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      Gedanken zum Evangelium - 6. Sonntag im Jahreskreis

      Gibt es Hoffnung ohne Glauben?

      Jeremia hat eine klare Meinung dazu, wer im Leben zurechtkommt: Glücklich ist, wer auf den Herrn hofft; er wächst und gedeiht. Unglücklich ist, wer auf Menschen setzt; er verdorrt wie ein Strauch in der Steppe. Für Familie Wilde ist es so einfach nicht.

      Evangelium

      In jener Zeit stieg Jesus mit den Zwölf den Berg hinab. In der Ebene blieb er mit einer großen Schar seinerJünger stehen und viele Menschen aus ganz Judäa und Jerusalem und dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon waren gekommen.

      Jesus richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte: Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und wenn sie euch ausstoßen und schmähen und euren Namen in Verruf bringen um des Menschensohnes willen. Freut euch und jauchzt an jenem Tag; denn siehe, euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den Propheten gemacht.

      Doch weh euch, ihr Reichen; denn ihr habt euren Trost schon empfangen. Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen. Weh, wenn euch alle Menschen loben. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht.

      Lukasevangelium 6,17–18a.20–26

      Marie-Sophie und Philipp Wilde sitzen vor dem Computerbildschirm, um im Interview über Glück und Hoffnung zu sprechen. Von beidem gibt es in der Familie reichlich, denkt man, wenn man ihnen zuschaut und zuhört. Gerade erwarten sie ihr zweites Kind. Philipp, 37 Jahre alt und Bauingenieur, hat freigenommen; sie genießen die gemeinsame Zeit vor der Geburt zu Hause in Leipzig.

      Die beiden klingen dankbar, als sie von ihrem Alltag erzählen, von ihrer kleinen Tochter, von Feiern mit ihren Großfamilien, vom Zusammenhalt im Freundes- und Bekanntenkreis. Man könnte sagen: Sie sind glücklich, ja gesegnet.

      Dieses Wort verwendet auch der Prophet Jeremia. Ein gesegneter Mensch ist für ihn einer, der an Gott glaubt. „Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und zum Bach seine Wurzeln ausstreckt“, schreibt er. Der glaubende, gesegnete Mensch hat Hoffnung und Zukunft, er weiß, woher er kommt und woraus er Kraft zum Leben zieht.

      Marie-Sophie Wilde findet sich im Bild vom Baum am Wasser wieder. „Es gibt ja viele Dinge, die uns Wurzeln schlagen und im Leben wachsen lassen“, sagt sie. Ihre Lebenskraft gründet in der Familie, in die sie hineingeboren wurde und die im Erzgebirge ihre Heimat hat. Dass jedoch nur gesegnet ist, „wer auf den Herrn vertraut und dessen Hoffnung der Herr ist“, wie es der Prophet Jeremia schreibt, das würde Marie-Sophie Wilde nicht sagen.

      Sie stammt aus einem atheistischen Elternhaus. „Glaube war kein Teil unserer Familienkultur“, sagt sie. „Und dennoch hat mir meine Familie Werte und Moralvorstellungen mitgegeben.“ Was einem im Leben Kraft gibt, sei ja nicht nur der Glaube, sagt sie, sondern „dass man eingebettet ist in die Familie, aus der man stammt, und in die Familie, die man selber mit seinem Partner formt“.

      Und es war nicht nur die Familie. „Wir hatten eine unglaublich gute Ethiklehrerin. Die hat vielleicht nie den Lehrplan gelesen, aber sie hat mit uns darüber gesprochen, was Moral ist“, erzählt Marie-Sophie Wilde. Was machst du, wenn dir die Kassiererin im Supermarkt zu viel Wechselgeld gibt? Freust du dich, oder denkst du daran, dass sie möglicherweise Ärger bekommt? Ihre Lehrerin habe manchmal Obdachlose aufgenommen und ihre Schülerinnen eingeladen. „Wir haben dann zusammen gekocht und zugehört, was dieser Mensch zu sagen hat. Das hat mich geprägt.“

      Auch Wildes Mann Philipp fühlt sich in seiner Familie und in seiner erzgebirgischen Heimat verwurzelt. Nur, dass er katholisch ist wie seine Vorfahren väterlicherseits; mütterlicherseits waren sie evangelisch. Für ihn war Glaube immer präsent: In der Familie haben sie miteinander gebetet, sind gemeinsam in den Gottesdienst gegangen; zusammen mit anderen Kindern hatte er Religionsunterricht.

      Mit 18 wurde Wilde Zivildienstleistender im katholischen Jugendhaus des Bistums Dresden-Meißen. Das Winfriedhaus in Schmiedeberg war in dieser Zeit sein Zuhause und Ausgangspunkt vieler Freundschaften, die bis heute bestehen. „Für mich hat Glaube ganz viel mit Gemeinschaft zu tun“, sagt Wilde. Kirche sind für ihn die Menschen, die man in der Kirche trifft. Und es ist „auch der Glaube, der uns Trost gibt.“

      Er muss nicht sagen, dass ein Mensch, der gestorben ist, nun einfach nicht mehr da ist. „Das würde mich zu Tode traurig machen“, sagt er. Nein, er könne sagen: „Hey, da ist noch einer, der lebt bei Gott und der passt auf dich auf“. Wie seine verstorbenen Großeltern zum Beispiel. Das trägt schon dazu bei, wie Jeremia in so schönen Bildern sagt, auch in trockenen Zeiten grüne Blätter zu behalten.

      Der Glaube und die katholischen Gottesdienste sind Philipp Wilde ein Stück Heimat, in denen er seinen Alltag reflektiert: „Wann hat man schon mal die Gelegenheit, innezuhalten und sich Gedanken zu machen?“ Aber einen Gegensatz, wie Jeremia ihn konstruiert – die einen vertrauen auf Gott, die anderen auf Menschen –, den hört man bei Wilde nicht. Er vertraut auf beide: „Ich denke immer an die positiven Dinge, die mir Hoffnung machen.“

      Und nennt Beispiele, etwa dass „wir uns als Gesellschaft darauf geeinigt haben, in der Coronapandemie die Älteren zu schützen. Oder dass wir innerhalb von wenigen Monaten Gasterminals gebaut haben, um das Energieproblem zu lösen“. Er sieht Menschen in der Lage „unheimliche Kräfte aufzuwenden, um Sachen nach vorne zu bringen.“

      In dem Punkt stimmt er mit seiner Frau Marie-Sophie überein. Für sie ist Hoffnung nichts, das vom Himmel fällt, sondern das auch mit dem eigenen Handeln zu tun hat. Die 37-Jährige ist Naturwissenschaftlerin und Nachhaltigkeitsmanagerin. „Das heißt, ich kümmere mich darum, wie Unternehmen weniger schlecht sein können“, sagt sie. Mit ihrer Arbeit will sie dafür sorgen, dass Produktionsstandorte den Menschen nicht das Grundwasser wegnehmen. Auch ein Weg, damit, um mit Jeremia zu sprechen, „der Strauch in der Steppe“ nicht vertrocknet.

      Auf den Herrn vertrauen oder auf Menschen – das widerspricht sich für die Wildes nicht. Die Probleme der Welt, Kriege, Armut und Menschen auf der Flucht, sind Thema bei ihnen zu Hause. Manchmal gibt sich Marie-Sophie Wilde die ganz düsteren Reportagen im Fernsehen, zum Beispiel über die Folgen des Klimawandels. Doch „ich bin danach trotzdem nicht hoffnungslos“, sagt sie. „Ich bin traurig, aber ich rolle mich nicht ein, sondern sage mir: So, wir haben die Probleme benannt, und jetzt gehen wir los und handeln.“

      Barbara Dreiling