Glauben Sie an einen solchen Gott? Ich nicht. Ich halte ein solches Gottesbild für zutiefst unchristlich. Das Kreuz ist in erster Linie ein schreckliches Verbrechen der Menschen. Gewalt darf nie verherrlicht werden – erst recht nicht im Namen Gottes. Gewalt ist zu verurteilen. Es braucht den Kreuzestod nicht, um uns zu erlösen, aber Jesus ist ihm nicht ausgewichen. Zugleich wird für uns die Liebe Gottes, die sich bereits im Leben Jesu zeigt, mit aller Konsequenz erst am Kreuz sichtbar. Der Tod Jesu ist kein göttliches Ziel, sondern die Folge seiner unbegreiflichen Liebe.
Liebe braucht die Freiheit, radikal zurückgewiesen zu werden. Gott aber hält an seiner Liebe fest, auch wenn sie scheitert. Im Auferstehen besiegt diese Liebe den Tod. Sie kann nicht vernichtet werden. Am Kreuz, am Ort tiefster Gottlosigkeit, hielt Jesus an der vergebenden Liebe Gottes fest. Am Ort der Sünde bejaht er Gottes Liebe und bringt diese so zu den Sündern. Im Anblick dieser Liebe sind wir fähig, unsere Sünden zu erkennen. So können wir uns von ihnen distanzieren, zu Gott umkehren und unser eigenes Ja sprechen. Uns wird durch Jesu Kreuzestod das ermöglicht, was nur wir selbst tun können. Christus nimmt uns nichts ab und Gott zwingt uns seine Liebe nicht auf.
Jesus ist für uns gestorben, gab sein Leben für uns. Aber er suchte nicht den Tod, sondern hielt trotz Ablehnung an der Liebe Gottes fest. Jesu Tod ersetzt nicht unser eigenes Tun. Der Mensch kann sich bei Gott keinen Gewinn erwirken – auch nicht durch seinen Sohn. Er kann die Liebe Gottes auch nicht vernichten. Gottes unbegreifliche Liebe ist treu und bedingungslos und alles, was wir tun können, ist unser Ja zu geben. Und das muss jeder für sich selbst tun.
Alexandra Thätner