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    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Der Abbau von Bauxit zur Aluminium-Herstellung vernichtet artenreiche Lebensräume

    Fürs Teelicht zerstört

    Die Nacht wird zum Tag, wenn die Flutlichter die gesamte Umgebung grell ausleuchten. Der dröhnende Lärm der Vielzahl von gigantischen Fahrzeugen übertönt alle natürlichen Geräusche, die den bra­silianischen Regenwald bei Juruti Velho einst so einzigartig gemacht haben. Mensch und Tier weichen seit inzwischen mehr als zwei Jahrzehnten dem unermüdlichen Hunger nach wertvollen und nutzbaren Rohstoffen im Boden. Auch damit hierzulande Einweg- und Wegwerfprodukte aus Aluminium zur täglichen Verwendung verfügbar sind.

    Es ist so stimmungsvoll, nun in der dunklen Jahreszeit und auch im Hinblick auf das Fest Maria Lichtmess, an dem im Gottesdienst die Kerzen gesegnet werden, daheim eine Kerze anzuzünden – oder ein Teelicht. Nur wenige machen sich Gedanken darüber, woher das Aluminium der Teelichthülle überhaupt kommt. Ist das Teelicht heruntergebrannt, landet es im Müll. „Darüber habe ich auch nicht groß nachgedacht, bevor ich in Brasilien war“, sagt Barbara Oschmann aus Hammelburg. 2015 hat sie zum ersten Mal an einer Reise ins Partnerbistum teilgenommen, 2019 ist sie wieder zum Amazonas gereist. Bei ihren Reisen wurde auch das Abbaugebiet der Firma Alcoa besichtigt, die im Gebiet um Juruti Velho das weltweit größte Bauxit-Abbaugebiet zur Herstellung von Aluminium betreibt. Dafür werden stetig und unaufhaltsam riesige Flächen Regenwald gerodet. „Es war für mich wirklich ein Schock; es hat eine Traurigkeit ausgelöst“, sagt Barbara Oschmann. „Ich musste irgendwas tun, es den Leuten hier näherbringen. Das war meine Motivation.“

    Umdenken ausgelöst

    Oschmann – damals noch Pfarrgemeinderatsvorsitzende von Sankt Johannes in Hammelburg – brachte 2019 einen Alu-Fasten-Kalender heraus. 40 Autoren unterstützten sie dabei. Im Nu war die erste Auflage von 650 Exemplaren vergriffen, weitere 1000 Hefte folgten in zweiter Auflage. Inhalt des Kalenders sind Alltags-Tipps zur Reduzierung von Aluminium sowie der Blick nach Amazonien. Das Echo von allen Seiten war enorm. Bis heute wirken einzelne Projekte nach, bei vielen Gläubigen habe ein Umdenken stattgefunden, hat Barbara Oschmann festgestellt. „Wir können Aluminium nicht gänzlich aus unserem Leben verbannen. Aber es darf nicht länger ein Wegwerfprodukt sein, in das ich meine Leberkäse-Semmel einwickle, und das nachher im Müll landet“, sagt sie.

    Alexander Sitter, Diözesanreferent für Südamerika im Referat für Weltkirche in der Diözese Würzburg, war bereits dreimal in Obidos. Zuvor hat er viele Jahre in Ecuador gelebt und gearbeitet. Dort war er mit dem Thema des Goldabbaus konfrontiert worden. Er habe durchaus ein Umdenken und eine höhere Sensibilität vor Ort bemerkt, berichtet Sitter. Das führt er darauf zurück, dass die weltweit agierenden Konzerne im Fokus der Öffentlichkeit stehen. So bemühe man sich um Renaturierungs-Maßnahmen, Tiere würden abgesammelt und untergebracht, damit sie den großen Maschinen nicht zum Opfer fallen. Aber: „Was keine Firma ausspricht ist, dass ein Regenwald als Ökosystem nicht wieder herstellbar ist mit diesen Maßnahmen. Wenn wir Regenwald erhalten wollen als Ort der Biodiversität und als CO2-Senke, dann dürfen wir ihn nicht berühren. Bestenfalls nur so, wie die indigenen Kulturen es tun, so dass er sich selbst wieder heilt. Doch diese Grenze haben die Firmen schon lange überschritten.“

    Nicht länger vertretbar

    Sitter und Oschmann sind sich einig, dass Aluminium als Wegwerfprodukt nicht länger vertretbar ist. Der weltweite Hunger auf diesen so wertvollen Rohstoff müsse aufs Wesentliche beschränkt werden, langlebige Produkte sind ein Muss, Recycling-Kreisläufe gehören angestoßen. Bei der Gewinnung von Aluminium aus Bauxit werden für ein Kilogramm Aluminium 16,5 Kilogramm CO2 freigesetzt. Beim Recycling von Aluminium dagegen fällt nur ein Bruchteil von rund fünf Prozent an. „Aluminium ist hervorragend zu recyceln, wenn es sortenrein ist“, sagt Oschmann. Sie sammelt alle Aluabfällen im Haushalt in einem extra Sack. Wichtig sei bei Joghurtbechern, dass die Alu-Deckel vom Plastikbecher abgetrennt werden, damit sie in der Müllsortierungsanlage dem richtigen Material zugeordnet und so dem Recycling zugeführt werden können. „Das Bewusstsein muss sich bei uns allen schärfen“, ist sie überzeugt. Vieles dürfe einfach nicht länger als selbstverständlich hingenommen werden. Hingenommen hat auch Schwester Brunhilde Henneberger nicht alles: 40 Jahre hat die Ordensfrau in Juruti Velho und Obidos Entwicklungshilfe geleistet. Die gebürtige Randersackerin, die 2020 gestorben ist, hatte es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, kritisch bei den Firmen nachzufragen und durchzurechnen, wieviel Geld die multinationalen Großkonzerne im Land lassen. Auch hatte die Sternschwester die sozialen Probleme wie Prostitution, Gewalt und Drogenkonsum in den Siedlungen der Minenarbeiter im Blick. Kritische Fragen würden dazu nach wie vor gestellt, sagt Alexander Sitter. Das Geld müsse für Bildung und Gesundheit im Land bleiben – sei stets das Credo von Schwester Brunhilde gewesen. Von Würzburg aus stärke man auch weiterhin die Sternschwestern sowie das kirchliche Netzwerk im Amazonasgebiet (REPAM). „Ein Beispiel ist ein Kursangebot für Hausbuchhaltungskurse, damit die Menschen ihr Leben im Gebiet gestalten, auf Probleme aufmerksam werden und sich organisieren können“, erklärt Sitter. Diözesane Mittel fließen außerdem in Projekte von REPAM, das länderübergreifend arbeitet. Damit soll das Engagement der neun Diözesen und Apostolischen Vikariate am Amazonas gegen die fortschreitende Zerstörung der Natur und für die Rechte sowie die Würde der dort lebenden Menschen unterstützt werden.

    Nicht nur den Regenwald

    Jedoch stehe nicht nur der zerstörte Regenwald im Amazonasgebiet im Fokus, betont Sitter. Es müsse auch auf unsere heimischen Wälder geschaut werden. „Sie sind ebenso enorm wichtig für unsere Zivilisation, weil sie als CO2-Senke dienen. Darum möchte ich eine Brücke schlagen – es geht um die einzigartige Biodiversität – hier aber auch dort.“ Jeder Urwaldriese stelle einen eigenen Kosmos dar; ein Lebensgeflecht das einzigartig ist. Darum habe die Förderung der Biodiversität oberste Priorität. Davon ist Sitter überzeugt. Um ihre Solidarität praktisch zu zeigen, ist der von Barbara Oschmann initiierte Alu-Fasten-Kalender 2022 auf portugiesisch übersetzt und in kleiner Auflage im Partnerbistum veröffentlicht worden. „Wir wollten den Menschen vor Ort zeigen: Wir sind solidarisch mit euch.“

    Es gibt Alternativen

    Tief getroffen haben sie neben dem Anblick der gerodeten Flächen in Südamerika die Gespräche mit den Menschen vor Ort, sagt Oschmann. „Sie müssen zuschauen, wie ihre Lebensgrundlage, ihre Kultur und die Natur um sie unwiederbringlich verschwinden.“ In Hammelburg wird sie darum nicht müde, unter anderem auf das breite Alternativangebot zu Alu-Teelichtern hinzuweisen; so sind Glas- oder Tonbehältnisse sehr langlebig und inzwischen in vielen Geschäften des Alltags erhältlich. Die einfachste Methode sei die Wiederverwertung: die Aluhülle lasse sich gut mit Nachfüllkerzen erneuern. Das Umdenken sei hier ein unerlässlicher Ansatz. „Man denkt nicht darüber nach, und es ist auch kein böser Wille dahinter. Aber wir haben die Verantwortung.“      

    Judith Bornemann

    Bauxit-Abbau in Juruti

    Auf dem Gebiet von Juruti befindet sich eines der weltweit größten Vorkommen von hochwertigem Bauxit mit geringen Verunreinigungen und annähernd 49 Prozent Aluminiumgehalt. Die Größe der Lagerstätte wird auf fast 700 Millionen Tonnen geschätzt. Seit 2009 betreibt dort Alcoa World Alumina and Chemicals (AWAC) eine Mine zur Bauxitgewinnung. Das Erz wird zur Verhüttung nach São Luís verschifft. Der Tagebau geht zulasten der dort vom Fischfang und der Landwirtschaft lebenden, einheimischen Bevölkerung. Riesige Flächen des uralten Regenwaldes werden gerodet. Zentrum des Abbaus ist der Bereich um den See von Juruti Velho. Die 2004 dort gegründete Bürgerinitiative Arcorjuve hat es mit Unterstützung der vor Ort arbeitenden Franziskanerinnen von Maria Stern 2009 geschafft, dass der ursprünglichen Bevölkerung ein kollektiver Landtitel eingeräumt wurde.