„Wir möchten den jungen Frauen eine Heimat auf Zeit bieten.“ Sozialpädagogin Ute Berger leitet die Wohngemeinschaft Berscheba und kümmert sich mit einem Team von drei Sozialpädagoginnen um sieben junge Frauen. Die Betroffenen kommen häufig nach einen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik in die stationäre Einrichtung des Fachbereichs Frauen, weil sie gezielte sozialpädagogische Hilfe brauchen.
Denn oft haben sie physische, psychische oder auch sexuelle Gewalt erfahren: in ihrem Elternhaus oder in partnerschaftlichen Beziehungen. Die jungen Frauen sind traumatisiert und leiden unter Ess- und Persönlichkeitsstörungen. „Die Betroffenen kommen mit ihrer ganz eigenen Lebensgeschichte, mit ihren Verletzungen, aber auch mit ihren Sehnsüchten, Stärken und Begabungen.“ Dieses Kräfte zu aktivieren und zu fördern, sei die Aufgabe der Mitarbeiterinnen, erklärt Berger.
Fördern und fordern
Sieben Tage in der Woche sind die Sozialpädagoginnen Ansprechpartner, sie helfen den Frauen, einen Schulabschluss nachzuholen oder eine Ausbildung zu beginnen. Sie begleiten ihre Schützlinge zu Ämtern, zur Berufsberatung oder zum neuen Chef. Ein Stück normale Arbeitswelt erleben die Frauen darüber hinaus in einem Praktikum im Kloster Oberzell. Dort haben sie Gelegenheit, in Küche und Garten mitzuarbeiten.
Die Frauen bekommen Geld für Lebensmittel, Kleidung und den persönlichen Bedarf. Bei der sinnvollen Einteilung stehen ihnen die Pädagoginnen zur Seite. Daneben müssen auch häufig bereits vorhandene Schulden der Betroffenen reguliert und abgebaut werden. Von den jungen Frauen wird aber auch eine Gegenleistung erwartet. „Sie müssen motiviert mitarbeiten und den festen Willen haben, dass sie ihr Leben wieder in den Griff bekommen“, erklärt Ute Berger. Das Pädagogenteam gehe mit „Liebe und Konsequenz“ zu Werke, um die Frauen zu unterstützen. „Sie haben wenig Durchhaltevermögen, haben viele berufliche und soziale Abbrüche erlebt. Da ist eine gewisse konsequente Motivation wichtig.“
Heimat auf Zeit seit 1995
Eröffnet wurde die Wohngemeinschaft Berscheba im September 1995. Die Neugründung dieses Hauses war erforderlich, da immer mehr Anfragen von jungen Frauen über 18 Jahren im bestehenden Haus „Magdala“ eingingen. Diese Einrichtung auf dem Gelände des Klosters Oberzell war hingegen für jüngere Mädchen und Jugendliche konzipiert. Um jedoch auf den wachsenden Bedarf der anderen Altersgruppe zu reagieren, hat das Kloster die neue Wohngruppe Berscheba eingerichtet. Diese Einrichtung ist nach einem Wüstenort im Alten Testament benannt, in den eine vertriebene Frau namens Hagar mit ihrem Sohn Ismael flüchtete und dort Gott um Hilfe gebeten hat.
Vertrauen braucht eine Weile, um zu wachsen – darum leben die jungen Frauen für einen Zeitraum von einem bis drei Jahren in der Wohngemeinschaft Berscheba. „Es dauert, bis sie sich einigermaßen eingelebt haben. Sie benötigen diese Zeit, um Abstand zum Erlebten zu bekommen und es aufarbeiten zu können“, erläutert Berger. Insgesamt 55 Frauen haben in den vergangenen zehn Jahren diesen Prozess durchlaufen. Der Bedarf an solchen stationären Plätzen stieg in dieser Zeit um 40 Prozent. Kein Wunder, dass die Zimmer in der Peterpfarrgasse alle belegt sind. Auf Wunsch begleiten die Pädagogen die Frauen auch nach dem Einzug in eigene vier Wände eine bestimmte Zeit weiter. So soll der sichere Übergang in die Selbstständigkeit gestützt werden.
Das Leben wiederfinden
„Dieses intensive Behandlungsangebot gibt den Frauen die Chance, wieder Boden zu gewinnen“, erklärt Karin Rixner, Therapeutin aus Höchberg. Viele Psychologen und Therapeuten suchten immer wieder eine frauenspezifische Einrichtung für ihre Patientinnen. Rixner schätzt eine Einrichtung wie die Wohngemeinschaft Berscheba. „Für Frauen, die sich in Krisensituationen befinden, ist es wichtig, einen Ort zu haben, an dem sie für längere Zeit Schutz, Zuflucht und ein Zuhause finden können.“ Insbesondere für die Therapie von sexuell traumatisierten Frauen sei es entscheidend, dass sie ihr Umfeld verlassen und sich dadurch stabilisieren können, erläutert Rixner. Ein engmaschiges Netz zwischen den Verantwortlichen und vielen Ämtern, Schulen, Kliniken, Rechtsanwälten und Therapeuten ist bei dieser Aufarbeitung sehr wichtig. Die Plätze in der Wohngemeinschaft werden zu einem Drittel auch bundesweit vergeben. Die Kosten für die Betreuung – 75 Euro pro Platz und Tag – tragen seit einigen Jahren der Bezirk Unterfranken wie auch andere überörtliche Sozialhilfeträger und die zuständigen Jugendämter. Zu Beginn finanzierten die Oberzeller Franziskanerinnen die Wohngemeinschaft noch selbst. Schwester Irmlind Rehberger, Leiterin des Fachbereichs Frauen, erinnert sich: „Wir haben den Bedarf gesehen und wollten den Frauen helfen.“ Die Finanzierung habe da nicht im Vordergrund gestanden. Die Probleme der Frauen anzugehen und Zuversicht zu schenken sei das primäre Ziel, erklärt Schwester Irmlind. „Nur so kann die von uns geliehene Hoffnung mit der Zeit zu ihrer eigenen werden.“