Schwester Philippa, wie kam es denn zu Ihrem ersten Buchprojekt?
Kurz nach meiner Wahl ins Frauenforum des Synodalen Weges war eine Kaffeepause. Da stand ich mit zwei Bischöfen zusammen, die mir sagten: „Wir wissen gar nicht, was dieses Frauenforum eigentlich soll. Wir kennen gar keine Frauen, die Diakonin oder Priesterin werden wollen.“ Ich entgegnete: „Oh, ich kenne viele.“ Dann war die Pause leider schon zu Ende. Ich habe dann darüber nachgedacht, wie ich diesen beiden Bischöfen das Gegenteil beweisen könnte. So habe ich zwölf Mails an mir bekannte Frauen geschrieben, von denen ich genau wusste, dass sie eine Berufung zur Diakonin und Priesterin haben, und habe sie um ein kurzes Lebens- und Berufungszeugnis gebeten.
Sie sagen, dass aus den zwölf angefragten Zeugnissen nach nur fünf Wochen 150 Texte wurden.
Ja, so war das. Erschütternde, bewegende, aufrüttelnde Texte. Ich war sehr überrascht über diese große Resonanz und mir war klar, dass ich so viele Texte nicht mit nach Frankfurt zur nächsten Synodalversammlung nehmen konnte. Ich wollte aber allen diesen Frauen gerecht werden und nichts in den Papierkorb werfen. Da habe ich Kontakt mit einem Bekannten im Herder-Verlag aufgenommen. Und der hat gleich gesagt: Das ist ein Buchprojekt. So ist „Weil Gott es so will“ entstanden.
Nach einem Jahr gibt es davon bereits fünf Auflagen. Hatten Sie so eine große Nachfrage erwartet?
An den Verkaufszahlen des Buches sieht man, dass mit ihm ein Tabu gebrochen worden ist. Ich habe in der Folge unglaublich viele Rückmeldungen von Männern und Frauen bekommen. Ein Bischof hat sich bei mir bedankt und geschrieben: Jetzt liegt das Thema „Weiheämter für Frauen“ endlich auf dem Tisch, und es wird da nicht mehr herunterkommen, bis sich etwas ändert.
Wie geht es Frauen, die eine Berufung in sich spüren, diese aber nicht leben können?
Die Frauen leiden darunter, fühlen sich diskriminiert, abgelehnt, nicht ernst genommen, belächelt. Die ältesten Autorinnen in diesem ersten Buch sind über 90 Jahre alt. Sie wissen seit 70 Jahren in ihrem Inneren, dass sie zur Priesterin oder Diakonin berufen sind. Dafür wurden sie ihr Leben lang verlacht, verhöhnt, ausgegrenzt. Manche haben überhaupt nicht mehr gewagt, darüber zu sprechen, weil sie beim ersten Mal bei einem Priester, den sie angesprochen haben, abgeblitzt sind. Viele sind dann andere Wege in der Kirche gegangen: Sie wurden Gemeinde- und Pastoralreferentinnen, Bildungsreferentinnen, Lehrerinnen und so weiter. Fast alle bis auf fünf sind bis heute im kirchlichen Umfeld tätig. In unserem zweiten Buch sagen einige Männer, dass sie sich wundern, dass die Frauen überhaupt noch in der Kirche sind.
Hat das Buch für die Frauen etwas bewirkt?
Ganz sicher, ja. Die Frauen hatten bis dahin still gelitten. Das Buch war dann wie eine lange geschüttelte Sektflasche, aus der jetzt der Korken herausgeflogen ist: eine Befreiung für die Frauen, ein Ausbruch aus der Tabuzone. Ganz viele von ihnen waren überrascht, dass es so viele andere mit ähnlichen Schicksalen gibt. Inzwischen ist es eine große Bewegung geworden. Ich hätte nach einigen Wochen problemlos einen zweiten Band machen können, weil viele mir geschrieben haben: Das ist ja genau meine Geschichte. Ich würde auch gern einen Beitrag schreiben.
Im zweiten Buch, das Sie mit Hochschulpfarrer Burkhard Hose herausgegeben haben, kommen nun Männer zu Wort. Haben die denn auch etwas zu diesem Thema beizutragen?
Ja, sehr wohl. Es kommen dort sehr unterschiedliche Männer der Kirche zu Wort: Bischöfe, Priester, Ordensmänner, Diakone, Familienväter. Die Argumente für die Öffnung der Weiheämter für Frauen liegen ja schon lange auf dem Tisch, so dass wir keine theologischen Traktate haben wollten. Uns ist es gelungen, die Autoren zu überzeugen, dass sie sehr persönlich schreiben. Es geht um persönliche Erfahrungen im Miteinander der Geschlechter in der pastoralen Arbeit, um Frauengestalten, die diese Männer geprägt haben, um ihre ganz persönliche Position zum Weiheamt für Frauen.
Und wie fällt die Positionierung der Männer aus?
Die ist sehr vielfältig. Es gibt einige, die zwar im Prinzip für die Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche sind, aber sich dann doch eher noch zurückhaltend äußern, wenn es konkret wird. Aber die große Mehrheit der Autoren spricht sich deutlich für Geschlechtergerechtigkeit und für die Öffnung aller Weiheämter für Frauen aus.
Was sind deren Argumente?
Sie sagen beispielsweise, unsere Kirche sei nur eine halbe, ja amputierte Kirche, wenn die Frauen nicht genauso Zugang zu den Weiheämtern bekommen. Sie sprechen von einer ungeheuren Verschwendung von Charismen und Begabungen. Sie möchten Frauen predigen hören, nicht, weil sie dies besser können, sondern weil sie anders predigen und eine andere Perspektive einbringen. Sie möchten, dass Frauen die Sakramente spenden können. Viele sagen, es wäre eine wunderbare Ergänzung, wenn Männer und Frauen gemeinsam Gemeinden leiten würden – als Hirtinnen und Hirten. Was mich besonders bewegt hat, sind auch die Männer, die von ihrem eigenen Umkehrerleben erzählen, die sich vom absoluten Gegner durch ihre Erfahrungen zu Befürwortern der Frauenweihe gewandelt haben.
Was muss als nächstes passieren, damit sich wirklich etwas wandelt?
Die Dogmatikprofessorin Johanna Rahner hat einmal gesagt: Wir können uns als Frauen noch so sehr für die Frauenweihe einsetzen, entscheiden tun es am Ende leider immer noch die Männer. Das heißt, wir müssen die Männer der Kirche überzeugen. Insofern haben diese Texte eine ganz wichtige Funktion für diejenigen Männer, die in dieser Frage noch schwankend sind. Dass dieses unser zweites Buch sehr aufmerksam gelesen und beachtet wird, da bin ich mir ganz sicher. Nicht umsonst war die erste Auflage bereits am Erscheinungstag vergriffen.
Was sagen Sie denn zum oft angeführten Argument, dass die Frauenweihe den Priestermangel nicht beheben wird, da ja die evangelischen Kirchen trotz Frauenordination ähnliche Probleme haben wie die Katholiken?
Dieses Argument lasse ich nicht gelten, weil es darum ja gar nicht geht. Es geht nicht um Nachwuchswerbung für die Kirche oder darum, die Katholik:innen, die sich mit dem Gedanken tragen, aus unserer Kirche auszutreten, zum Bleiben zu veranlassen. Es geht allein um Gerechtigkeit, darum, dass alle Menschen die gleiche Würde haben und damit auch die gleichen Rechte. Papst Franziskus hält oft wunderbare Ansprachen zum Thema Menschenrechte und fordert deren Einhaltung in Staat und Gesellschaft. Das wäre um ein vielfaches glaubwürdiger, wenn die Menschenrechte auch endlich innerhalb der Kirche selbst gelten würden. Noch einmal: Es geht darum, dass alle die gleiche Würde haben und dass jede Berufung von Gott kommt. Berufungen dürfen nicht nach Geschlecht vorsortiert, sondern müssen ausnahmslos alle ernsthaft geprüft werden.
Äußerungen zur Zukunft der Kirche laufen manchmal darauf hinaus, dass die aktuelle Institution zu Grunde gehen muss, bevor etwas Neues wachsen kann. Wie sehen Sie das?
Ich bin immer ein hoffnungsvoller Mensch und überzeugt davon, dass Wunder passieren können, wenn unser Glaube daran stark genug ist. Die Wiedervereinigung war so ein Wunder. Auch unsere Kirche ist immer wandelbar. Sie hat sich immer wieder gewandelt und wird dies auch weiter tun – durch gute Argumente, durch neue Erkenntnisse, durch die Zeichen der Zeit, vor allem aber durch unser Gebet. Daran glaube ich fest. Dennoch kann ich aber auch diejenigen verstehen, die davon überzeugt sind, dass die Struktur der Kirche erst einmal zusammenbrechen muss, damit Neues wachsen kann. Aber es braucht dann auch parallel dazu bereits eine Vision dessen, was und wie da Neues wachsen soll, damit die Menschen wieder eine geistige Heimat finden in ihrer Kirche.
Ich habe einmal als Überschrift zu einem Artikel über Sie gelesen: „Die Frau, die gehört wird!“ Kann es sein, dass es für Sie hilfreich ist, Ordensschwester zu sein?
Ich denke schon. Das ist aber sicher nicht mein persönliches Verdienst, sondern liegt eher daran, dass wir Ordensleute relativ unabhängig sind und auch als solche wahrgenommen werden. Ordensfrauen waren und sind in der Regel starke, selbstbewusste, gebildete Frauen – ganz im Gegensatz zu den allgemeinen Vorurteilen, die immer noch kursieren. Ich sage oft: Ich bin nur Gott, meinem Gewissen und meiner Äbtissin gegenüber verantwortlich. Das macht mich innerlich frei. Und das spüren die Menschen. Das ist also durchaus ein „strategischer“ Vorteil, aber auch eine besondere Verantwortung.
Interview: Burkard Vogt
Online-Buchvorstellung: Am 21. Februar stellt die Domschule Würzburg um 19 Uhr das Buch „Frauen ins Amt!“ vor. Dabei äußern sich die Herausgeber Schwester Philippa Rath und Burkhard Hose. Anmeldungen sind bis 20. Februar möglich: Telefon 0931/386-43000, E-Mail: info@domschule-wuerzburg.de.