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    Es ist ein Fest, wenn sie kommen

    In Franken ist im Sommer Wallfahrtszeit. Viele Wallfahrer haben das Glück, auf dem Weg bei einer Familie privat übernachten zu können. Manchmal entstehen dadurch Freundschaften, die das ganze Jahr gepflegt werden.
    Sie liegen sich in den Armen. Tränen kullern über die Wangen. Es sind Freu­dentränen. Da ist eine Herz­lichkeit zwi­schen Monika Strasser und Monika Mark, die auch Um­herstehende spüren können. Die Frauen kennen sich schon lange – und es verbindet sie etwas ganz Besonderes: Eine Wallfahrer-Freundschaft. Die Sonne strahlt an diesem Samstag­abend – nicht am grauen Julihimmel, sondern in den Gesichtern der wartenden Theilheimern und der ankommenden Walldürner Wallfahrern.  An diesem zweiten Tag der Walldürn-Wallfahrt zur Schmerz­haften Muttergottes nach Dettelbach (Dekanat Kitzingen) ist Monika Strasser mit ihrem Mann Erwin und den rund 86 Wallfahrern 41 Kilometer gelaufen. Ausge­macht hat es der 68-Jährigen und ihrem 72-jährigen Ehemann nichts. Obwohl sie die Ältesten dieser Wallfahrt sind. Nicht eine einzige Blase haben sie an den Füßen. „Wir wallen jedes Jahr nach Dettelbach“, erklärt Erwin Strasser. „Ich bin schon 13 Mal mitgelaufen, meine Frau heuer zum zwölften Mal. Und immer haben wir bei Familie Mark in Theilheim übernachtet.“ So ist es auch in diesem Jahr. Die Mehrzahl der Wallfahrer übernachtet in Gasthöfen in Randersacker, einige haben das Glück, privat im angrenzenden Theilheim unterzukommen. Mit dem Bus bewältigen sie die letzten drei Kilometer. Vor einigen Jahren noch standen Quartiere im örtlichen Café Nussbaum bereit, nach dessen Schließung wurden aber händeringend Privatunterkünfte gesucht.  Monika Mark sorgt seit fünf Jahren dafür, dass möglichst viele Wallfahrer eine private Unterkunft genießen können. Auch wenn sie immer wieder mal einen Korb bekomme, erklärt die dreifache Mutter und zweifache Großmutter schmunzelnd, viele Familien er­klären sich gerne bereit, Wallfahrer aufzunehmen – der Katholische Frauenbund sorgt für ein großes Frühstück am nächsten Morgen im Pfarrzentrum, um die Gastgeberfamilien zu entlasten. Monika Mark aber lässt es sich nicht nehmen, ihren Gästen ein Frühstück in ihrem Haus angedeihen zu lassen. Seit zwölf Jahren nimmt sie selbst in ihrer Familie Fußpilger auf, Erwin Strasser war einer der Ersten. Heuer sind es insgesamt fünf Gäste; neben dem Ehepaar Strasser kommen wieder drei Männer zur Übernachtung. Adalbert Sahner ist kein normaler Wallfahrer, als Sani­täter hat er alle Pilger im Blick, die schnelle Hilfe brauchen. Zum 16. Mal begleitet er diese Wallfahrt, die Marks kennt er schon länger. Auch bei der Begrüßung in diesem Jahr vor dem Theilheimer Pfarrzentrum umarmen sich der 58-Jährige und seine Gastgeberin. Johann Mark heißt alle mit einem herzlichen Handschlag und kräftigem Schulter­klopfen Willkommen. Mitten im Begrüßungspulk stehen Christian Ackermann und Wolfgang Teichmann. Die Familienväter haben sich eine kleine Auszeit von daheim genommen und wallen mit. Auch sie werden die kommende Nacht bei den Marks verbringen. Fünf Personen mehr im Haus – Monika Mark macht gerne Platz. Von Kindheit an ist ihr diese Form der Nächstenliebe vertraut.  Die aus Leinach stammende Katholikin fand es schon im Kindesalter spannend, wenn Wallfahrer aus Fulda in den Ort kamen, um am nächsten Tag ihre Wallfahrt nach Walldürn fortzusetzen. In ihrem Elternhaus fanden viele eine Nacht Unterschlupf. „Wir haben uns immer gefreut, meine drei Geschwister und ich. Das war schon ein Fest, wenn die Wallfahrer kamen. Und sie brachten uns Kindern immer etwas mit, worüber wir uns sehr freuten.“ Da sei auch schon mal das Unmögliche möglich gemacht worden, um ein oder zwei Personen mehr unterzubringen. „Und wir haben das immer gern gemacht“, erklärt Mark. „Es war immer selbst­verständlich, dass man die Wallfahrer unentgeltlich aufnimmt und verköstigt.“Vor dem Pfarrzentrum werden die Umherstehenden zügig von Monika Mark und Marlies Ackermann, der Walldürner Wallfahrt-Organisatorin, auf die Wartenden verteilt, denn neben den alten Bekannt­schaften gibt es auch immer Gäste und Herbergsfamilien, die sich noch nicht kennen. Die gilt es, zueinander zu führen. Die fünf Gäste der Familie Mark machen sich unterdessen mit Johann Mark schon auf den kurzen Fußweg zum Haus. Drinnen wartet bereits ein Gläschen Frankenwein in der gemütlichen, großen Küche. Erwin Strasser erinnert sich amüsiert an seinen ersten Besuch im Hause Mark. „Mir wurde das Zimmer gezeigt, in dem ich übernachten sollte. Die Tür ging auf, ich schaute auf ein vergittertes Kinderbettchen. Ich musste lachen, denn da hätte ich nun wirklich nicht reingepasst. Aber die Familie hatte es nur beiseite ge­räumt – hinter der Tür stand das normale Bett, in dem ich schlafen sollte.“ Bereits beim zweiten Mal war dann seine Frau Monika mit von der Partie und begleitete ihren Mann zu Familie Mark. „Ich weiß noch ganz genau“, erzählt die Seniorin, „dass mir Monika und ihr Mann vom ers­ten Moment an sympathisch waren. So herzlich und lieb wurden wir hier aufgenommen, als sei es das Normalste der Welt.“ Auch die Männer fühlen sich wohl. Christian Ackermann mag die lockere Atmosphäre und schätzt die Herzlichkeit. „Das Gemeinschaftserlebnis einer Wallfahrt ist einfach toll. Ich fühle mich immer wieder wie infiziert, obwohl ich evangelisch bin. Aber unterwegs zu sein, die Ge­meinschaft zu erleben – und dann noch an einem Ort anzukommen, an dem man so herzlich empfangen wird – das ist klasse.“ Man stößt auf das gemeinsame Wohl an, während sich draußen die Regenwolken zusammenbrauen. Monika Marks sieben- und fünf­jährige Enkeltöchter Jana und Lilli  hüpfen um den Küchentisch herum, krabbeln den Besuchern auf den Schoß. Die Ältere erklärt stolz: „Wir haben euch mit Malkreide Sonnen auf die Straße gemalt, damit ihr trocken hier ankommt. Jetzt fängt es an zu regnen!“ Gelächter in der Runde, man prostet sich erneut zu. Im Laufe des Jahres telefonieren Strassers und Marks miteinander, zu den Geburtstagen werden Karten geschickt. „Man denkt an die anderen, auch wenn man sich nicht oft sieht“, erklärt Monika Stras­ser. „Wir sind uns wichtig geworden und möchten wissen, dass es den anderen gut geht. Und zur Weinlese im Oktober sehen wir uns ja noch einmal hier wieder“. Das Ehepaar Mark freut sich, zu diesem Anlass im heimi­schen, kleinen Weinberg alle helfenden Hände da zu haben. Johann und Monika Mark pilgern auch gerne selbst. Von Theilheim zum Würzburger Käppele oder mit den Wallfahrern ihres Heimatortes Leinach zwei Tage lang nach Maria Buchen. „Daher wissen wir auch, wie es ist, woanders aufgenommen zu werden. Wir kennen die andere Seite. Darum nehmen wir daheim gerne Wallfahrer auf“, begründet die 56-Jährige ihre Offenheit.  Die Walldürner können auf eine lange Tradition ihrer Dettelbach-Wallfahrt zurückblicken, die vor 22 Jahren wiederbelebt wurde. Zur Zeit des 30-jährigen Krieges von 1629 bis 1634 hatte Walldürn nur noch 535 Einwohner – die Pest hatte im Ort schlimm gewütet. Man gelobte künftig eine Wallfahrt zur Schmerzhaften Muttergottes nach Dettelbach, wenn der Ort verschont bliebe. Irgendwann aber war im Laufe der Jahrhunderte die Wallfahrt wieder in Vergessenheit gera­ten, bis sie vor rund zwanzig Jahren wieder belebt wurde und seitdem jähr­lich auf immer grö­ßeres Interesse stößt. In kürzester Zeit habe die Wallfahrt viele Anhänger gefunden und die Zahl der Teilnehmer stieg stetig an – bis heute, erklärt Marlies Ackermann.Darum fand auch nur ein kleiner Teil der Pilger in diesem Jahr eine Privatunterkunft, das eine Pilgerin am frühen Sonntagmorgen beim Aufbruch in Randersacker sehr bedauert. „Wir waren zu spät. Hätten wir auch eine Privatunterkunft bekommen, wäre das Frühstück heute Morgen sicherlich nicht so spärlich ausgefallen und es hätte heißen statt lauwarmen Kaffee gegeben“, sagt sie in säuerlichem Tonfall. Während ein Teil der in Randersacker untergekommenen Wallfahrer um 5.30 Uhr losläuft, sitzen die Theilheimer Pilger ge­mütlich beim Frühstück im Pfarr­zentrum. Von den Gästen der Familie Mark ist Christian Ackermann der Einzige, der sich keinen Meter dieser Wallfahrt schenken möchte. Darum ist er schon sehr früh nach Randersacker gefahren, um seinen Pilgerweg von dort nahtlos fortzu­setzen.  In der Küche des Theilheimer Pfarr­zentrums herrscht geschäftiges Treiben. Kaffeeduft steigt in die Nase. Gestärkt wollen die Wallfahrer nach der kurzen Andacht in der Pfarrkirche weiterwallen – Dettelbach ruft, um 10.30 Uhr ist dort der Abschlussgottesdienst, zu dem auch Bus- und Radpilger erwartet werden. Gerhard Trunk wallt in diesem Jahr zum 21. Mal mit, aber zum ersten Mal war er nun in einer Familie untergebracht. Er strahlt. „Die Gastfreundschaft hier ist wirklich überwältigend, ein tolles Erlebnis auf dieser Wallfahrt.“ Nach der Andacht geht alles sehr schnell. Adalbert Sahner zieht flugs den Reißverschluss seiner Notfalltasche zu. Hier ein fester Händedruck, dort ein Lächeln, eine feste Umarmung. „Wir sehen euch bald wieder!“, ruft Monika Strasser dem Ehepaar Mark im Gehen nach. Ist die Luft an diesem Morgen auch recht kühl – heute lacht die Sonne von oben.