Evangelium
In jener Zeit nahm Jesus Petrus, Johannes und Jakobus beiseite und stieg mit ihnen auf einen Berg, um zu beten. Und während er betete, veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes, und sein Gewand wurde leuchtend weiß. Und plötzlich redeten zwei Männer mit ihm. Es waren Mose und Elija, sie erschienen in strahlendem Licht und sprachen von seinem Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte. Petrus und seine Begleiter aber waren eingeschlafen, wurden jedoch wach und sahen Jesus in strahlendem Licht und die zwei Männer, die bei ihm standen. Als die beiden sich von ihm trennen wollten, sagte Petrus zu Jesus: Meister, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Er wusste aber nicht, was er sagte. Während er noch redete, kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie. Sie gerieten in die Wolke hinein und bekamen Angst. Da rief eine Stimme aus der Wolke: Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören. Als aber die Stimme erklang, war Jesus wieder allein. Die Jünger schwiegen jedoch über das, was sie gesehen hatten, und erzählten in jenen Tagen niemand davon.
Lukas 9,28b–36
Wenn wir an die vergangenen beiden Jahre unserer Kirche in Deutschland denken, dann waren diese von zwei religiösen Großereignissen geprägt: Der Weltjugendtag in Köln zog viele tausend Jugendliche aus aller Welt in unser Land und wurde zum echten „Highlight des Glaubens“. Der Besuch unseres Papstes begeisterte Jung und Alt und versetzte ganz Bayern für einige Tage in einen „religiösen Ausnahmezustand“. Zugleich aber spüren wir, wie schnell unsere Kirche wieder in ihren Alltagstrott gekommen ist. Zwar bemühen sich viele Verantwortliche darum, durch eine breite Öffentlichkeitsarbeit und viele Veranstaltungen einen gewissen Grad an Nachhaltigkeit zu gewährleisten, Weltjugendtag und Papstbesuch werden aber mehr und mehr zur schönen Erinnerung. Die Begeisterung weicht zunehmend dem Wissen um die bestehenden Probleme unserer Kirche: der Priestermangel, die Rolle der Frau in der Kirche, die Problematik gelebter Ökumene, um nur einige Beispiele zu nennen. Sie gehören zu unserer Kirche, daran konnten der Besuch des Papstes und der Weltjugendtag nichts ändern.
Einen Höhepunkt des Glaubens erlebten auch die Jünger am Berg Tabor. Dort wird Jesus zusammen mit Mose und Elija vor ihren Augen von einem strahlenden Lichtglanz umhüllt. Wie gerne würden die Jünger diesen Moment festhalten. Sie wollen sogar drei Hütten bauen, um diese Erscheinung zu bewahren. Doch da kommt eine Wolke und wirft ihren Schatten auf dieses einmalige Ereignis. Rasch ist Jesus wieder allein, der Lichtglanz verschwunden. Die Jünger schweigen letztlich über das, was sie erlebt haben. Wie hätten sie es auch in Worte fassen können?
So wie die Jünger damals hätten auch wir gerne das Gefühl der Begeisterung, welches der Weltjugendtag und der Papstbesuch in unser Land gebracht hat, auf Dauer festgehalten. Vor allem aber die Reaktionen auf einige Worte des Papstes machen deutlich, wie angreifbar und zerbrechlich religiöse Begeisterung sein kann. Damals wie heute gilt: Wo Licht ist, da fallen auch Schatten. Es gibt immer wieder dunkle Wolken, die ihre Schatten auf unser Leben und unseren Glauben werfen: Trauer und Leid belasten uns, Beziehungen zerbrechen, wir geraten in Not oder fühlen uns von unserer Umwelt oder der Kirche nicht verstanden.
Solche Erfahrungen bleiben selbst Jesus nicht erspart. Vom Berg Tabor war nicht weit zum Berg Golgotha. Dem Licht der Verklärung folgt bald der Schatten des Todes. Doch gerade durch seinen Tod und seine Auferstehung zeigt er uns ganz deutlich, dass all die Schatten unseres Lebens hineingenommen sind in sein göttliches Licht. Wie Jesus dürfen auch wir immer wieder auferstehen aus den Abgründen unseres Lebens.
Dies kann uns die Bibel mit der Erzählung von der Verklärung Jesu am Berg Tabor sagen. Zugleich wird dieses Ereignis zur Aufgabe für unsere Kirche. Religiöse Großereignisse sind wichtig und dürfen auch im rechten Licht präsentiert werden. Wichtiger aber ist es, jedem Menschen immer wieder jene Zusage erfahrbar zu machen, welche am Berg Tabor zu hören war: Du bist mein geliebtes Kind! Ob Mann oder Frau, Priester oder Laie, Erwachsener oder Kind, kirchennah oder kirchenfern, du bist mir wichtig!
Vielleicht haben wir selbst in dieser Woche einmal die Gelegenheit, für einen Mitmenschen zu einer „Lichtgestalt“ zu werden und ihm damit zu zeigen: So dunkel dir dein Leben manchmal auch vorkommen mag, mit Gott brauchst du nicht schwarz zu sehen.
Die Autorin ist Gemeindereferentin in Zeil am Main.