des Lebens regelt sich auf diesem Grab von selbst.
Von Sebastian Haas
Projekt zum Gärtnern im Wandel
Der Klimawandel verlangt nach neuen Pflanzen, Einstellungen und Schönheitsidealen im Garten. Der Lehrstuhl für Europäische Ethnologie der Universität Würzburg und die Bayerische Gartenakademie erforschen am Projekt „Multispecies Gardening / Gärtnern mit vielen Arten“ das Bewusstsein für das Zusammenwirken von Pflanzen, Tieren und Menschen sowie Erfahrungen im eigenen Garten. Wer sich beteiligen will, oder eigene Gartengeschichten erzählen, schreibt eine E-Mail an multispeciesgardening@uni-wuerzburg.de.