Frankfurt ist im Kaiserfieber. Zwei Jubiläen sind dafür verantwortlich: Die „Goldene Bulle" Kaiser Karls VI. wird 650 Jahre alt und das Ende des Alten Reichs jährt sich zum 200. Mal. In der gesamten Innenstadt sind rote Fieberpunkte auf dem Trottoir verteilt. So kann keiner dem Fieber entgehen. Dabei sind nicht nur die Museen als „Infektionsherde“ anzusehen. Zusätzlich gibt es ein reichhaltiges Programm. Kinder können in einer Restaurierungswerkstatt Siegel und Urkunden selbst herstellen oder bei einem Theaterprojekt mitspielen. Für Erwachsene gibt es Stadtrundgänge und einen umfangreichen Vortragskalender.
Wer sich speziell für den religiösen Aspekt interessiert, kommt im Dommuseum und im Museum Judengasse auf seine Kosten. Die Feststellung der Goldenen Bulle von 1741 „Das Heilige Reich heißt heilig, weil dessen Oberhaupt Gesalbter des Herrn und auf keine Weise zu verletzen und anzutasten ist“, zeigt die Bedeutung des Religiösen. Das Dommuseum konzentriert sich auf die liturgischen Aspekte. Denn die Wahl zum Römischen und Deutschen König und damit auch Römischen Kaiser war ein liturgischer Akt mit deutlichen Parallelen zur Papstwahl. Daher hatte er in der Kirche stattzufinden. War ein Herrscher gestorben, schrieben Kanzler und Vikar des Reichs die Wahl aus. Sie fand in der St. Bartholomäuskirche, dem Frankfurter Dom, statt, und begann mit zwei Messen zum Heiligen Geist und zu Maria. Die Kurfürsten mussten auf das Johannesevangelium schwören. So sollte ein gottgefälliger Ausgang garantiert werden. Die Wahl wurde dann im als Konklave bezeichneten „Kaiserchörlein“, der späteren „Wahlkapelle“, abgehalten.
War ein neuer Kaiser gefunden, so fand auch seine Krönung und Salbung bei einer Messfeier statt. Das Konzil von Trient hatte diesen Ritus heruntergestuft. Doch darum scherte man sich in Frankfurt wenig. Die Krönung ähnelte einer Priesterweihe. Wie ein Weihekandidat lag der künftige Kaiser bei der Allerheiligenlitanei flach auf dem Boden. Es gab eine rituelle Befragung und wie ein Diakon wurde er eingekleidet – allerdings mit der kaiserlichen Stola. Höhepunkt des Rituals war die Salbung – nach dem Vorbild der biblischen Königsbestellung Davids. Der Erzbischof salbte den künftigen Herrscher dabei mit Katechumenenöl. Abschließend musste er auf das Aachener Evangelium schwören. Bei der öffentlichen Proklamation schließlich setzte man den Kaiser buchstäblich auf den Altar. Wie ein Bischof mit dem Besitzen des Hochaltars sein Bistum in Besitz nahm, so nahm er die christliche Welt in Besitz.
Die kleine Ausstellung im Museum Judengasse findet der Besucher inmitten der Grundmauern einiger Häuser und zweier Ritualbäder des ehemaligen Ghettos. Die Frankfurter Juden waren keine „Kaisermacher“, aber sie profitierten davon. Obwohl sie dem Rat unterstanden, sahen sie sich selbst vor allem als Kammerknechte des Kaisers, „Diener von Königen, und nicht Diener von Dienern“. Mit mehreren tausend Personen waren sie jedoch auf einen einzigen Wohnort angewiesen, die Judengasse.
Der große Wendepunkt in ihrer Stellung – zugleich zentraler Punkt der Ausstellung – war die Kaiserkrönung Karls VI. Karl hatte angeordnet, dass ihm neben den Bürgern auch die Juden Treue und Gehorsam schwören sollten. So leisteten im Januar 1712 die Frankfurter Juden den kaiserlichen Treueeid und riefen zum Schluss lautstark „Vivat Carl VI.“. Bis zum Ende des Reichs hatten sie so eine besondere Beziehung zum Kaiser inne, verbunden mit zahlreichen Privilegien, die ihre eingeschränkten Rechte deutlich verbesserte.
Keinesfalls versäumen sollten Besucher jedoch auch die weltlichen Aspekte, und hier vor allem das Frankfurter Exemplar der Goldenen Bulle. Dieses „Reichsexemplar“, also die maßgebliche Ausfertigung, erwartet die Besucher im Institut für Stadtgeschichte. Es stellt sozusagen die Voraussetzung zum „Kaisermachen“ dar: 1356 wurde darin Frankfurt als Wahlort festgelegt. Das Historische Museum führt als Pendant zum Dommuseum das weltliche Zeremoniell vor. Wie Frankfurt zur heimlichen Hauptstadt aufstieg, ist hier zu sehen, und welchen Prunk die Stadt am Main dabei entfaltete.
Bei allem schmückenden Beiprogramm bereitet das Frankfurter Museumskonzept das Thema eher traditionell auf, wohl aus Respekt vor seiner Bedeutung für die deutsche Geschichte. Etwas mehr lebendige Volksnähe hätte sicher nicht geschadet. Allemal lässt sich aber etwas erfahren über die eigene Vergangenheit. In schnellebigen Zeiten ist das auch ein Wert an sich.
„Die Kaisermacher: Frankfurt am Main und die Goldene Bulle 1356-1806“. Die Ausstellung ist in insgesamt vier Frankfurter Museen noch bis zum 14. Januar 2007 zu sehen:
Historisches Museum, Saalgasse 19;
Institut für Stadtgeschichte, Münzgasse 9;
Dommuseum, Domplatz 1;
Museum Judengasse, Kurt-Schumacher-Straße 10.
Öffnungszeiten:
Die/Do bis Sa und Feiertage:
10-18 Uhr, Mi 10-21 Uhr.
Im Internet:
„www.kaisermacher.de“.