„Die Kirche hat Platz für alle. Alle, alle, alle“, war einer dieser Sätze, die der Papst während des Riesenereignisses in Portugal mehrmals wiederholte. Ein anderer: „Gott liebt uns, wie wir sind.“ „Hinfallen ist nicht schlimm, man darf bloß nicht liegenbleiben“, gab er den Jugendlichen mit. Und beim Abschlussgottesdienst mit mehr als einer Million Teilnehmenden wiederholte er am 6. August immer wieder: „Fürchtet euch nicht!“
Beim WJT zeigte sich das wichtigste Anliegen des Papstes: die Frohe Botschaft so zu verkünden, dass jeder sie versteht und niemand ausgegrenzt wird. Franziskus‘ Botschaft von der Kirche für „alle, alle, alle“ weist auch auf die Weltsynode im Oktober im Vatikan hin. Erstmals in der Geschichte der Kirche werden Frauen bei einer Bischofssynode mit abstimmen. Zwar ist nur rund jede siebte Stimme weiblich; trotzdem ist der Schritt bemerkenswert. Laut dem offiziellen Arbeitspapier sollen die Synodalen auch über Konfliktthemen sprechen, etwa den Umgang der Kirche mit sexuellen Minderheiten und die Ehelosigkeit von Priestern.
Offenstehend
In Lissabon benannte der Papst solche Themen indirekt – etwa mit seiner Vision einer Kirche, die für ausnahmslos alle Menschen offenstehen müsse. Zum sexuellen Missbrauch äußerte er sich nicht, obwohl zu Jahresbeginn ein Untersuchungsbericht die portugiesische Öffentlichkeit schockiert hatte. Statt eine Stellungnahme dazu abzugeben, empfing der Papst 13 Missbrauchsbetroffene in der örtlichen Vatikan-Botschaft. Das Treffen sei von einem „Klima intensiven Zuhörens“ geprägt gewesen, hieß es im Anschluss.
Bei seinen Auftritten vor Hunderttausenden Menschen wich Franziskus teils stark von den Redemanuskripten ab. „Gibt es Dinge in meinem Leben, die mich zum Weinen bringen?“, fragte er zum Beispiel überraschend die Jugendlichen am Abend des 4. August beim Kreuzweg. Vielen kamen in diesem Moment die Tränen. So machte der Papst mit nur wenigen Worten die 14 Stationen vom Leiden und Sterben Jesu auch für religiös Ungeschulte begreifbar.
Wie immer, wenn er frei redet, sprach Franziskus Spanisch, was auch viele Portugiesen verstehen. Unterstützt wurden die Inhalte der Stationen durch eine Tanzgruppe. „Ich fand es überwältigend“, kommentierte die 15-jährige Luisa aus der Schweiz. Die 19-jährige Alexandra ergänzte: „Es ist wunderschön, dass man den Kreuzweg mit der heutigen Zeit verknüpfen kann.“
Besuch in Fatima
Dass Franziskus bei seinen Reden spontan improvisiert, ist nicht außergewöhnlich. Selten jedoch hat er Ansprachen so stark abgekürzt wie beim WJT. Überraschend war auch, dass er am Marienwallfahrtsort Fatima auf einen ursprünglich geplanten Friedensappell verzichtete. Stattdessen hielt er eine kurze Ansprache über Maria und wiederholte seine Vision von einer offenen Kirche. Franziskus habe in Stille und mit Schmerz vor der Madonnenfigur in Fatima für den Frieden gebetet, erklärte Vatikan-Sprecher Matteo Bruni im Anschluss. Wegen der ungewöhnlich kurzen, frei gehaltenen Reden gab es Spekulationen über mögliche Sehprobleme und Erschöpfungserscheinungen des Papstes. Sehprobleme habe er keine, stellte Franziskus beim Rückflug von Lissabon nach Rom klar.
Vollgepackt
Portugal war Franziskus‘ erste Reise nach einer größeren Darm-Operation im Juni. Die abgekürzten Reden könnten darauf hinweisen, dass ihn das vollgepackte Programm an die Grenzen seiner Belastbarkeit brachte. Andererseits wirkte er gerade bei seinen improvisierten Ansprachen vor den Jugendlichen lebendig und stellte der Menge immer wieder direkte Fragen. Die Pilger ließen sich mitreißen. „Der Papst hat uns gesagt, dass Gott uns liebt, wie wir sind, und dass in der Kirche Platz für jeden ist“, resümierte die 20-jährige Lilly aus Australien. „Ich finde das super; das macht vielen Menschen Hoffnung.“
Anita Hirschbeck (KNA)