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    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Geh den Weg durch die Nacht ...

    Es ist stockfinstere Nacht, als die ersten Schatten an der Pfarrkirche in Retzstadt auftauchen. Knapp 90 sind es an der Zahl. Unter den Laternen wirken die Gesichter wenig sportlich. Die Augen sind geschwollen, dem ein oder anderen entrutscht ein Gähner. Nicht alle schauen um vier Uhr so aus, als ob es ihnen leicht gefallen wäre, das Bett gegen die Wanderschuhe zu tauschen. Doch der Wunsch, gemeinsam den Sonnenaufgang zu erleben, war stärker. „Lasst uns aufbrechen zur Quelle der Freude“ lautete das Thema der Sonnenaufgangswanderung, zu der der Trägerverein Besinnungsweg Retztal am Sonntagmorgen eingeladen hatte.
    Auf knapp 14 Kilometern folgt der vor 18 Jahren angelegte Weg einer Route durch das Retztal und über die angrenzenden Höhen. Die Idee stammt von dem Retzstädter Augustinerpater Fritz Schaub, einem passionierten Bergwanderer. Ursprünglich plante er, eine Gebetsstätte für geistliche Berufe zu schaffen. Doch bei der Errichtung des Weges zeigte sich, dass er auch Laien und Menschen anspricht, die einer anderen oder keiner Religion angehören. „Der Weg möchte das Staunen über die Schöpfung lehren“, erklärt Anna Post, die von Anfang an mitgeplant hat und nun die Wanderungen organisiert. „Gott gibt uns in der Natur so viele Bilder, die zu uns sprechen.“   Die erste Etappe führt durch den Wald. Hier gibt es keine Laternen. In der völligen Dunkelheit fällt es schwer zu glauben, dass in nur einer Stunde die Dämmerung einsetzt. Manche haben Taschenlampen dabei. Doch allmählich gewöhnen sich die Augen an die Dunkelheit, sie fangen das wenige Licht der leuchtenden Mondsichel ein, das der Schotter des Wegs reflektiert. Manchmal zwitschert schon ein Vogel, weitere stimmen ein in den Gesang der Natur.   Es ist kurz nach fünf Uhr, als der Weg den Wald verlässt. „Es hat schon eine tolle Wirkung, wenn man plötzlich im Hellen steht“, fasst Adolf Pfister aus Retzstadt später seinen Eindruck zusammen. Der sportlich gekleidete Mann ist regelmäßig dabei. Für ihn sind es die Gemeinschaft, aber auch die Ruhe und Kühle mitten im Hochsommer, die ihn immer wieder dazu verlocken. „Manchmal sieht man Tiere über den Weg flitzen oder kann sie beim Äsen beobachten“, erzählt er.  

    Keine frommen Sprüche

    Hier, in den Auen des Retztals, steht die Emailleskulptur „Völkerwallfahrt“ der Reichenberger Künstlerin Inge Sandeck. Auf vier verschiedenfarbigen Bahnen bewegen sich Menschen auf das himmlische Jerusalem zu. Von hier führt der Besinnungsweg zur Wallfahrtskirche „Maria im grünen Tal“, dem Gebetsort für die Einheit der Christen. Die Stationen sind so gestaltet, dass sie voreilige Festlegungen vermeiden, es gibt keine Tafeln mit „frommen Sprüchen“, erklärt Anna Post, die die Texte auswählt und oft auch selber schreibt.   Die Stationen setzen auf Symbole, die Fragen aufwerfen. Manchmal genügt ein alter Pflug, der am Waldrand aufgestellt ist, manchmal braucht es eine Zeitleiste, die auf einem Kilometer darstellt, wie kurz die Zeit ist, seitdem der Mensch auf der Erde herumgeistert. Besonders in den ersten Jahren sind immer wieder Stationen dazugekommen. Die Sportler aus Retzstadt haben zum 75. Geburtstag der DJK einen Gedenkstein aufgestellt. Die Holzskulptur „Wegweiser“ wurde von  acht Patienten der Forensik des Lohrer Bezirkskrankenhauses gestaltet. In eindrucksvollen Texten beschreiben sie ihre oft bedrückenden Innenwelten.   Unterwegs wird gesungen, Frauen begleiten auf der Gitarre. Die Texte greifen in diesem Jahr auf Jesu Aufruf „Werdet wie die Kinder“ zurück. „Glücklich ist man, wenn man ganz bei der Sache ist, wie bei der Liebe, wie im Gebet, wenn wir uns ganz auf Gott einlassen“, heißt es in einer der Meditationen.  

    „... wie Wind und Weite“

    Alltagssorgen scheinen in solchen Momenten meilenweit entfernt. In dem Moment, als die Sonne erstmals über die Wolken steigt, stehen die Wanderer gerade auf der Breitfeldhöhe, dem höchsten Berg des Maindreiecks, und singen das Lied „Herr deine Liebe ist wie Gras und Ufer, wie Wind und Weite und wie ein Zuhause.“ Bei klarem Wetter sind von dem 380 Meter hohen Hügel am Horizont der Kreuzberg, der Spessart oder der Steigerwald zu sehen. Nicht nur diese Szene wirkt so, als hätte sie ein unbekannter Regisseur choreographiert.   Viereinhalb Stunden später stehen die Wanderer vor der Retzstädter St.-Andreas-Kirche. Die Sonne zeigt bereits ihre volle Kraft. Nun suchen die Wanderer den Schutz im Schatten der Bäume. Das Frühstück und der Kaffee im kühlen Pfarrheim schmecken so wie selten.   Das Augustinerkloster gibt es nicht mehr. Es steht nun schon seit einigen Jahren leer. Geblieben ist der Besinnungsweg und sein „Lob der Schöpfung“.    

    Geh Deinen Weg

    Der Trägerverein Besinnungsweg lädt fünfmal im Jahr dazu ein, die 14 Kilometer lange Strecke gemeinsam zu erwandern. Geführte Wanderungen sind auf Anfrage ebenfalls möglich. In den Pfarrämtern Retzbach (Telefon 0 93 64/99 30) und Retzstadt (Telefon 0 93 64/13 95) sind ein Faltplan und das Buch „Geh Deinen Weg“ erhältlich: Darin sind Texte, Bibelworte und Gebete zusammengetragen, die den Weg begleiten und die Stationen erläutern.