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    Eindrucksvolle Ausstellung im Jüdischen Museum Augsburg Schwaben

    „Feibelmann muss weg“

    Ein Mensch, der in seinen Grundfesten erschüttert wird, weil man ihn täglich mit übelster Droh- und Schmähpost bedrängt, beschimpft, verleumdet und bedroht: Jakob Feibelmann, ein Memminger Kaufmann, Familienvater, politisch engagiert, sozial motiviert. Ebenso knapp wie brutal fasst der Titel der Ausstellung „Feibelmann muss weg“ seine Lebensrealität in den Jahren 1933 und 1934 zusammen, bevor er mit seiner Familie ins damalige britische Mandatsgebiet Palästina geflohen ist.

    „Feibelmann muss weg“ – das war das Hauptansinnen derer, die Abscheu, Hass und Angst gegenüber Juden schüren wollten. Jakob Feibelmann wurde mit unablässiger Schmähpost, mit Drohungen und Beleidigungen auf Postkarten täglich traktiert. Darüber hinaus erhielt er Drohanrufe und wurde öffentlich diffamiert. Dies führte dazu, dass er schließlich selbst nur eines wollte: weg.

    Jakob Feibelmann war am 3. Oktober 1880 in Memmingen geboren und machte mit 16 Jahren an der Königlichen Realschule in Memmingen den mittleren Schulabschluss. Anschließend folgte eine zweijährige kaufmännische Lehre bei der Tuch- und Baumwoll-Großhandlung Heilbronner & Guggenheimer. Sein Weg führte Feibelmann nach München in eine Seidenwarenhandlung und zu einer Modeartikel-­Firma.

    Viel unterwegs, sozial engagiert

    Als Handelsreisender war Feibelmann in der Schweiz und in Belgien unterwegs, bis er Ende 1901 zurück nach Memmingen kam. Er trat anschließend im Königlich-Bayerischen Dritten Infanterie-Regiment seinen Militärdienst an, arbeitete im Immobiliengeschäft seines Vaters mit und machte sich mit 33 Jahren schließlich als Kaufmann selbstständig. Gleichzeitig war er auch sozial engagiert: So fungierte Jakob Feibelmann während des Ersten Weltkrieges vier Jahre lang als ehrenamtlicher Vorstand des Memminger Lebensmittelamts und war für die Versorgung der Bevölkerung in den Kriegsjahren zuständig. An der Front kämpfte er nicht, weil ihn das Bezirkskommando Mindelheim ausgemustert hatte. Im Sommer 1926 übernahm Feibelmann schließlich die Bayerische Aluminium-Industrie GmbH in Memmingen und sah sich nach unterschiedlichen beruflichen Stationen einer neuen Herausforderung gegenüber. Feibelmann war zweimal verheiratet, seine erste Frau starb. Beiden Ehen entstammten insgesamt drei Kinder; Heinz war sein ältester Sohn.

    Durch die harte Preispolitik eines Konkurrenten erlitt Jakob Feibelmann ab 1931 hohe Verluste, die ihn unternehmerisch in ernste Schwierigkeiten brachten. Deshalb verkaufte er im November 1932 seine Maschinen an das Aluminiumwerk Tscheulin im badischen Teningen und schloss einen Vertriebsvertrag. Zuvor hatte Feibelmann von dort bereits Folien zum Färben und Bedrucken bezogen. Nun produzierte und versandte Tscheulin die Waren für Feibelmann, der blieb für die Bestellungen und Abrechnungen der Firma zuständig. Stabilisieren sollten sich seine Verhältnisse aber nicht. Nach dem reichsweiten Boykotts jüdischer Geschäfte am 31. März und 1. April 1933 kam Feibelmann mit anderen jüdischen Geschäftsleuten in „Schutzhaft“. Bewaffnete SS-Männer blockierten währenddessen sein Wohnhaus und schüchterten die gesamte Familie ein. Seinem Geschäftspartner Emil Tscheulin hatte er es zu verdanken, dass er nach wenigen Tagen freikam. Tscheulin war ein führender Nationalsozialist in Baden und trat – noch – für Feibelmann ein.

    Aussichtslos

    Nach seiner Freilassung setzte die Hetzkampagne gegen diesen ein. Feibelmann war gänzlich machtlos gegen die Drohbriefe, oft erreichten ihn mehrere am Tag. Juristische Schritte dagegen waren aussichtslos, das wusste er. Dennoch wollte er nicht das ohnmächtige Opfer sein; so sammelte der Geschäftsmann alle Schreiben, die ihn diffamierten und beleidigten, dokumentierte so das ihm zugefügte Unrecht für die Zukunft. Bei seiner Emigration im November 1934 trug er sie bei sich. Sein Sohn Heinz war bereits im April ausgereist.

    „Wir fragen in der Ausstellung nach Täterinnen und Tätern und zeigen die Auswirkungen auf, um eine ganzheitliche Aufar­beitung zu ermöglichen“, erläutert Kuratorin Monika Müller das Ziel der Ausstellung. Dabei habe man sehr genau überlegt, wie die Hetzpost dargestellt werden kann. Mit Hilfe der Enkelin des Jakob Feibelmann, die Fotos und Dokumente zur Verfügung stellte, wurde seine Person in den Mittelpunkt gerückt, ebenso die Auswirkungen auf sein Leben und das seiner Familie. Rund 15 Monate lang – diesen Rückschluss geben die datierten Postkarten – hatte Feibelmann die Karten in seinem Briefkasten. 20 davon wurden für die Wanderausstellung verwendet. Dabei wurde alles in eine szenographische Installation eingebettet, die die Hetzkampagne im Kleinen und vor Ort noch eindringlicher vor Augen führt. „Parolen, Hakenkreuze, Schnipsel aus der Zeitschrift ,Der Stürmer‘ sowie Karikaturen – all das schürt so unglaublich den Hass und die Abscheu“, schildert Monika Müller. Dabei sei in der Recherche sehr deutlich geworden, wie sich der Tonfall immer weiter verschärft, aggressiver gegenüber Feibelmann wird. Müller zieht die Schultern hoch. „Beängstigend und zutiefst verstörend, wenn man sich das mal vor Augen führt.“ Die Folge war die gezielte Ausgrenzung Feibelmanns und seiner Familie – so wand sich kurze Zeit später sein Geschäftspartner von ihm ab; Feibelmann war damit die Existenzgrundlage entzogen, gleichzeitig nahmen die Verunglimpfungen weiter zu.

    Absender unbekannt

    Zum Urheber der Schriften habe man seitens des Rechercheteams einige Anhaltspunkte ausmachen können, die Urheberschaft der Postkarten konnte aber letztlich nicht geklärt werden, schildert Müller. Dazu hätte man mehr Zeit benötigt, um noch viel tiefer in die Recherche einzusteigen. Stattdessen liegt der Fokus auf der Person: So zeigt die Ausstellung den beschwerlichen Neuanfang der Familie Feibelmann in Palästina. Jakob Feibelmann wird seine Geburtsstadt Memmingen bis zu seinem Tode 1972 nicht mehr wiedersehen; auch seine Frau kehrt nie zurück. Feibelmann kämpft jedoch beharrlich um die Anerkennung dessen, was ihm und seiner Familie angetan wurde. Beweise hat er – eine Vielzahl an Postkarten die dokumentieren, wie gezielter Hass gegen ihn geschürt wurde. Doch er kämpft 15 Jahre lang, sechs Verfahren braucht es schließlich, um das Unrecht anzuerkennen. Feibelmann bedauerte, dass das so Offensichtliche auch lange nach Kriegsende noch verharmlost und geleugnet wurde. Als „Geste der Versöhnung“ lud man in den 80er Jahren einstige jüdische Bewohner aus Bayerisch-Schwaben zur „Woche der jüdischen Mitbürger“ ein. Heinz Feibelmann schrieb einen Leserbrief an die Memminger Zeitung. Denn er sah es nicht als das Recht „der Deutschen“ an, hier Versöhnung anzubieten. Dies könne nur von den Opfern, nicht aber von den Mördern kommen. Der Leserbrief von Jakob Feibelmanns ältestem Sohn wurde nie in der Memminger Zeitung abgedruckt.     

    Judith Bornemann

    Infos zur Ausstellung und zum Thema

    Wanderausstellung des Jüdischen Museums Augsburg Schwaben in Kooperation mit dem Netzwerk Historische Synagogenorte in Bayerisch-Schwaben. In Augsburg ist die Ausstellung noch bis 3. September zu sehen.

    Kontakt: Ehemalige Synagoge Kriegshaber, Ulmer Straße 228, 86156 Augsburg.
    Öffnungszeiten: Donnerstag bis Sonntag 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet sechs, ermäßigt drei Euro.
    Einrichtungen oder Vereine, die die Ausstellung zeigen möchten, wenden sich an obige Adresse.

    Vielfältiges Infomaterial, um Antisemitismus zu begegnen, bietet die Bundeszentrale für politische Bildung, Fachbereich Extremismus, im Internet unter: „www.bpb.de“. Online Beratung gegen Rechtsextremismus: Gegen Vergessen für Demokratie e.V., Internet „www.online-beratung-gegen-rechtsextremismus.de“.

    Recherche- und Informationsquelle Antisemitismus Bayern: „www.rias-bayern.de“ und „www.kompetenznetzwerk-antisemitismus.de“ sowie „stopantisemitismus.de/das-projekt/“.