Evangelium
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt.
Ihr seid schon rein kraft des Wortes, das ich zu euch gesagt habe. Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.
Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen.
Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.
Johannesevangelium 15,1–8
"Wir brauchen niemanden wegzuschicken“
Jeden Freitag bildet sich eine lange Schlange vor der Ausgabestelle der Raphael-Oase im Bremer Norden. Gut 300 Menschen stehen Woche für Woche an, um ein Paket mit Lebensmitteln zu erhalten.
Bevor sich die Türen öffnen und die Menschen die gepackten Taschen in Empfang nehmen können, versammeln sich drinnen die Helfer. Sie bilden einen Kreis und sprechen ein kurzes Gebet: Sie danken Gott für die Lebensmittel, die sie verteilen, für die Geldspenden, die das erst möglich machen, und sie bitten Gott um Hilfe für ihren Dienst. „Das Gebet vor der Ausgabe ist für uns selbstverständlich“, sagt Schwester Deodata. Und: „Die Menschen spüren: Hier ist etwas anders.“
Seit 2022 gibt es die Lebensmittelausgabe, die von der Pfarrgemeinde St. Raphael organisiert wird. Von Anfang an war die Ordensfrau dabei. Als die Anfrage der Stadt kam und ihr Bruder, der Pfarrer der Gemeinde, sie fragte, ob sie nicht Lust hätte, eine solche Ausgabe zu organisieren, sagte sie gleich zu.
Andere Gruppen waren mit der gleichen Idee gescheitert, schlicht weil es zu wenig Lebensmittelspenden für zu viele Bedürftige gab. Schwester Deodata stellte das System um: Sie finanziert über Geldspenden Großeinkäufe. Pro Woche braucht sie 2500 Euro bis 3000 Euro, um genügend Lebensmittel für die Bedürftigen vorrätig zu haben. Die Tüten, die sie verteilt, haben jeweils einen Wert von etwa acht Euro.
Dabei vertraut Schwester Deodata auch auf die Hilfe des heiligen Antonius von Padua, dem Patron der Armen. „Seit wir – nach italienischem Brauch – eine geweihte Kerze und ein geweihtes Stück Brot im Lager haben, reichen unsere Mittel immer aus. Wir brauchen niemanden mit leeren Händen wegzuschicken“, sagt Schwester Deodata.
Dieser Grundsatz gilt auch, wenn die Ausgabe eigentlich schon geschlossen ist. „Vor einiger Zeit kamen noch zwei Leute sehr spät zu uns. Sie waren vom Regen völlig durchnässt. Wir waren schon am Aufräumen und einige Helfer wollten sie wieder wegschicken“, erinnert sich die Ordensfrau. Aber sie öffnete die Türen und gab die letzten Lebensmittel heraus.
Oft wird sie gefragt, ob sie keine Angst habe, dass die Ausgabestelle und die Helferinnen und Helfer ausgenutzt werden. „Dann sage ich ganz klar: Nein! Das, was wir haben, müssen wir weitergeben. Das ist doch die Haltung Gottes: sich ausnutzen lassen. Das ist unsere Aufgabe!“
Kerstin Ostendorf
„Das war eine Riesensache“
Es war ein Affront gegen den Staat: 1976 öffneten sich katholische Privatschulen in Südafrika auch für schwarze Schülerinnen und Schüler. Die Rassentrennung im Apartheid-Staat umfasste natürlich auch das Bildungssystem. Farbigen standen nur schlechtere Schulen zur Verfügung. „Wenn die Kirche sich gegen die Apartheid positioniert, was sie getan hat, muss sie versuchen, diese Position in allen Belangen umzusetzen, auch in ihren Institutionen“, wird der damalige Erzbischof von Durban, Denis Hurley, in einem Zeitungsbericht zitiert.
Die Öffnung der guten Privatschulen für Schwarze „war eine Riesensache“, sagt Günther Simmermacher, Chefredakteur der katholischen Zeitschrift „Southern Cross“ in Kapstadt. Für Simmermacher ist dieser Akt des Widerstands eines von vielen Beispielen, wie sich Christen gegen die Apartheid in Südafrika engagiert haben. „Christen hatten bei der Überwindung der Apartheid eine maßgebliche Rolle“, sagt er.
Das bekannteste Gesicht ist sicher der 2021 verstorbene anglikanische Erzbischof Desmond Tutu, der nach dem Ende der Apartheid die Wahrheitskommission zur Aufarbeitung und Versöhnung leitete. Doch es gab auch viele andere Christen, die gegen das Unrecht kämpften: Erzbischof Hurley etwa brachte bereits in den 50er Jahren die laut Simmermacher „eigentlich sehr konservative katholische Bischofskonferenz“ dazu, die Apartheid zu verurteilen. Als erste christliche Kirche des Landes und zum Missfallen des vatikanischen Nuntius.
Widerstand war unbequem
Und es gibt weitere Beispiele. So gehörten zu den Gründern des African National Congress (ANC), der führenden Bewegung gegen die Apartheid, zwei christliche Pastoren. Ein ANC-Präsident, Albert Luthuli, war methodistischer Prediger und Verfechter des gewaltlosen Widerstands; 1960 erhielt er dafür den Friedensnobelpreis. In den 1970er und 1980er Jahren kämpften Aktivisten der Christlichen Arbeiterjugend mit Unterstützung der katholischen Kirche für unabhängige Gewerkschaften.
Der kirchliche Widerstand gegen die Apartheid war so unbequem, dass es 1988 sogar zu einem Brandanschlag auf das Haus der Bischofskonferenz kam. Allerdings, sagt Simmermacher, gab es „auch einen schlechten Einfluss von Christen“. Die Niederländisch Reformierte Kirche begründete die Rassentrennung theologisch und setzte sie in ihren Gemeinden um. 1982 wurde die Stütze des Regimes dafür von ihren Schwesterkirchen aus dem Reformierten Weltbund ausgeschlossen. In einer Zeit, in der der innere und äußere Druck auf Südafrika wuchs, ein weiterer Mosaikstein aus christlichem Geist.
So waren es nicht nur, aber auch ganz entscheidend Christinnen und Christen, die dazu beitrugen, dass die Apartheid überwunden werden konnte.
Ulrich Waschki