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    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Pilgern auf einsamen Wegen: der Gunthersteig

    Geheimtipp aus dem Grenzgebiet

    Hier also war es. Hier endete sein irdischer Lebensweg am 9. Oktober des Jahres 1045. Hier stand seine letzte Klause, inmitten des entlegenen Böhmerwalds zwischen den heutigen Dörfern Prasily und Dobra Voda. Erhalten hat sich nichts – dazu war ein knappes Jahrtausend einfach zu lang. Doch eine Kapelle und daneben ein kreuzgekrönter Fels erinnern an ihn. Die Rede ist von Gunther, einem historisch verbürgten Volksheiligen, um den sich Rätsel und Mythen ranken. Dazu passt die Aura um die Kapelle, deren weiß-rosa Anstrich mit der Natur kontrastiert.

    Der Böhmerwald ist ein wahrer Zauberwald. Baumwurzeln spreizen sich wie Monsterklauen ab. Gespenstisch rauscht der Wind durch die Wipfel. Boden und Steine sind mit leuchtgrünem Moos überzogen. Das Altarbild in der Kapelle zeigt Sankt Gunther als alten Mann mit verklärtem Blick, barfuß, gehüllt in dunkle Ordenstracht. Er war Benediktiner und Einsiedler, Vermittler zwischen den Völkern und als sogenannter „Rodungsmönch“ Pionier in Sachen Erschließung des Bayer- und Böhmerwalds. Genau dort hindurch führt der Gunthersteig, ein neu aufbereiteter Pilger- und Fernwanderweg von Niederalteich in Bayern nach Blatna in Tschechien. 160 Kilometer, unterteilt in neun Tagesetappen, bislang sehr wenig frequentiert und definitiv ein Geheimtipp. Doch vorab ein offenes Wort für die, die gleich die Wanderstiefel schnüren und aufbrechen wollen: Die letzten drei Etappen lohnen kaum und haben keinen Bezug zu Gunther mehr, weshalb sich als Endpunkt das tschechische Städtchen Susice empfiehlt; ab dort kommt man problemlos mit Bus und Bahn zurück nach Deutschland.

    Start in der Donauebene

    Unübersehbar weist in Niederalteich das Turmdoppel der barocken Basilika auf den Beginn des Weges in der Donauebene. Im Ortskern startet der Gunthersteig – allerdings nicht klassisch markiert als „Kilometer Null“, sondern mit dem modernen Guntherbrunnen neben dem Gotteshaus. Bronzereliefs zeigen Szenen aus dem Leben des Heiligen, der laut Überlieferung einem thüringischen Adelsgeschlecht entstammte, dem weltlichen Leben entsagt, am Weihnachtstag 1005 um Aufnahme ins Benediktinerkloster im hessischen Hersfeld gebeten und all seine Güter verschenkt hat. Durch den Einfluss seines väterlichen Freundes, des Abtes Godehard, kam er ins Kloster von Niederalteich, wie es heißt. Allerdings wirft sein oft kolportiertes Geburtsjahr 955 (mitunter sogar datiert auf 950) erhebliche Zweifel auf. Der Heimatforscher und vormalige Grundschullehrer Josef Dengler (68) aus dem Etappenort Rinchnach, der als Koryphäe zum Thema Sankt Gunther gilt, geht „eventuell“ vom Geburtsjahr „erst um 985“ aus. Das ließe die Vita deutlich schlüssiger erscheinen. Legte man eine Geburt 955 oder 950 zugrunde, dürfte Gunther mit Anfang oder Mitte Fünfzig einer der ältesten Novizen im Mittelalter gewesen sein.

    Der den Wald rodet

    Die Einstiegsetappe Niederalteich-Lalling (19 Kilometer) bewegt sich zunächst unter dem Einfluss von dem, was wir Zivilisation nennen. Bebauung – Gewerbegebiete – Straßenlärm. Doch es gibt Lichtblicke: erste Bach-, Wiesen- und Waldstücke. Kurz vor dem Dorf Auerbach erhebt sich Gunther als übermannsgroße Holzskulptur. In Sicht höckert sich der vordere Bayerische Wald auf – und genau darauf geht es zu. Lalling ist bekannt für seine Streuobstwiesen und alles, was sich aus Äpfeln machen lässt. Ein herrliches Waldstück auf der zweiten Etappe Lalling-Rinchnach (19 Kilometer) führt bei einem Kurzabstecher zum kreuzbesetzten Guntherstein, bei dem es sich in Wahrheit um einen kapitalen Felsen handelt. Da dem Heiligen die Härte des Klosterlebens nicht genügte, zog er sich dort ab 1008 als Eremit zu Gebeten und Kontemplation zurück. Es war seine erste Klause im Bayerischen Wald, gefolgt von einer weiteren auf der dritten Etappe Rinchnach-Zwiesel (15 Kilometer): dort, wo nunmehr das Wallfahrtskirchlein Frauenbrünnl liegt. Der Winter 1011/12 ging Gunther an die Substanz. Er erkrankte schwer und entkam haarscharf dem Tod. Orgelempore und Decke in dem barocken Sakralbau sind ausgemalt, wobei der Künstler nicht den höchsten Weihen entsprach. Seine Hinterlassenschaften, darunter das Motiv von Gunthers Sterbestunde, tragen naive Züge. Die Skulptur in goldenem Gewand im Altarraum zeigt den Heiligen mit seinem typischen Attribut, das auch das Logo des Gunthersteigs ziert, der Hacke: „als der, der den Wald rodet“, sagt Experte Dengler.

    Besonderheiten auf den deutschen Abschnitten des Gunthersteigs sind Impulstafeln, die die Gedanken ins Rollen bringen. Da geht es um das Wesentliche, für das wir dankbar sein sollten, und um Wege, die in Parallelbildung zum eigenen Leben nicht gradlinig verlaufen. Am Rand der Glasstadt Zwiesel liest man kurz hinter der Brücke über den Fluss Regen: „Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen, zum Friedenstiften, zur Versöhnung, zum Weitergehen.“

    Ein Höhepunkt auf der vierten, nun grenzüberschreitenden Etappe Zwiesel-Prasily (21 Kilometer) ist das Bauernhausmuseum in Lindberg. Der Gunthersteig führt genau daran vorbei und weiter über den alten Glashüttenstandort Spiegelhütte in den Nationalpark Bayerischer Wald. Fortan fühlt man sich von der Einsamkeit verschluckt. Ein Traum. In den Klang der Stille mischen sich Vogelkonzerte und das Rauschen eines Bachlaufs, der die Grenze zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik markiert. Einst verhinderte der Eiserne Vorhang das Fortkommen. Der Weg, nun im tschechischen Nationalpark Sumava, steigt auf über eintausend Meter an. Die Höhenluft ist frisch und unverbraucht. Prasily empfängt mit Häusern, denen sogenannte Biberschwanzdächer aufsitzen, und den wiederhergestellten Grundmauern der zu Kommunismus-Zeiten gesprengten Kirche Sankt Prokop.

    Glasaltar und Fresken

    Idyllisch wird es auf der fünften Etappe Prasily-Hartmanice (14 Kilometer) in der Senke des Flüsschens Kremelna, das moorschwarzes Wasser führt. Da fühlt man sich nach Kanada oder Skandinavien versetzt. Nach einem Abstecher zur eingangs erwähnten Guntherkapelle und dem Guntherfelsen ist Dobra Voda erreicht. Dort soll Eremit Gunther oft aus einer Quelle geschöpft haben, die nun in einen oktogonalen Schutzbau gefasst ist. Sehenswert in Dobra Voda sind der moderne Glasaltar in der Sankt Gunther-Kirche und eine Dauerausstellung zum Heiligen im Simon-Adler-Museum. Dort begegnet man ihm als spätgotischer Gnadenstatue und in Form von bunten Hinterglasmalereien.

    Ein Glanzlicht auf der sechsten Etappe Hartmanice-Susice (16 Kilometer) setzt Sankt Maurenzen, die älteste Kirche im Böhmerwald, ausdekoriert mit Fresken. Das benachbarte Beinhaus lässt erschaudern. Man vermutet, dass der Kirchenvorläufer auf eine Gründung Gunthers zurückgeht. Danach fällt der Weg ins Tal des Flusses Otava ab – und verflacht hinter Susice zum Böhmischen Becken hin vor allem vom Erlebniswert her. Die drei Folgeetappen bis zum Wasserburg-Städtchen Blatna würden nur Sinn haben, falls der Gunthersteig irgendwann weiter bis Prag fortgesetzt würde. Dort liegt der Heilige im Benediktinerkloster Brevnov begraben.

    Andreas Drouve

    Ausführliche Informationen zu den Etappen des Gunthersteigs unter www.gunthersteig.com.