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    Vortrag über Gewalt und Monotheismus im Alten Testament

    Gewaltsam die Gewalt beenden?

    Vortrag über Gewalt und Monotheismus im Alten Testament
    ASCHAFFENBURG. Das Alte Testament macht etwas, das in der modernen Gesellschaft weitgehend tabu ist: Es stellt Gewalt dar, ausführlich und unverblümt. Es nennt sie beim Namen, verurteilt sie als Ungerechtigkeit den Schwachen gegenüber und als Sünde. Und: Es lässt die Einsicht wachsen, dass es besser ist, Opfer zu sein als gewalttätiger Sieger. Auf diesen Nenner lässt sich der Vortrag des Frankfurter Jesuitenprofessors Norbert Lohfink bringen. In Aschaffenburg referierte er im Rahmen der vom Martinushaus veranstalteten Dienstagsgespräche über „Gewalt und Monotheismus – Beispiel Altes Testament“.
     
    Vehement widersprach der Referent einer These von Jan Assmann, der Ägyptologe an der Universität Heidelberg ist. Assmann hat behauptet, die Idee vom Monotheismus, dem Glauben an einen einzigen Gott, enthalte an sich schon Gewalttätigkeit. Die drei großen monotheistischen Religionen – das Judentum, das Christentum und der Islam – seien deshalb Religionen der Gewalt oder zumindest der Intoleranz. Wenn auch nicht von den Juden, so sei die Gewalt im Namen der „einzig wahren“ Religion von Christen und Muslimen auch umgesetzt worden.
    Lohfink sieht das anders. Anhand zahlreicher Beispiele aus dem Alten Testament belegte er seine These, Gott habe mit dem von ihm auserwählten Volk Israel „eine Art Gegengesellschaft inmitten der gewaltverhafteten Weltgesellschaft“ schaffen wollen. Nichts in der Geschichte Israels deute darauf hin, dass es mit der Hinwendung zum Monotheismus stärker zur Gewalt geneigt habe.
    Im Gegenteil. Der alte Orient sei voll Blut und Tod gewesen. Davon berichte das Alte Testament ausführlich, und zwar nicht, weil das Judentum eine besonders grausame Religion sei. Die Verfasser seien vielmehr sehr sensibel für Gewaltvorgänge und -strukturen gewesen, hätten sie aufgedeckt und angeprangert. Das Befremden, das das Alte Testament bei vielen modernen Menschen auslöse, deutete Lohfink als Hinweis, dass die alten, Gewalt verdeckenden Mechanismen heute ähnlich stark wirkten wie in der vorbiblischen Zeit.
    „Größte aller Perversionen“
    Kreuzzüge und Dschihad: Nach Meinung des Referenten gehören sie, obgleich geschichtliche Tatsachen („Die Leute im Orient haben noch das Bewusstsein der Kreuzzüge!“), nicht zum „Wesen“ von Christentum und Islam, den aus dem Judentum hervorgegangenen Religionen. Es sei vielmehr die „größte aller Perversionen“, zu versuchen, gewaltsam die Gewalt in der Welt zu beenden und die Vision vom endgültigen Frieden und Glück zu verwirklichen, wie sie im Alten Testament – Micha 4 und Jesaja 2 – beschrieben wird: „Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen.“ Die Propheten Micha und Jesaja sprächen von den Bewohnern des Berges Zion als einer gerechten und friedvollen Gesellschaft, die alle anderen Völker überrage und diese fasziniere. Die anderen Völker strömten begeistert hoch zu ihr und zu Gott und lernten den Frieden. „Alles geschieht in Freiheit, es gibt keinen Zwang“, betonte der Referent. Gottes Sieg über die Gewalt laufe über die Verwandlung eines Volkes.
     
    Erbarmen mit den Schwachen
    Der Israel gezeigte Weg zum Frieden sei in drei entscheidenden Schritten vor sich gegangen. Am Anfang sei das Volk selbst „eine Welt der Gewalt“ gewesen, einer legitimen zwar, weil rechtlich geordnet. „Um Gewalt zu bändigen, ist leider Gewalt vonnöten“, sagte Lohfink. Doch in der Thora und bei den Propheten werde das Bild einer Gerechtigkeit entworfen, zu der das Erbarmen mit den Schwachen gehöre, die gegenüber der Durchsetzung des Rechts vor allem die Versöhnung ins Licht rücke. Denn letztendlich könne der Balanceakt zwischen Gewalt und Gegengewalt nie funktionieren, weil er immer zu neuer Ungerechtigkeit führe.
     
    Der Gewalt sich aussetzen
    Der entscheidende dritte Schritt sei die Einsicht gewesen, dass es besser sei, Opfer zu sein als gewalttätiger Sieger, wie es im vierten Gottesknechtslied (Jesaja 52,13 bis 53,12) dargestellt werde. Der ganze Ernst der Vision einer friedlichen und gerechten Welt zeige sich hier: „Es geht nicht ohne die Bereitschaft, sich selbst der Gewalt auszusetzen, und ohne den Glauben, dass Gott gerade dann sich durchsetzen wird.“
    Der Jesuitenpater bedauerte, dass in der neueren Entwicklung der christlichen Liturgie zu wenig Platz für die „Klage“ in Gottesdienst und Gebet sei. Die Schreiber der Psalmen im Alten Testament hätten ihre Sorgen und Anliegen vor Gott formuliert. Das wieder zu lernen, könne auch den modernen Menschen helfen: „Wenn wir klagen können, lernen wir, darin stark zu werden und Frieden herzustellen.“