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Würzburg. Für Heinrich Widerspan ist „VAmB“ ein Glücksfall. Seit September nimmt der junge Mann, dem ein spezieller Förderbedarf attestiert wurde, am Programm der „Verzahnten Ausbildung mit Berufsbildungswerken“ teil.
Der etwas sperrig klingende Name bezeichnet eine neuartige Kooperation der Agentur für Arbeit und des Caritas-Don Bosco Berufsbildungswerks Würzburg (BBW) mit dem Ziel, die Ausbildung von Jugendlichen mit Handicap stärker mit der Praxis zu verzahnen, um sie besser in die Arbeitswelt zu integrieren. Grundlage für die inklusive Ausbildung und Beschäftigung bildet die UN-Konvention vom Mai 2008, die unter anderem ein „gleiches Recht auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen“ formuliert. Zugleich verpflichtet das Sozialgesetzbuch jeden Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen, wenigstens fünf Prozent seiner Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten zu besetzen.
„Sehr zurückhaltend“
Doch die Realität sieht oft anders aus: So war im Agenturbezirk Würzburg im November 2014 jeder zehnte Arbeitslose schwerbehindert, etwa 40 Prozent aller Schwerbehinderten gelten als langzeitarbeitslos. Die Bereitschaft der Betriebe, Behinderte einzustellen, sei „sehr zurückhaltend“, formuliert der Geschäftsführer der Würzburg Arbeits- agentur, Eugen Hain, diplomatisch, so mancher zahle lieber die Ausgleichsabgabe an das Integrationsamt. Ähnlich sieht es im Bereich Ausbildung aus, der stark unter dem demografischen Wandel zu leiden hat. Die Folge: Zahlreiche Ausbildungsstellen – 405 waren es zum Jahresende in den Landkreisen Würzburg, Main-Spessart und Kitzingen – bleiben unbesetzt.
Angesichts solcher Zahlen kann Hain nur den Kopf schütteln. „Schon allein aus volkswirtschaftlicher Sicht können wir uns das nicht leisten“, sagt er: „Unternehmen gefährden ihre Wettbewerbsfähig- keit, wenn sie angesichts des rückläufigen Fachkräfteangebotes auf das gesamte Potenzial vorhandener Arbeitskräfte verzichten.“ Insofern sei die Beschäftigung von Menschen mit Handicap „keine soziale Wohltat, sondern ein Gebot ökonomischer Vernunft“. Ängste wie die vor mangelnder Belastbarkeit seien unbegründet, kursierende Gerüchte zum Kündigungsschutz teilweise falsch. „Behinderte Menschen sind, wenn sie richtig eingesetzt werden, voll leistungsfähige und wertvolle Mitarbeiter“, ergänzt der Teamleiter für die Bereiche Reha und Schwerbehinderte, Peter Müller.
Betriebsnahe Ausbildung
Um die Inklusion von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig zu verbessern, hat die Bundesagentur für Arbeit 2012 das Programm der „Verzahnten Ausbildung mit Berufsbildungswerken“ (VAmB) angestoßen. Während junge Menschen mit Behinderung oder Reha-Status bisher ausschließlich in Berufsbildungswerken ausgebildet wurden, erhält künftig ein Teil der Azubis die Möglichkeit zu einer deutlich betriebsnäheren Ausbildung. Das bedeutet: Die Jugendlichen absolvieren nach einer zwölfmonatigen Grundausbildung im Berufsbildungswerk bis zur Hälfte ihrer Ausbildung, mindestens aber sechs Monate in einem externen Betrieb. „Im Unterschied zum Praktikum geht es hier um Ausbildungsinhalte“, betont Peter Müller. Zugleich lernt der Azubi die reale Berufswelt kennen, knüpft erste Kontakte und hat damit bessere Chancen auf eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt.
Die kooperierenden Betriebe wiederum profitieren mit der Ausbildung eines Jugendlichen mit Förderbedarf von einer „Alternative ohne Risiko“, erläutert Müller: Sie lernen motivierte Jugendliche kennen und können deren Ausbildung mitgestalten. Ausbildungsvertrag und Ausbildungsverantwortung laufen indes weiter über das Berufsbildungswerk, für das Unternehmen fallen weder Ausbildungsvergütung noch Sozialversiche- rungsbeiträge an. Außerdem steht den Firmen das Fachpersonal des Berufsbildungswerkes unterstützend zur Seite. „Die Kooperation ist damit eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten“, resümieren Eugen Hain und Peter Müller.
Trotz ADHS-Prognose
Ein gelungenes Beispiel gelebter Inklusion ist Heinrich Widerspan, der beim Berufsbildungswerk eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik durchläuft. Der heute 19-Jährige hatte aufgrund seiner ADHS- Diagnose verschiedene Schulen besucht. Nach dem Hauptschulabschluss begann er eine Lehre als Stahlbetonbauer, die er jedoch abbrach. Im Frühjahr 2012 kam er zu einer Arbeitserprobungsmaßnahme ans Berufsbildungswerk. Dort begann der Jugendliche mit Reha-Status eine Ausbildung zum Fachlageristen und bestand im Sommer 2014 seine Prüfung. Seit September arbeitet er nun an seiner Höherqualifizierung als Fachkraft für Lagerlogistik und ist jetzt im Rahmen der „Verzahnten Ausbildung“ bei der Firma Euro-Friwa in Würzburg tätig.
Unter den 50 Mitarbeitern, die im Lager des Großhandelsunternehmens für Friseurbedarf beschäftigt sind, fühlt sich Heinrich Widerspan sichtlich wohl. „Meine Aufgabe ist es, die Waren für Großaufträge zu kommissionieren“, erläutert er und zeigt stolz seinen Arbeitsplatz. Lagerleiter Josef Hartl blickt ihm dabei wohlwollend über die Schulter: „Bei Heinrich hat von Anfang an alles gepasst“, sagt er. Um vorbehaltlos an jeden Menschen herangehen zu können, fragt er im Vorfeld gar nicht nach, welches Handicap ein Auszubildender mitbringt – „mich interessiert die Qualifikation“. „Wenn es weiter so gut läuft, hat er im Sommer seinen IHK-Abschluss in der Tasche und wird wohl übernommen werden“, so Hartl.
Ausweitung läuft an
Bis ins Jahr 2020 soll das Konzept der Verzahnten Ausbildung auf
20 Prozent der in Berufsbildungswerken ausgebildeten Jugendlichen ausgeweitet werden. Dass man damit bereits auf einem guten Weg ist, bestätigt Caritas-Don Bosco-Ausbildungsleiter Frank Nikol. So befinden sich von den rund 250 Auszubildenden des BBW derzeit 14 in einer Verzahnten Ausbildung, sechs weitere Kooperationen sind in Planung, zwei bereits abgeschlossen. Theoretisch möglich ist VAmB übrigens in allen 39 Berufen, die das BBW derzeit anbietet – von der Hauswirtschafterin über den Holzfachwerker bis hin zum Fachinformatiker.
Anja Legge
Kontakte
Caritas-Don Bosco gGmbH, Ausbildungsleiter Frank Nikol, Telefon 0931/4192-235; E-Mail „nikol@bbw-wuerzburg.de“.
Gelegenheit zu Austausch. Information und Gespräch bietet auch das Don-Bosco-Fest am Sonntag, 1. Februar. Die Feier des 200. Geburtstags Don Boscos beginnt um 10 Uhr mit einem Festgottesdienst in der Don-Bosco-Kirche, anschließend gemeinsames Mittagessen.