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      Alaadin A. aus Syrien ist nun examinierter Krankenpfleger

      Gott sei Dank – bestanden

      „Die Prüfungen, das war richtig heftig!“, erinnert sich Alaadin A. an die Zeit im Sommer letzten Jahres, in der er die schriftlichen und mündlichen Abschlussprüfungen seiner Ausbildung zum Gesundheits– und Krankenpfleger ablegte. „Ich hatte schon Angst, weil mein Deutsch einfach noch nicht ganz perfekt ist, vor allem vor der mündlichen Prüfung“, berichtet er. Die schriftliche sei auch schwierig gewesen, aber da habe man ja eine bestimmte Zeit vorgegeben, in der man immer nachdenken und etwas umformulieren könne. „Aber in der mündlichen Prüfung, da sitzt man vor dem Professor oder dem Lehrer oder der Lehrerin, es wird eine Frage gestellt und man muss einfach etwas erzählen. Und klar, wenn der Professor dann keine Geduld hat, dann habe ich nicht so viel Zeit: Ich muss sofort sprechen“.

      Vor lauter Nervosität habe er die beiden Nächte vorher nicht geschlafen – nicht, weil er lernen musste, sondern weil er Angst hatte, erzählt der 27-Jährige, und kann zum Glück inzwischen selbst darüber lachen. „Das Adrenalin war in meinem Körper, und immer wenn ich die Augen zumachte, dachte ich an dieses oder jenes Thema, und wenn der Prüfer dies oder das fragt, was soll ich dann sagen?“ Doch dann, im September, die letzte Prüfung – und: „Gott sei Dank – bestanden!“

      Das ganze Leben ist Lernen

      Verdient hat er das sicherlich, denn er hatte fast das ganze Jahr 2020 nur mit Lernen verbracht: Erst für die Deutschprüfung B2, die er im Frühjahr gerade vor dem ersten Lockdown und einer eigenen Coronaerkrankung noch bestand, dann direkt für seine Abschlussprüfungen. Neben den Vollzeit-Einsätzen auf den Stationen und der Berufsschule, natürlich.

      Doch die Mühen haben sich gelohnt: Direkt nach seinem Examen bekam er eine Stelle an der Uniklinik, auf einer Station für Hämatologie und Onkologie. „Und damit bin ich sehr zufrieden“, erklärt der junge Syrer. Er hatte dort schon einen Einsatz während der Ausbildung, und schon damals hätten ihn die Kollegen gefragt, ob er nicht nach seinem Abschluss zurückkommen wolle. „Aber ich habe früher immer gesagt, dass ich auf der Chirurgie arbeiten wollte. Ich finde die Chirurgie auch eigentlich cooler und richtig spannend – aber nach meinem Einsatz auf dieser Station, wo ich jetzt bin, habe ich mich umentschieden. Die auf der Chirurgie haben das dann auch verstanden“.

      Alaadin kommt ins Schwärmen

      Der Grund für seinen Meinungsumschwung: In der Chirurgie gebe es einfach für Pfleger nicht so vielfältig zu tun, wie auf der Inneren Medizin. „In der Chirurgie geht es um Mobilisation, Verbände und solche Sachen nach den Operationen. Aber jetzt auf der Inneren Medizin geht es um so viele Erkrankungen und Untersuchungen: Zum Beispiel Blutzucker, hämatologische Erkrankungen, Pneumonie, allein bei uns auf der Station!“

      Und wenn Alaadin A. nun von seinen Aufgaben erzählt, kommt er tatsächlich ins Schwärmen: Mehrmals täglich Vitalzeichen kontrollieren: Blutdruck, Puls, Temperatur, Blutzucker… „Ansonsten bereiten wir per Protokoll auch Chemotherapien vor, und dann rufen wir den Arzt, dann kann er direkt starten. Dann sind wir dafür verantwortlich, wenn unsere Patienten zum CT, Röntgen oder Echokardiographie oder Lungenfunktionstests gehen müssen, da machen wir die Bestellung, den Transport. Wir kümmern uns um Verbände, wir richten Infusionen, Transfusionen, wir messen den zentralen Venendruck. Also, es sind so viele Tätigkeiten, das ist fantastisch!“, begeistert er sich.

      Klar, manchmal sei die Arbeit auch belastend. Wenn Patienten nach den Therapien schrecklich unter den Nebenwirkungen zu leiden hätten, würde man als Pfleger schon auch mitleiden, gesteht Alaadin. Aber dennoch freut er sich: „Ich fühle mich wohl, ich bin sehr zufrieden dort auf der Station. Ich bin jetzt seit Anfang Oktober da und merke, dass ich doch die richtige Entscheidung getroffen habe“.

      Im März 2020 wurde er positiv getestet

      Doch bei aller Zufriedenheit: Bei dieser Position soll es nicht bleiben. Zwar möchte er nun erst einmal ein Jahr arbeiten, Geld verdienen, und, meint er, in der Coronazeit könne man ohnehin nicht so viel machen. Aber dann heißt die Devise Weiterbildung: „Zum Beispiel in Onkologie oder auch Praxisanleitung; das würde mich interessieren“. Er möchte einfach immer weiter dazulernen. Apropos Corona: Mit dem Virus hat er sich bei der Arbeit leider selbst auch infiziert. Anfang März habe er einem Patienten eine Infusion gelegt, der Corona-positiv war. „Und wir wussten das nicht, denn damals gab es in Deutschland noch kaenne sie bei den Patienten auch noch keine Maske tragen müssen. Nachdem besagter Patient entlassen und auch Alaadins Einsatz auf der Station bereits beendet, er wieder in der Schule war, bekam er vom Schulleiter dieAufforderung, er solle sich testen lassen. Und? Er war positiv. Zum Glück hatten gerade die Ausgangsbeschränkungen begonnen und die Schule lief online, deshalb habe er, bis auf seinen Bruder, mit dem er zusammen wohnte, niemanden angesteckt, seufzt er erleichtert.

      Doch ihn selbst traf die Infek­tion schwer: „Die ersten vier oder fünf Tage hatte ich gar keine Symptome, es ging mir gut, aber danach fing es plötzlich an, wie Grippesymptome, aber richtig stark: Kopfweh, Gliederschmerzen, Knochenschmerzen, Husten, Lungenschmerzen beim Ein- und Ausatmen, immer Kurzatmigkeit. Ich hatte zum Glück keine Atemnot, ich musste nicht ins Krankenhaus, aber natürlich war das mit der Kurzatmigkeit sehr unangenehm. Ich bekam einfach nicht genug Luft!“

      Warnung auch an junge Menschen

      Die nächsten zehn Tage sei er also wirklich nur aus dem Bett gekrochen, um mühsam mal auf die Toilette zu gehen. Ansonsten habe er nichts gemacht. „Es ging einfach nicht“, berichtet er. Dazu konnte er kaum etwas essen, hatte keinen Geschmack, keinen Geruch und sowieso keinen Appetit – bestenfalls einen Apfel oder eine Banane habe er ­herunterbekommen. „Diese zehn Tage waren also richtig schlimm“, meint er, auch seinem jüngeren Bruder sei es nicht gut gegangen. Er könne also auch junge Leute nur warnen, dieses Virus nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Jetzt gehe es ihm aber zum Glück wieder gut. „Ich kann auch wieder Sport machen, und darüber bin ich sehr froh“.

      So war das letzte Jahr für Alaadin ein sehr ereignisreiches: Erst Corona, dann Prüfung. Und im November hatte er sich dann gleich das nächste Ziel gesetzt: Den Führerschein. „Ich hatte die Theorie schon fast fertig, dann kam leider der Lockdown“, meint er. „Und ich bin ein Mensch, der bei solchen Dingen gerne richtig reinhaut, und jetzt hat sich alles verschoben – da bin ich schon ein bisschen ungeduldig“. Doch eigentlich sieht der junge Pfleger prinzipiell bei allem immer erstmal die positive Seite – vielleicht ein Grund, warum er mit dem meisten, was er macht, so erfolgreich ist: „Man kann jetzt sowieso nirgendwo hinfahren…“, sagt er also mit einem Augenzwinkern. „Und natürlich hat es auch den Vorteil, dass ich mich jetzt auf die Theorieprüfung besser vorbereiten kann, weil ich noch ein bisschen Zeit habe“.

      Alaadin schreibt ein Buch auf Arabisch

      So hat er die Coronamonate mit ihren reduzierten Möglichkeiten zum Ausgehen oder Freunde-Treffen denn auch nicht beklagt, sondern höchst kreativ genutzt: „Ich habe angefangen ein Buch zu schreiben, über mein Leben früher in Syrien, und auch das anderer Menschen, im Vergleich zu dem jetzt in Deutschland“. Das sei natürlich nicht so einfach, das brauche Zeit, lacht er. „Ich habe zuerst auch angefangen, auf Deutsch zu schreiben, aber da hatte ich wirklich Schwierigkeiten, meine Gedanken niederzulegen, und deswegen habe ich beschlossen, es zuerst mal auf Arabisch zu machen und dann kann ich das übersetzen.“ Man kann also gespannt sein: Vielleicht wird man in einem Jahr schon nicht mehr etwas über Alaadin lesen – sondern etwas von ihm!    

      Andrea Braun